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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Schreibwettbewerb - Yetis 2012 - Geschichten und Abstimmung


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Kurzgeschichte
03-06-2012, 20:08
Vielen lieben Dank an freckle für das wunderschöne Siegerbild, allen anderen Pixler für ihre ebenfalls tollen Bilder (http://www.ioff.de/showthread.php?t=408857), die Entscheidung fiel uns wirklich nicht leicht. Und natürlich smutny für den spannenden PS-Wettbewerb (http://www.ioff.de/showthread.php?t=408698) zu unseren Gunsten.



Videolink -> >>Yetis 2012<< (https://vimeo.com/43345835) <- Videolink


Voting

Die Abstimmung wird dieses Mal per PN an "Kurzgeschichte" (http://ioff.de/private.php?do=newpm&u=66422) erfolgen, hier gelten die gleichen Bedingungen wie beim Mehrfachvoting in der Umfrage. Ihr stimmt einfach für die Geschichten, die euch am besten gefallen haben.

Außerdem könnt ihr Sonderpunkte in den Kategorien
- Spannung
- Gefühl
- Humor
- Idee
verteilen. Pro Kategorie darf je nur eine Geschichte benannt werden.


Regeln und Details

Ihr seid der Ansicht eine Geschichte hat den Sonderpunkt gleich in mehreren Kategorien verdient? Kein Problem, das ist erlaubt.

Die Sonderpunkte dürfen auch an Geschichten gehen, denen ihr keinen Punkt im allgemeinen Voting gegeben habt, etwa weil euch die Idee zwar gefiel, die Geschichte insgesamt jedoch nicht.

Das bekannte Voting und die Kategorien werden gesondert ausgezählt.

Ihr bekommt eine Bestätigungs-PN von uns, damit ihr wisst, dass euer Voting gezählt wurde.

So haben wir am Ende bis zu 5 Sieger. Einen Gesamtsieger wie gehabt, dazu bis zu 4 Kategorien-Sieger. Bei Punktgleichheit natürlich sogar entsprechend mehr in allen Fällen.

Die Autoren dürfen für ihre eigenen Geschichten stimmen, diesen jedoch keine Sonderpunkte geben , da nur eine Geschichte pro Kategorie bewertet werden darf und das sollte dann wirklich nicht die eigene sein.

Theoretisch könnt ihr also einer Geschichte auf einen Schlag einfach schnell 1+4 Punkte geben, wir bitten euch aber, allen Geschichten eine Chance zu geben und keine Geschichte aus Sympathie, weil sie euch spontan so gefällt, in allen Kategorien zu pushen.

Und natürlich ist Punkte erschummeln wie immer nicht erlaubt, also bitte keine Stimmbettel-PN, keine Freundschaftsstimmen, kein übermäßiges Eigenlob usw.




Erläuterung zu den Kategorien

Hier geht es einfach um euren Geschmack und somit auch eure eigene Definition der Kategorien, was die Details dieser Vorgaben angeht.

Für den einen ist eine Krimigeschichte spannend, für den anderen eine Liebesgeschichte. Auch worüber man lachen kann, ist Ansichtssache. Genau wie auch die Ansicht, welcher Autor am gefühlvollsten geschrieben hat und/oder die Gefühle seiner Protagonisten am besten transportiert, welche Geschichte einen einfach am meisten berührt, ebenfalls etwas ist, was jeder Leser für sich entscheidet Und welche Idee ihr am originellsten findet, ist ebenfalls Geschmackssache.

Alles in allem geht es hier also nicht um festgelegte Kriterien, nicht um Literaturwissenschaft oder eine Bewerbung für das literarische Quartett, sondern einfach um das, was die Geschichten bei den Lesern auslösen. Die Unterhaltung soll trotz neuem Voting beim Lesen soll im Vordergrund stehen.

Ihr fandet keine der Geschichten spannend? Kein Problem, ihr müsst natürlich nicht in allen Kategorien Punkte geben, ihr könnt beliebig viele auch auslassen oder sogar gar keine Sonderpunkte geben.

PN-Beispiel

Um zu verdeutlichen, wie das Voting gemeint ist, hier ein PN-Beispiel.



Meine Stimme geht an folgende Geschichten (beliebig viele Geschichten):

Ich habe dir nie einen Blumenkohl versprochen
Sheldons großer Bruder Sherlock
Kleine Hunde beißen gern
Snappys Reisen
Zwickende Zwicks
PS, ich pixel dich


Meine Sonderpunkte gehen an folgende Geschichten (je 1 Geschichte pro Kategorie):

Spannung - PS, ich pixel dich
Gefühl - Der Dolmetscher
Humor - /
Idee - Snappys Reisen






Abstimmungsende
17.06.2012 - 17 Uhr


Sendet uns eure Stimmen bitte per PN an "Kurzgeschichte" (http://ioff.de/private.php?do=newpm&u=66422)

Autoren und Links zu den Geschichten

Ein ganz großes Dankeschön geht an die Autoren, die Geschichten stammen von:


Eiskalt, emily, GöttlichesWesen, Herr Moser, Jelka, Justine, Kartoffelsalat, Lovely, MegaRyan, Quiz, Shambles, Urselchen, Walter
(alphabetische Reihenfolge, nicht übereinstimmend mit der Reihenfolge der Geschichten)


Achtung! Rezensionen und Kommentare zu den Geschichten im Thread sind erlaubt und gewünscht, lediglich in einem Fall bitten wir euch auf diese zu verzichten (die Geschichte ist entsprechend gekennzeichnet*). Wir bitten euch in diesem Fall um Zurückhaltung, Danke für euer Verständnis.

Das Rasseweib - Walter (http://www.ioff.de/showpost.php?p=36025881&postcount=2)
Das Treffen - Quiz (http://www.ioff.de/showpost.php?p=36025896&postcount=3)
Baby - Justine (http://www.ioff.de/showpost.php?p=36025908&postcount=4)
Franziska und die Wilderellas - Jelka (http://www.ioff.de/showpost.php?p=36025926&postcount=5)
Klassentreffen - Urselchen (http://www.ioff.de/showpost.php?p=36025942&postcount=6)
The Revenge - emily (http://www.ioff.de/showpost.php?p=36025962&postcount=7)
Sternschnuppe - MegaRyan (http://www.ioff.de/showpost.php?p=36025976&postcount=8)
Der Kochkurs - Shambles (http://www.ioff.de/showpost.php?p=36026018&postcount=9)
50 Tage - Kartoffelsalat (http://www.ioff.de/showpost.php?p=36026031&postcount=10)
Gronn und das glückliche Ende - Jelka (http://www.ioff.de/showpost.php?p=36026051&postcount=11)
Engelbert und die Sache mit den Frauen - Herr Moser (http://www.ioff.de/showpost.php?p=36026094&postcount=12)
Der Fremde - Herr Moser (http://www.ioff.de/showpost.php?p=36026111&postcount=13)
Ungeplant kommt oft - Eiskalt (http://www.ioff.de/showpost.php?p=36026137&postcount=14)
Die Mutter* - Justine (http://www.ioff.de/showpost.php?p=36026156&postcount=15)
Verflixte Spandrels - Lovely (http://www.ioff.de/showpost.php?p=36026169&postcount=16)
Finale - Quiz (http://www.ioff.de/showpost.php?p=36026182&postcount=17)
Der dreizehnte Apostel - Walter (http://www.ioff.de/showpost.php?p=36026201&postcount=18)
Prom Night - GöttlichesWesen (http://www.ioff.de/showpost.php?p=36026240&postcount=19)



Wir freuen uns auf eure Kommentare zu den Geschichten im Thread und eure Votings per PN.

Wir werden euch ab und zu ein wenig Popcorn-Material liefern, was die Abstimmung angeht. Welche Geschichte wie abgeschnitten hat, erfahrt ihr aber erst bei der Preisverleihung.

Viel Spaß beim Lesen :)


Zwischenstände


Ein erster Zwischenstand? (http://vimeo.com/43479333)
Ein erster Zwischenstand! (http://i50.tinypic.com/2l9l1sx.jpg)
Ein Zwischenspiel (https://vimeo.com/43712456)
Zur Halbzeit (http://i45.tinypic.com/22ff3s.jpg)
Und noch später (http://i48.tinypic.com/24os5.jpg)
Der letzte Zwischenstand (https://vimeo.com/44135934)






Die Yeti-Verleihung



Das Plakat (http://i48.tinypic.com/2h4fex2.jpg)
Miss Piggy live vom Roten Teppich (http://vimeo.com/44184539)
Die Eröffnung (http://vimeo.com/44175877)
Die Yetis für die Pixler (http://ioff.de/showpost.php?p=36151842&postcount=680)
Kategorie Idee (http://vimeo.com/44177855)
Der Yeti & die Punkte der Ideen-Kategorie (http://ioff.de/showpost.php?p=36152026&postcount=694)
Kategorie Spannung (http://vimeo.com/44178986)
Der Yeti & die Punkte der Spannungs-Kategorie (http://ioff.de/showpost.php?p=36152230&postcount=705)
Kategorie Gefühl (http://vimeo.com/44179669)
Der Yeti & die Punkte der Gefühls-Kategorie (http://ioff.de/showpost.php?p=36152399&postcount=715)
Kategorie Humor (http://vimeo.com/44180412)
Der Yeti & die Punkte der Humor-Kategorie (http://ioff.de/showpost.php?p=36152561&postcount=725)
Die beste Kurzgeschichte (http://vimeo.com/44182303)
Der Yeti für die beste Kurzgeschichte (http://ioff.de/showpost.php?p=36152716&postcount=743)
Die Übersicht der Gesamtpunkte und die Mini-Yetis (http://ioff.de/showpost.php?p=36152875&postcount=758)

Kurzgeschichte
03-06-2012, 20:10
Das Rasseweib

Dass Pfarrer Seidel schon am Vormittag einen ordentlichen Rausch in die Kirche trug, weckte die Sensationslust der Hochzeitsgäste weit weniger als die Tatsache, dass das Kleid der Braut kurz davor war, zu platzen.

Mit mühsam eingezogenem Bauch versuchte meine Schwester, würdevoll zum Altar zu schreiten. Beim Versuch blieb es, mochten die für Ines ungewohnten hohen Schuhe Schuld daran sein oder aber der ihr angeborene Hang zu einer gewissen Trampeligkeit. Den hatten sie ihr selbst in Wicherts Tanzschule nicht austreiben können.
Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass in mir als Bruder dieser außerordentlich üppigen und recht unbeholfenen Braut kein so natürliches Gefühl wie Mitleid aufkeimen wollte.
Im Gegenteil.
Ja, beinahe musste ich mir sogar das Lachen verkneifen, als ich sie so betrachtete.
Eine weiß gerüschte Presswurst walzte da an mir vorüber. Mit hochrotem Kopf, da sie es kaum wagte zu atmen.
Das Kleid war aber auch wirklich ein wenig eng geraten.
Einmal stolperte sie und konnte sich gerade noch auf der knochigen Schulter unserer Großtante Martha abstützen, sonst wäre sie wohl tatsächlich gestürzt. Die betagte Tante quittierte die überraschende Attacke mit einem hohen schrillen Schmerzensschrei, der überlaut in der Kirche widerhallte und Pfarrer Seidel dazu veranlasste, das Spiel des Organisten mit einer schnellen Geste zu stoppen.
Nun herrschte Totenstille, alle starrten die Braut an und die errötete noch heftiger.

In diese Stille hinein donnerte die Tür des Kirchenportals.
Die Anwesenden wandten die Köpfe und begafften neugierig den verspäteten Gast. Bei diesem handelte es sich um eine Frau. Eine schöne Frau. Die schwarzen Haare hatte sie streng zurückgekämmt, das violette Kostüm mochte ein wenig grell wirken, war aber ausgesprochen elegant. Wie hatte sich ein solches Rasseweib auf diese Dorfhochzeit verirren können? Und überhaupt, wer war sie? Niemand schien die Frau zu kennen, die neugierigen Blicke der Hochzeitsgäste sprachen Bände.
Ja wirklich, ein Rasseweib. Und zugleich eine Dame.
Sie überblickte rasch die Hochzeitsgesellschaft und schien sich nicht daran zu stören, so angestarrt zu werden. Sah, wie auf einer der hinteren Bänke gerutscht wurde, um Platz für sie zu schaffen, klackerte auf hohen Absätzen dorthin und nahm Platz.

Ines, die wie alle anderen die Fremde beobachtet hatte, drehte sich nun wieder um in Richtung Altar und ging weiter. Ihr gerade noch roter Kopf hatte jegliche Farbe verloren, kalkweiß war sie nun im Gesicht.
Ob das etwas mit der violetten Dame zu tun hatte? Vielleicht eine Ehemalige des Bräutigams? Aber nein. Wenn ich mir meinen zukünftigen Schwager so anschaute, schien mir das ein Ding der Unmöglichkeit zu sein. Wie sollte ein stiernackiger, behäbiger Mensch wie Johann an solch ein Prachtexemplar von Frau geraten? Johann war mehr für späte Mädchen wie meine Schwester gemacht.
Die war inzwischen an der Seite des sie erwartenden zukünftigen Gatten angekommen, hob den Kopf und sah ihm ins feiste Gesicht.
Eine glückliche Braut sah anders aus.


Während der Trauungszeremonie ließ ich meine Gedanken schweifen, beobachtete aus dem Augenwinkel die in meiner Nähe Sitzenden.
Mutter war alt geworden in den zehn Jahren, in denen ich nicht zu Hause gewesen war. In dieser kleinen Ewigkeit von zehn Jahren war mir beinahe entfallen, wie beengt und eingesperrt ich mich hier in Benningsdorf gefühlt hatte. Doch dieses Gefühl hatte sich fast zeitgleich mit dem Passieren der Ortsgrenze wieder eingestellt. Als ich mein Elternhaus betrat, fühlte ich mich klein, hilflos und furchtbar verlegen. Zu Erklärungen und Entschuldigungen genötigt. Von Selbstbewusstsein keine Spur mehr. So als ob ich mein jetziges Leben in meiner Münchner Wohnung gelassen hätte.
Ja, ich, Peter Wegenauer, 31 Jahre alt, ledig, erfolgreicher Geschäftsmann, ein Mann, auf den die Frauen nur so flogen, war hier in Benningsdorf plötzlich wieder der arme, kleine Peter. Der, den man stundenlang in der von der Sonne aufgeheizten Scheune einsperren durfte, weil er unkeusche Dinge getan hatte. Katholisch gesehen. Dem man, weil er dort nach drei Stunden vor Durst heulte, durch die Bretterwand höhnisch zurief, er könne ja das Wasser aus dem Pferdeeimer saufen. Der genau das in seiner Verzweiflung dann auch tat. Der, dem man ungestraft eine Tracht Prügel verpassen durfte, weil er einen Groschen aus der Geldbörse der Mutter geklaut hatte.

Was zum Teufel hatte ich hier eigentlich verloren? Ach ja, meine Schwester heiratete heute. Da gehörte es sich wohl, dass auch der große Bruder anwesend war.

Meine Schwester hatte ich früher gern gehabt, sie spielte wie ein Junge und flennte nicht gleich bei jedem Kratzer los. Aber als sie älter wurde, war sie geworden, wie alle anderen hier und unsere bis dahin enge Bindung zueinander war verloren gegangen. Während ich dieses unselige Kaff verlassen hatte, war Ines geblieben. Zehn Jahre hatte ich nichts von ihr gehört. Von ihr nicht und von keinem der Anderen. Für mich waren es die zehn besten Jahre meines Lebens gewesen.

Ob Ines schwanger war? Das würde auch die überstürzte Hochzeit erklären, erst vor zwei Monaten hatte ich die Einladung erhalten. Auch die für Ines ungewöhnliche Üppigkeit und das prall sitzende Brautkleid wiesen darauf hin.


Ich schrak hoch.
Offenbar hatten die Brautleute schon „Ja“ gesagt, das Orgelspiel setzte wieder ein und die Gäste erhoben sich. Ich tat es ihnen nach. Alle sangen. Alle außer mir. Da konnte mir Mutter noch so sehr mit dem Gesangsbuch unter der Nase herumwedeln.
Ob die Dame in Violett wohl mitsang?


Nachdem der offizielle Teil vorüber war, strömten die Gäste aus der Kirche, schüttelten dem frischgebackenen Ehepaar die Hände und standen dann wartend in kleinen Grüppchen vor dem Gotteshaus herum. Die Violette stand allein, ein wenig abseits und wirkte recht verloren. Das würde sich gleich ändern.

„Sind sie mit dem Bräutigam verwandt?“ sprach ich sie an und versuchte, ein möglichst gewinnendes Lächeln auf mein Gesicht zu zaubern.
„Nein, mit der Braut befreundet“, antwortete die Fremde nur knapp und würdigte mich dabei kaum eines Blickes. Wie schon zuvor starrte sie zum Brautpaar hinüber.
„Donnerwetter, ich wusste gar nicht, dass meine Schwester solche hinreißenden Freundinnen hat!“ Das war nicht gelogen.
Nun schaute sie mich doch an. „Oh! Sie sind Peter? Ines Bruder?“
Ich nickte und freute mich, dass zumindest diese Tatsache ein wenig Interesse bei ihr zu wecken schien.
Es folgte belangloses Geplauder, denn natürlich hatte Ines ihrer Freundin schon viel von mir erzählt und ebenso natürlich hoffte ich, dass es nur das Beste gewesen sei. Was es selbstverständlich war.
Dennoch gelang es mir nicht, die Unnahbarkeit dieser Frau zu durchdringen. Sie blieb höflich, aber kühl.
„Wie kommen Sie denn zum Gasthaus?“ wagte ich einen weiteren Vorstoß.
„Gar nicht. Ich bin nicht eingeladen.“
„Wie bitte? Sie sind nicht eingeladen? Dann sind Sie es jetzt! Ich bitte Sie, kommen Sie mit! Den einzigen interessanten Gast auf dieser Hochzeit darf ich doch nicht entkommen lassen! Oder wollen Sie mich einem mehr als grausamen Schicksal überlassen? Ich wäre den ganzen Tag den Angriffen heiratslustiger Dorfjungfern ausgesetzt. Ganz zu schweigen von deren Müttern.“
Sie schien unsicher. „Sie können mich doch nicht einfach so mitnehmen!“
„Und ob ich das kann! Auf meiner Einladung stand „mit Begleitung“. Was denken Sie, wie enttäuscht meine Mutter gestern Abend war, als ich unbeweibt hier auftauchte? Ich verstehe gar nicht, wieso Ines Sie nicht selbst eingeladen hat.“
Kurz überlegte sie. „Eigentlich geht mein Zug in einer Stunde.“
„Sie sind mit dem Zug hier? Nur, um sich die Trauung anzusehen? Wohin müssen Sie denn?“
„Nach Nürnberg.“
„Das liegt auf meinem Weg. Wenn Sie keine Einwände haben, fahre ich Sie nach der Feier nach Hause.“
Nun fing sie an, ihre Unterlippe zu benagen. Ein wenig Lippenstift blieb an ihren Zähnen haften. Dann nickte sie und ich bot ihr meinen Arm an, um sie zu meinem Wagen zu bringen.

Ihr Parfüm roch gut. Es passte zu ihr. Was für eine atemberaubende Frau! Heute Abend würde ich sie nach Hause bringen. Wonach sie wohl unter ihrem violetten Kleid roch?
„Wie heißen Sie eigentlich?“ fragte ich und drückte auf die Hupe wie alle im Konvoi. Wir folgten dem Brautwagen.
„Viola.“
„Ein schöner Name. Er passt zu ihrem Kostüm. Sehr schick übrigens, wenn ich das sagen darf.“
„Ein Geschenk Ihrer Schwester. Sie hat es für mich genäht.“
Ich war sprachlos. Ines konnte nähen? So nähen? Schneiderte ihrer Freundin mal eben ein elegantes Kostüm und heiratete selbst in einem geschmacklosen Rüschenalbtraum, der ihr fast vom Leib zu platzen drohte?
„Woher kennen Sie sich eigentlich?“ fragte ich nur.
„Wir haben gemeinsam eine Schneiderausbildung gemacht. Drei Jahre waren wir zusammen.“
„Ines ist gelernte Schneiderin? Das wusste ich gar nicht.“ Ein wenig schämte ich mich meiner Unkenntnis.
Viola kam nicht mehr dazu, darauf etwas zu entgegnen, denn wir waren am Gasthof angekommen.

Mutter war völlig aus dem Häuschen, als ich ihr Viola vorstellte.
„Sie wusste noch nicht, ob sie es schaffen würde, aber wie Du siehst…“
Im Glauben, es würde sich bei meiner Begleiterin um die lang erhoffte Schwiegertochter in spe handeln, fiel meine Mutter ihr um den Hals. Viola schaute mich peinlich berührt über Mutters Schulter hinweg an. Es kostete mich einige Mühe, sie wieder von meiner Mutter loszuseisen, welche neugierige Fragen stellte und sich nur schwer auf später vertrösten lassen wollte.

Es folgten die Dinge, die bei Hochzeiten üblich sind: Das Anschneiden der Torte, die übrigens furchtbar trocken geraten war und nur von außen gut aussah. Der Hochzeitswalzer, im Blickfeld auch hier das aus allen Nähten krachende Brautkleid. Ein übermäßig kalorienreiches Mahl, von dem Viola und ich die Hälfte zurückgehen ließen. Die Übrigen schmausten mit Genuss – wann gab es schon einmal etwas umsonst?

Ines mied mich und somit auch Viola. Kurz hatten sich die Frauen begrüßt, sich dabei kaum richtig in die Augen geschaut. Mit Verwunderung hatte ich das beobachtet, es jedoch nicht gewagt, Viola später darauf anzusprechen.
Immerhin war sie eine angenehme Gesprächspartnerin. Wir plauderten angeregt und meine Hoffnungen, diesen Tag in Nürnberg zu beschließen, wuchsen von Stunde zu Stunde. Am liebsten wäre ich sofort aufgebrochen.
Dann entschuldigte sich Viola und ließ auf sich warten. Auch von meiner Schwester war weit und breit nichts zu sehen. Aber die war wahrscheinlich Opfer der hier üblichen Brautentführung geworden. Kein Grund, sich Gedanken zu machen. Außerdem war es Zeit für die schon längst überfällige Verdauungszigarette. Vielleicht fand ich meine schwarzhaarige Begleiterin ja draußen wieder.


Es war noch hell. Ein paar Meter zu Fuß konnten jetzt nicht schaden, nicht nur, weil meine Hose von dem üppigen Mahl recht stramm saß.

Ich war schon ein ganzes Stück vom Gasthaus entfernt, als ich Frauenstimmen hörte, offenbar stritten sie. Eine der Frauen schien zu weinen. Neugierig sah ich mich um, ging noch ein paar Schritte, die Stimmen waren jetzt deutlicher zu vernehmen. Durch eine Hecke hindurch sah ich es weiß und lila schimmern. Na da schau her, Ines und Viola!
Einen Moment lang war ich versucht, einfach hinter dem Gebüsch stehenzubleiben und zu lauschen.
Aber ich tat es nicht.
Nein, ich quetschte mich mit meinem 800-Euro-Anzug durch die Büsche und stand dann vor den beiden Verdutzten, die schon durch die Raschelei in den Zweigen zum Schweigen gebracht worden waren. Den verschmierten Gesichtern nach zu urteilen, hatten alle beide geweint.

„Was macht IHR denn hier?“ fragte ich und kam mir ziemlich blöd vor. Wie ein Eindringling, der hier nichts zu suchen hatte. Zu Dritt schwiegen wir uns nun an, die Frauen tauschten einen Blick, dann nickte Viola, Ines löste sich von ihr und ging auf mich zu. Atmete tief durch und sagte:„Peter, gut, dass Du uns gefunden hast. Ich brauche Deine Hilfe. Ich muss hier weg!“

„Weg? Was meinst Du damit? Weg von diesem Acker oder weg aus Benningsdorf?“
„Weg aus Benningsdorf. Weg von dieser Hochzeit. Jetzt sofort.“
„Und weshalb?“
„Weil ich diese verdammte Hochzeit nicht wollte.“

Tausend Gedanken schossen mir durch den Kopf. Meine kleine Schwester wollte also abhauen und das auch noch an ihrem Hochzeitstag. Wenn ich es mir so recht überlegte, war diese Entwicklung der Dinge ganz nach meinem Geschmack. Unser Vater würde platzen vor Wut. Mutter würde sich die Augen ausheulen, aber der Gedanke daran ließ kein wirkliches Mitgefühl in mir aufkommen. In der Hauptsache ging es ihr doch nur darum, was wohl die Leute denken würden. Die Verwandtschaft und die Leute aus dem Dorf würden sich das Maul zerreißen. Sollten sie.

Ich musste lachen.

„Du hilfst mir also?“ wertete Ines mein Lachen in ihrem Sinne.
Ich nickte. „Hm. Wenn es so dringend ist. Wo willst Du denn überhaupt hin?“
Ines strahlte. „Nach Nürnberg. Zu Viola. Sie ist meine Freundin.“
„Ich weiß. Das hat sie mir schon erzählt.“ Den leichten Anflug von Enttäuschung versuchte ich zu überspielen. Die heiße Nacht mit Viola konnte ich nun wohl vergessen.
Jetzt mischte sich Viola ein. „Alles habe ich Ihnen nicht erzählt. Ines und ich… wir sind ein Paar. Schon seit über zwei Jahren.“ Sie und Ines fassten sich an den Händen.
Meine Gesichtszüge entgleisten nun doch ein wenig.

Was für ein Tag! Meine Schwester hatte geheiratet, wollte nun davon nichts mehr wissen, hatte vor, unterzutauchen, entpuppte sich als Lesbe und schnappte mir zu allem Übel auch noch dieses Prachtweib vor der Nase weg. Na ja, Letzteres war nicht ganz richtig, das musste ich wohl oder übel zugeben.

„Aber warum hast Du dann überhaupt geheiratet?“ wollte ich wissen.
Ines seufzte. „Aus Angst. Und aus Dummheit. Immerhin war ich blöd genug, vor vier Monaten hierher zu fahren und unseren Eltern von Viola zu erzählen. Ich dachte, nun wäre ich erwachsen und so lange weg gewesen, dass sie es akzeptieren würden. Aber Du kennst sie ja. Inzwischen weiß ich selbst, dass sich das alles hier nie ändern wird. Sie glaubten, wenn sie mich in Benningsdorf verheiraten, werde ich wieder normal. Was sie eben darunter verstehen. Sie haben mich hier nicht mehr weggelassen, nicht mal zum Einkaufen durfte ich noch alleine gehen.“

Sie hatten sie also regelrecht eingesperrt. Und ganz der Familientradition folgend hatte unser Vater Ines noch am Abend ihrer Anreise und nach der Eröffnung, dass sie eine Frau liebte, auf seine Art gemaßregelt.
Am nächsten Tag brachte Mutter sie zum Arzt. Der begutachtete kopfschüttelnd ihr blutunterlaufenes, angeschwollenes Auge und verordnete einen Pressverband und viel Ruhe für ihre zwei gebrochenen Rippen. Die Polizei rief er nicht, man kannte sich ja.
Dann wurde Ines ein Brief an Viola diktiert „Es hat keinen Sinn mehr mit uns, ich bleibe hier. Ich habe mich in einem Mann verliebt.“ Und so weiter.
Viola war stutzig geworden, war zudem völlig verzweifelt und hatte versucht, Ines anzurufen.
Die wurde auch ans Telefon geholt, beim Gespräch aber bewacht, so dass sie nicht wagte, offene Worte zu sprechen. So erfuhr Viola zumindest von dem angesetzten Hochzeitstermin und beschloss, sich am Tag der Trauung davon zu überzeugen, dass Ines wirklich nichts mehr von ihr wissen wollte.

Während Ines erzählte, waren ihr noch immer die Panik und der Druck anzumerken, unter welchen sie in den letzten vier Monaten gelebt hatte.
„Alles musste schnell gehen. Weil ich hoffte, dass Johann mich vielleicht nicht mehr will, habe ich in den letzten Monaten gefressen bis zum Umfallen. Ja wirklich, gefressen! Was denkst Du, weshalb das Brautkleid so eng ist? Als Mutter es für mich ausgesucht hat, war es zwei Nummern zu groß.“ Ines sah an sich herab. „Kannst Du Dir meinen Schrecken vorstellen, als ich herausfand, dass Johann es ganz toll fand, dass ich so zugelegt hatte?“ Sie lachte ein wenig verzweifelt.

Ach ja, Johann! Den hatte ich bei all diesen Eröffnungen ganz vergessen. Eigentlich war er der Einzige von der ganzen Sippe, der mir ein wenig leid tat. Es fühlte sich sicherlich nicht gerade gut an, direkt am Hochzeitstag sitzengelassen zu werden.
Also fragte ich: „ Und Dein Mann? Was willst Du dem denn sagen?“
„Ich werde ihm schreiben. Dass ich mich scheiden lasse. Wenn ich ihm das heute noch sagen würde, könntest Du gleich vorsorglich den Notarzt bestellen. Getrunken hat er schon genug, als dass er mich davonkommen ließe. Und dann noch Vater dazu… Nein, Peter. Es gibt keine andere Lösung, als schnellstmöglich und ohne Aufsehen von hier zu verschwinden. Ich wünschte, ich hätte diese Möglichkeit schon früher gehabt.“

Ich legte ihr meinen Arm um die Schulter und sagte: „Tut mir leid, dass ich irgendwann aufgehört habe, auf Dich aufzupassen.“ Es war nicht das erste Mal an diesem Tag, dass ich mich schämte.
„Nun bist Du ja da“, lächelte Ines zu mir herauf.
„Und ich bin auch da“, bemerkte Viola, die zu uns getreten war und ihrer Freundin den Arm um die Hüfte legte.
Vereint in dieser halben Umarmung standen wir da, Ines geschützt in unserer Mitte.

Vom Gasthof drang Musik zu uns herüber, die Kapelle hatte ihre Pause beendet und spielte „Rosamunde“. Auch das noch. Wie froh war ich, hier draußen zu sein.
Auch Ines reagierte auf das Wiedereinsetzen der Musik. „Lange kann es nicht mehr dauern, bis es auffällt, dass ich nicht mehr da bin. Ich denke, wir sollten schauen, dass wir von hier fortkommen.“

Inzwischen war die Dämmerung hereingebrochen, ich holte, ohne dass es jemand bemerkte, meinen Wagen und ließ die zwei Frauen auf halber Wegstrecke einsteigen. Dann fuhren wir zum Haus unserer Eltern. Fühlten uns wie Einbrecher, als wir die Treppe nach oben schlichen. Warum waren wir eigentlich so leise? Es waren doch ohnehin alle auf der Hochzeit. Aber die Situation erforderte das wohl.
In ihrem Mädchenzimmer zog Ines das Brautkleid aus, riss es sich beinahe vom Körper und warf es dann einfach aufs Bett. Zog sich bequemere Sachen an, holte einen Koffer, in welchem sie hastig Kleidung verstaute. Das alles dauerte nicht lange.

Als wir das Haus verließen, sah sich keiner von uns noch einmal um.


Im Rückspiegel schaute ich ab und zu meine Schwester an und fand, besser als jetzt habe sie den ganzen Tag noch nicht ausgesehen. Ihre Augen strahlten, ihre Wangen waren rosig, soweit ich das im Dunkeln überhaupt erkennen konnte und vor Allem – sie lachte! Lachte aus vollem Herzen. Ebenso wie ihre Freundin Viola, die nichts mehr von der unterkühlten Lady hatte, als die ich sie den Tag über kennen gelernt hatte.
Dieses Lachen war ansteckend und je weiter wir uns von Benningsdorf entfernten, desto ausgelassener wurden wir alle drei.

Kurz vor Nürnberg fingen wir an zu singen. Keiner von uns verfügte über eine Singstimme, so dass unser dreistimmiger Chor ziemlich schräg klang. Aber was machte das schon?

Kurzgeschichte
03-06-2012, 20:11
Das Treffen

Die heißen Dampfschwaden der Dusche waberten durch den Raum und legten einen undurchsichtigen Film auf den großen Badezimmerspiegel. Marie stellte das Wasser ab und strich sich die Feuchtigkeit aus dem Gesicht und den Haaren. Sie griff nach einem flauschig-weichen Handtuch und trocknete sich sorgfältig ab. Dann trat sie vor den Spiegel und wischte ihn frei. Sie sah eine Enddreißigerin mit halblangen, dunkelblonden Haaren, die ein hübsches Gesicht mit graublauen Augen und sinnlichen Lippen einrahmten. Gut, die Nase könnte vielleicht einen Hauch schmaler sein, aber insgesamt war das Schicksal gut zu ihr gewesen.
Während sie ein Handtuch um ihre Haare wand, begutachtete Marie kritisch den Rest ihres Körpers. Der Busen bekam noch die besten Noten, obwohl sie ein paar Abzüge machen musste, als sie die Arme wieder sinken ließ. Er war voll, aber nicht zu groß und gab sich redliche Mühe, der Schwerkraft standzuhalten. Ihren Bauch mochte sie überhaupt nicht. Er wirkte irgendwie teigig, so als ob er nur von der Haut gehindert würde, einfach davonzufließen. Ihre Hüften waren kurvig, aber nicht ausladend, damit konnte man leben. Regelmäßiges Training sorgte dafür, dass ihre Beine einigermaßen straff wirkten, auch wenn die Rückseite der Oberschenkel ein paar Dellen aufwies. Sie drehte sich und versuchte sich vorzustellen, wie ein Mann sie sehen würde. Nicht ihr Mann – dessen Interesse hatte in 15 Ehejahren kontinuierlich nachgelassen und sie war nicht undankbar dafür. Nein, ein fremder Mann. Würde er sie anziehend finden, vielleicht sogar sexy? Ihr Po war mehr Apfel als Birne und machte in einer engen Jeans durchaus einen knackigen Eindruck. Aber so nackt? Na ja. Früher hatte ihr Göttergatte ihn immer anfassen müssen, sobald er sie nackt sah. Heute kam sie sich vor wie ein langjähriges Möbelstück. Man benutzte die Schubladen, aber man nahm es nicht wahr.
Seufzend drehte sie sich wieder zurück und zuckte mit den Schultern. Fifty-fifty. So schätzte sie die Chancen ein, dass ein fremder Mann – also einer, der ihr auch gefallen würde – sie begehren könnte. Sie griff nach ihrem Make-up. Wenigstens Mühe wollte sie sich geben.

Ralf betrat den Waschraum seiner Praxis und pfiff unbewusst eine Melodie, die er am Morgen im Radio gehört hatte. Heute war der Tag. Der Tag! Er würde sie endlich treffen. Wie hatte er sich nach diesem Augenblick gesehnt. Seit Wochen chattete er mit dieser Frau, fand sie nur noch heiß und wollte endlich Wirklichkeit werden lassen, was sie virtuell schon zur Genüge ausprobiert hatten. Allein der Gedanke an die kommende Nacht ließ sein Blut schneller fließen. „Ruhig, Brauner!“, zwinkerte er seiner Körpermitte im Spiegel zu und zog probehalber den Bauch ein wenig ein. Irgendwie hatten sich in den letzten Jahren ein paar zusätzliche Pfunde um sein Sixpack gelegt. Gut, vielleicht auch ein paar Kilo. Okay, ein Sixpack hatte er nie gehabt. Aber er sah für seine 42 Jahre immer noch verdammt gut aus. Fand er.

Marie hatte die Klippen „Make-up“ und „Frisur“ schließlich gemeistert. Nicht so ganz zu ihrer Zufriedenheit, aber besser bekam sie es nicht hin. Aber das Unterwäscheproblem stürzte sie in ein Meer der Verzweiflung. Sie war kurz davor, in Tränen auszubrechen, biss sich aber auf die Zunge. Ein ruiniertes Make-up war das Letzte, was ihr jetzt weiterhelfen würde. Noch mal von vorn. Aufregend sollte es sein, aber nicht billig. Sexy: ja, nuttig: nein.
Und die Farbe? Meine Güte, die Zeit verrann ihr wie Wasser zwischen den Fingern. Weiß war zu unschuldig. Rot – nein Rot ging gar nicht. Ihr Mann hatte ihr einige Teile in Rot geschenkt. Sie kam sich immer wie eine Professionelle darin vor. Was ihn wahrscheinlich angemacht hatte. Pastell gefiel ja den meisten Männern nicht. Blieb also Schwarz. Einteiler oder Set? String oder...verdammt, reiß dich doch zusammen, Mädchen, schrie Marie sich innerlich an. Wollte sie überhaupt mit dem Kerl ins Bett gehen? Wollte sie...FREMDGEHEN? Ihre inneren Kontrollsysteme schlugen Alarm bei dem Gedanken. Genau darum ging es. Sie brezelte sich auf, um sich mit einem fremden Mann zu treffen. Einem, der ganz sicher damit rechnete, sie noch in dieser Nacht zu erobern. Einen, der sie mit jeder Faser seines Körpers begehrte. Einen, der die Luft zwischen ihnen nur mit einem Blick zum Brennen bringen konnte. Sie spürte eine Hitze zwischen ihren Beinen, die sie so schon lange nicht mehr empfunden hatte. Als sie unbewusst die Hand auf ihren Schoß presste, fasste sie einen spontanen Entschluss. Bevor sie es sich anders überlegen konnte, hatte sie ihren Rasierer geschnappt und begann ihr Schamhaar zu entfernen. Glaubte sie ihrem Mann, dann machten das jetzt alle so. Sie fand es eigentlich ein bisschen..., na ja, seltsam. Frauen, die wie Kinder aussehen...egal, nun konnte sie nicht mehr zurück. Oder es würde sehr, sehr eigenartig aussehen. Jetzt musste sie sich auf die Lippen beißen um nicht zu kichern.

Ralf zwinkerte sich noch einmal zu und ignorierte dabei die Falten auf der Stirn, die Tränensäcke unter den Augen und den etwas defensiven Haaransatz. Er hatte Charme, Erfolg und ein absolut vielversprechendes Date in Aussicht, da gab es keinen Platz für Zweifel. Heute Nacht würde er sich um den Verstand vögeln, so war der Plan. Aus einer Tüte zog er ein frisches Hemd und ließ etwas Wasser ins Waschbecken. Schnell ein wenig frisch machen, rasieren konnte ausfallen; der neue Dreitagebart verlieh ihm ein jugendlich-verwegenes Aussahen, stellte er fest.

Das Oberteil saß wie eine zweite Haut und versprach mehr als es offenbarte. Marie räumte die vier Hosen wieder in den Schrank, die den Wettkampf gegen den Rock verloren hatten. Probehalber machte sie einige Schritte auf den hochhackigen Schuhen. War das nicht zu viel? Sie wollte um Himmels Willen keinen falschen Eindruck erwecken. Wenn sie schon die Sicherheit und Vertrautheit des langweiligen, aber berechenbaren Ehelebens riskierte, dann für einen Prinzen, der sie auf sein Schloss holte und nicht für einen Fernfahrer, der seine Ruhezeit irgendwie rumkriegen musste. Sie war keine Frau für eine Nacht – sie träumte von einem ganzen Leben. Sollte sie vielleicht doch lieber absagen? Für alle Eventualitäten hatten sie Handynummern ausgetauscht. Und sie hatte sogar daran gedacht, sich ein billiges Prepaid-Handy zu besorgen, damit ihre außerehelichen Aktivitäten nun auch wirklich geheim blieben. Machte sie nicht schon allein das zur Ehebrecherin? Energisch schob sie diese Gedanken beiseite. Auch sie hatte ein Recht auf Glück. Endlich wieder einmal begehrt werden, sich ganz als Frau fühlen. Nein, sie würde jetzt die Wohnung verlassen, in die Straßenbahn steigen und zu diesem Lokal fahren. Ein prickelndes Essen im Kerzenschein war gefahrlos und alles andere würde sie später entscheiden. Obwohl – tief in ihrem Inneren wusste sie, dass sie die Nacht mit „Volcano“ verbringen wollte.

Noch ein Spritzer Rasierwasser, noch einmal die Haare über die Geheimratsecken zupfen, dann konnte es losgehen. Übermütig tänzelte Ralf aus der Tür, löschte die Lichter und verließ die Praxis. Mit etwas Mühe zwängte er sich in den niedrigen Zweisitzer und startete den Motor. Laut röhrend schoss der Wagen die Straße entlang. Was für ein geiles Gefühl! Er hatte extra diesen Flitzer gemietet um „Hotmary“ ein bisschen zu beeindrucken. Der Geruch nach Leder schien in seinem Körper Testosteron freizusetzen, anders konnte er sich die Enge im Schritt nicht erklären.

Sie kaute ein wenig auf dem Stift herum und las den Zettel, den sie auf den Küchentisch gelegt hatte, ein letztes Mal. Ja, das war plausibel. Ihre Freundin Gabi sei krank und brauche ihre Hilfe. Schließlich war sie allein erziehend mit einem kleinen Kind. Das Essen stand fertig zum Aufwärmen bereit. Alles war perfekt geplant. Ihre Nacht konnte kommen. Marie machte sich endlich auf den Weg. Die Aufregung rötete ihre Wangen und beschleunigte ihren Puls. Obwohl sie sich ständig sagte, dass diese Maßnahme albern wäre, schaute sie sich alle 10 Schritte um. Wenn ihr Mann nun ausgerechnet heute früher nach Hause käme und sie so sähe...unvorstellbar. Sogar einem Kerl würde auffallen, dass sie nicht für einen Krankenbesuch gekleidet war. Kurz bevor sie an die Straßenecke kam, blickte Marie ein weiteres Mal über ihre Schulter und hielt Ausschau nach dem blauen Kombi. War er das da hinten...?
„Hallo, Marie!“
Die männliche Stimme entlockte ihr ein kleines Quietschen. Aber sie fing sich überraschend schnell. „Hallo, Bernd! Mensch, hast du mich erschreckt.“ Der Mann grinste sie frech an. „Man sollte beim Gehen ja auch nach vorn schauen! Wo willst du denn hin?“ Sie stockte für eine Millisekunde.“Oh, ich besuche meine Freundin Gabi. Sie ist krank.“ „Na dann – ich will dich nicht aufhalten.“ Bernd hob grüßend die Hand und setzte seinen Weg fort. Marie stieß die Luft aus ihren Lungen. Tagelang sah sie ihren Nachbarn nicht, aber ausgerechnet heute musste sie ihm begegnen! Langsam begann ihr Adrenalinspiegel wieder zu sinken.

Ein letztes Grollen aus dem dicken Sportauspuff, dann erstarb der Motor mit einem erotischen Röcheln. Ralf warf einen Blick in den Innenspiegel und knöpfte einen weiteren Hemdenknopf auf. Der Besuch im Sonnenstudio in Verbindung mit dem weißen Hemd verlieh ihm eine besondere Note, befand er. So einen Hauch Gunter Sachs. Er grinste sich an und verließ unter etlichen Verrenkungen den flachen Zweisitzer. Das hätte er ja gern sportlich-eleganter hinbekommen, aber er wollte in diesem Moment keinen Hexenschuss riskieren. Außerdem sah sowieso niemand zu, obwohl er einen Parkplatz direkt vor dem Restaurant ergattert hatte. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass er zu früh war. Nun, besser jetzt zu früh als später, dachte er bei sich und grinste über seinen anzüglichen Gedanken. Er würde seinen Platz sorgfältig wählen und bei einem kühlen Drink auf „Hotmary“ warten.

„Was machst Du denn hier, Marie?“ Die Angesprochene wirbelte erschreckt herum. Wieder hatte sie ihre Augen eigentlich permanent nach hinten gerichtet um sicher zu gehen, dass nicht in letzter Sekunde der Wagen ihres Mannes auftauchte und ihr ganzer schöner Plan ins Wanken geriet. Bei der plötzlichen Drehung geriet das Bändchen ihres Strings, für den sie sich schließlich doch entschieden hatte, irgendwie auf Abwege und sie musste sich beherrschen, nicht mit der Hand ordnend einzugreifen. „Ich...äh...ich bin auf dem Weg in die Stadt“ antwortete sie lahm und fand es mit einem Mal ausgesprochen schwierig, auf ihren Highheels zu balancieren. Sie spürte, wie ihr Gegenüber sie blitzartig von Kopf bis Fuß musterte und jede Einzelheit ihres Outfits registrierte. Männer konnte man oftmals täuschen, Frauen eigentlich nie. Und Freundinnen schon gar nicht. „Sorry, Gabi, ich bin schon spät dran. Grüß den Kleinen von mir, ja?“ Sie hastete weiter und spürte die fragenden Blicke in ihrem Rücken eben so deutlich wie diesen verdammten String, der sie zunehmend wahnsinnig machte.

Zufrieden nippte er an seinem eisgekühlten Campari-Lemon. Der Platz war ideal, leicht versteckt hinter einer Säule und der halbhoher Balustrade und trotzdem mit Blick zur Tür. Würde er sie gleich erkennen? Er war da sehr zuversichtlich. Ein Blick zur Uhr – sie musste jeden Moment kommen. Ralf rechnete keine Sekunde damit, dass sie es sich anders überlegt haben konnte. Und sie würde ziemlich genau drei Minuten nach dem verabredeten Zeitpunkt erscheinen. Er kannte doch die Frauen!
Da, die Tür schwang auf. Aber er konnte die Person nicht genau erkennen, denn sie blickte über die Schulter nach hinten, bevor sie sich umdrehte und in das schummrige Lokal spähte. Volltreffer! Das hübsche Gesicht, enges Top, kurzer Rock, hohe Schuhe – wow! - das war seine „Hotmary“! Und so, wie sie aussah, konnte er es kaum noch erwarten, das Restaurant wieder zu verlassen. Er stand auf, fing ihren Blick ein und lächelte selbstsicher.

Marie warf einen letzten prüfenden Blick nach rechts und links, dann betrat sie das Lokal. Ihre Augen mussten sich erst an das plötzliche Halbdunkel gewöhnen. Sie schaute sich um und dann entdeckte sie ihn. Gerade gegenüber der Tür, leicht versteckt in einer Art Separee. Okay, jetzt musste sie eine Entscheidung treffen. Wenn sie auch nur einen Schritt in den Raum machte, war der weitere Verlauf des Abends vorbestimmt, das spürte sie ganz deutlich. Dort drüben erhob sich „Volcano“. Er sah gut aus, männlich und ein winziges bisschen halbseiden. Ein Mann der sich nahm, was er wollte. War es das, was sie wollte? Entschlossen drückte sie das Kreuz durch und spürte, wie sich ihre Brüste am Stoff des Büstenhalters rieben. Jetzt würden sich sicher ihre Brustwarzen abzeichnen. Ja, sie wollte es so. Und sie war froh, dass sie auf der Toilette eines Schnellrestaurants den widerborstigen String ausgezogen und in ihrer Handtasche verstaut hatte. Jetzt spürte sie jeden Luftzug, jede Bewegung und fühlte sich ein klein wenig verrucht und sehr, sehr sexy.
Dann machte sie den ersten Schritt.

Eng umschlungen und kichernd betrat das Paar das Treppenhaus. Er flüsterte ihr etwas ins Ohr, während seine Hand begierig ihre Pobacke knetete. Sie wand sich ein wenig und prompt verschwanden seine Finger unter ihrem Rock. Zuerst bemerkte er ihren schelmischen Blick und dann ertastete er den Grund dafür. Scharf sog er die Luft zwischen den Zähnen hindurch, während sie seine Finger einklemmte und einen leidenschaftlichen Kuss auf seinen Hals drückte. Mit Mühe gelang es ihm, den Schlüssel ins Schloss zu stecken und hastig schloss er auf. Einmal, zweimal, Grundgütiger, war das hier die Bank von England? Endlich war die letzte Umdrehung geschafft. Marie drehte sich noch einmal um und warf einen prüfenden Blick in das Treppenhaus, bevor sie Ralf folgte, der eilig den Flur in Richtung Schlafzimmer durchquerte und dabei schon sein Hemd aufknöpfte. Sie nahm Anlauf und sprang auf seinen Rücken, kurz bevor er das Bett erreichte. Gemeinsam plumpsten sie auf das Lager und versanken in einem fiebrigen Traum.

Am nächsten Morgen schlurfte Ralf in die Küche, kochte Kaffee und stellte ein kleines Tablett mit Frühstück zusammen. Bevor er es ins Schlafzimmer tragen konnte, wo Marie noch schlummerte, registrierte er den kleinen Zettel auf dem Küchentisch.
„Bin bei Gabi. Sie ist krank, ich helf' ihr mit dem Kleinen. Kuss – Marie“
Er schmunzelte. Dieses wunderbares Auge für kleinste Details – einer der vielen Gründe, warum er seine Frau so liebte.

Kurzgeschichte
03-06-2012, 20:12
Baby

Das Licht stach mir in die Augen. Es hatte mich aus tiefem Schlaf gerissen. Hinter dem Lichtkegel war nur schemenhaft eine Gestalt zu erkennen.
„Was, wie – wer sind Sie?“
Eine dunkle Stimme, ein schwerer Akzent.:
„Ich tu dir nichts, wenn du ruhig bist.“

Baby, wo war mein Baby? Das kleine Kissen neben meinem Kopfkissen war leer. Nun fuhr ich doch hoch.
„Bleib liegen. Ich muss dich fesseln. Ich will in Ruhe die Wohnung durchsuchen.“
Baby hasste Männer. Fürchtete sie. Verkroch sich, sobald er nur ihre schweren Schritte hörte. Auch mein Freund, der am Wochenende hier übernachtete, hatte diese Abneigung nicht überwinden können. Aber er nahm es Baby nicht übel.
„Der Kater muss Schlimmes erlebt haben“ sagte er verständnisvoll, „mit der Zeit wird sich das schon legen.“
Aber es hatte sich in den drei Jahren, seit ich Baby verletzt am Straßenrand gefunden hatte, nicht gelegt. Wahrscheinlich war es ein Mann gewesen, der ihn aus dem Auto geworfen hatte. Nur mich liebte der kleine Schwarze ganz und gar, schlief jede Nacht in meinem Bett und wärmte mich.

Der Einbrecher drückte mich in die Kissen zurück.
„Hände zusammen!“ Grob wickelte er eine dicke Schnur um die Handgelenke. Sie schnitt ein, ich unterdrückte ein Stöhnen.
„So. nun unten.“
Er schlug die Decke zurück und betrachtete meine Beine, die nackt unter dem kurzen Hemd hervorlugten. Mich überlief es. Er würde doch nicht ...
Ich konnte seine Gestalt jetzt deutlicher erkennen, weil er die Taschenlampe nicht mehr direkt auf mein Gesicht gerichtet hatte. Klein, stämmig, Jeans, schwarze Bomberjacke, der Kopf kahl rasiert, ein Typ wie viele.
Er schwieg immer noch, grunzte leise.
Dann schlug er meine Beine übereinander, beugte sich tiefer und wickelte eine andere Schnur um die Fußgelenke.
„Mal sehen, wenn ich fertig bin mit dem Einpacken ...“
Mich überlief es.
„Nehmen Sie, was Sie wollen, aber lassen Sie mich in Ruhe.“

Und Baby! Hatte ich fast gesagt, aber verschluckte das gerade noch. Der Zusatz: Wenn Sie was finden, teilen wir!, den ich so oft im Scherz geäußert hatte, wenn wir im Freundeskreis über mögliche Einbrüche sprachen – es wurde viel eingebrochen in unserem Stadtteil, kleine Häuschen, Balkone, dichte Gärten verlockten wohl dazu und unsere Stadt hatte eine hohe Kriminalitätsrate – also diese Scherze kamen mir in der aktuellen Situation nicht über die Lippen.
Er zupfte an meinem Hemd, räusperte sich und richtete sich auf.
„Also Ruhe, verstanden?“
Ich nickte, was er im Licht der Taschenlampe, die nun wieder auf mein Gesicht gerichtet war, bemerken musste. Dann verließ er mein Schlafzimmer und ließ die Tür weit offen.

Nebenan im Wohnzimmer flammte das Licht auf, er musste mit einem Blick Notebook, Receiver undsoweiter sehen. Sollte er halt alles nehmen,
„Baby“, flüsterte ich, „wo bist du?“
Der Kater war nicht zu hören und nicht zu sehen. Ich fühlte mich unendlich allein.
Der Einbrecher räumte und kramte und ließ auch etwas krachend fallen, ich lag apathisch im Bett und starrte an die Decke. Endlich kam er zurück und stellte einen großen Rucksack auf den Boden.

Wieder beugte er sich über mich. Wollte er mich endlich losbinden? Oder ...
Als er meine Beine berührte, zuckte ein schwarzer Blitz durchs Zimmer und der Mann schrie auf. An seinem rechten Arm, kurz unterhalb des Ellenbogens, hing mein Baby, hatte sich festgebissen und stemmte alle krallenbewehrten Beine gegen den Körper des Mannes. Der taumelte, schrie, versuchte das Tier abzuschütteln, aber Baby hielt fest.
Ich hatte mich aus dem Bett gerollt, die Tür von außen verschlossen und griff mit den gefesselten Händen nach meinem Handy auf dem Schreibtisch. Die Notrufnummer war schnell gedrückt, meine Worte stammelnd, aber wohl verständlich. Minuten später waren sie da und stürmten mit vorgehaltener Waffe in mein Schlafzimmer.

Der Einbrecher lag heulend auf dem Fußboden.
Von Baby war nichts mehr zu sehen. Aber bald, das wusste ich, würde er wieder schnurrend in meinem Arm liegen.

Kurzgeschichte
03-06-2012, 20:13
Franziska und die Wilderellas

Franziska riss die Tür der Duschkabine auf und griff nach dem Handtuch. Nur noch eine Stunde! Das war kaum zu schaffen, der Weg dauerte ja schon eine gute halbe Stunde. Sie rubbelte ihre Haare trocken. Vielleicht war es ganz gut so. Er könnte sich später beschweren, sie sei nicht gekommen, und sie könnte bemängeln, er hätte nicht mal ein paar Minuten gewartet. Gemessen an dem, wie schrecklich so eine Verabredung werden konnte, war das doch eine annehmbare Möglichkeit. Verzweifelt suchte Franziska ihr pfirsichfarbenes Haarband. Er kannte sie bisher nur als „Pfirsich“ und sie wollte nicht nur durch ihre Figur damit in Verbindung gebracht werden.

Vier kleine Augenpaare beobachteten Franziska von der Fensterbank aus. Fichte schüttelte den Kopf. „Oh weia, das wird doch nix“, seufzte sie.
„Doch!“, beharrte Schatzilein. „Ich habe das hässliche Haarband schon hinter dem Sofakissen versteckt. Wenn sie das nicht nimmt, sieht sie gut aus und er verliebt sich in sie.“
Donk rollte mit den Augen. „Es ist für dich ein glückliches Ende, wenn er sich in sie verliebt, weil sie ein bestimmtes Haarband nicht trägt?“, fragte sie.
„Ja!“, Schatzilein starrte Donk böse an. „Er fände sie doch auch sonst liebenswert, wäre aber durch das Haarband zu abgelenkt, um es zu bemerken.“
Fiesel blickte versonnen lächelnd ins Nichts. „Ich bin auch gegen das Haarband“, erklärte sie. „Köpfe rollen ohne einfach viel besser.“
Fichte schüttelte sich, um das Bild loszuwerden. „Wenn sie nicht bald losgeht, wird gar nichts rollen, weil die beiden sich verpassen. Wir müssen ihr helfen“, bemerkte sie.
Die kleinen Wilderellas wurden zu rasenden Schemen, als sie Dinge aus dem Weg räumten, andere bereit legten und alles für das Verlassen der Wohnung vorbereiteten.

Franziska schaffte es wie durch ein Wunder, die Wohnung halbwegs zeitgerecht zu verlassen. Sie hetzte zur Bahn und hatte auch da Glück: Die Türen, die sich schon wieder schlossen, öffneten sich erneut. Die Bahn war nicht sehr voll, Franziska setzte sich und versuchte sich zu sammeln. Jetzt war es also soweit. Gleich würde sie „Dschinges“ treffen. Wollte sie das überhaupt? Wäre es nicht viel schöner, sich den Zauber für immer zu erhalten? Und sich für immer zu verstecken, damit der andere auch verzaubert bliebe? Alles könnte so wundervoll sein. Wieso wollte sie sich diese schöne virtuelle Welt mit der Realität zerstören? Nun, es war zu spät. Jetzt konnte sie ihm nicht mehr absagen. So schlimm würde der Abend schon nicht werden.

„Die bekommt alleine ja gar nichts hin“, sagte Donk und schnaufte genervt.
„Ist doch nicht schlimm, wir helfen ja“, verkündete Schatzilein strahlend.
„Bestimmt kommt sie zu spät und dann bringt der Barbar alle Leute in der Kneipe mit seiner Axt um“, sagte Fiesel mit leuchtenden Augen.
„War Dschinges nicht eher ein Mongole?“, fragte Fichte.
Donk sah aus wie jemand, der es sehr schwer im Leben hat.

Franziska fühlte sich beobachtet. Sie sah sich in der Bahn um, doch niemand schaute zu ihr. Das merkwürdige Gefühl blieb. Sie stieg aus und ging mit einer Mischung aus zögerlichen und zügigen Schritten zum vereinbarten Treffpunkt. Obwohl Dschinges weder wie ein Mongole noch wie ein Barbar aussah, erkannte sie ihn sofort. Er stand vor der Kneipe, trat von einem Bein aufs andere und schaute sich unsicher um. Sein Blick blieb an ihr haften und sie winkte zaghaft. Wie begrüßte man jemanden, den man noch nie gesehen hatte, der aber fast alles über einen wusste? Franziska blieb vor ihm stehen und murmelte: „Hallo, ich bin Pfirsich, also Franziska, meine ich.“
„Ich bin Olaf“, nuschelt Dschinges und hielt ihr ungelenk die Hand hin. Sie schüttelte sie verlegen. Beide versuchten gleichzeitig die Kneipe zu betreten, woraufhin sie zusammenstießen und zurückzuckten, um dem jeweils anderen den Vortritt zu lassen.

„Der taugt nichts“, stellte Donk fest. „Er hat überhaupt keine Manieren, er kann ja noch nicht mal die Tür aufhalten.“
Fiesel sah enttäuscht aus. „Ich glaube nicht, dass der jemandem den Kopf abschlägt. Er hat ja noch nicht mal eine Axt dabei“, sagte sie betrübt.
Die Wilderellas folgten Franziska und Olaf in die Kneipe und sahen zu, wie die beiden ihre Bestellung aufgaben und die Einrichtung der Kneipe betrachteten, als wenn sie später dazu befragt würden. Immerhin fanden sie eine Beschäftigung für ihre Hände: Franziska malte unsichtbare Figuren auf den Tisch, während Olaf die Gelegenheit nutzte, jeden Finger einzeln zu kneten. Mühsam rausgequetschte Worte ergaben so etwas ähnliches wie eine Unterhaltung. Die Wilderellas beobachteten die beiden und jede war auf ihre Art entmutigt.
„Aber eigentlich passen sie doch sehr gut zusammen“, versuchte Fichte die anderen aufzumuntern.
Ein Hoffnungsschimmer glitt über Schatzileins Gesicht. „Ja, vielleicht wird es etwas anstrengend, aber das gibt noch ein ganz wunderschönes Ende“, sagte sie.
„Moment mal“, warf Donk ein. „Der ist doch nun wirklich nicht besonders toll. Es ist also ein viel besseres Ende, wenn die beiden sich nie wieder treffen.“
„Gar nicht wahr!“, rief Schatzilein. „Es ist nur ein glückliches Ende, wenn die beiden nachher verliebt sind! Guckt doch, es läuft auch schon besser.“
Die Wilderellas schauten zu Franziska und Olaf und tatsächlich - sie hatten ein Thema gefunden und unterhielten sich angeregt. Schatzilein sah so stolz aus als wäre es ihr Verdienst.
„Das mit dem glücklichen Ende ist doch aber eine Auslegungssache“, sagte Donk. „Manchmal ist es viel glücklicher, wenn sie sich nicht verlieben, weil beide dann besser dran sind. Ihr wollt das einfach nicht verstehen“, fügte sie hinzu.
„Nö, will ich nicht“, bekräftigte Fichte und Schatzilein nickte.
„Mir ist das egal“, knurrte Fiesel. „So wie es aussieht, wird der Abend ganz langweilig enden und jeder behält seinen eigenen Kopf.“
Die Wilderellas beobachteten eine Weile, wie es zwischen Franziska und Olaf lief. Franziska schaute sich zwischendurch immer wieder nervös um, aber ansonsten entwickelte sich der Abend gut - zumindest in Schatzileins und Fichtes Augen.
„Ich weiß!“, rief Fiesel. „Franziska fühlte sowieso schon verfolgt. Das unterstützen wir noch etwas und lassen es dann unter ‚Verfolgungswahn’ laufen.“
„Das könnte unterhaltsam werden“, stimmte Donk zu und erntete einen finsteren Blick von Schatzilein.
„Nein, können wir nicht“, belehrte Fichte die anderen. „Man kann wohl kaum von einem Wahn sprechen, schließlich verfolgen wir sie wirklich.“
Schatzilein atmete erleichtert auf, während Fiesel den letzten Rest Hoffnung auf einen spannenden Abend begrub.

Franziska und Olaf bezahlten und verließen die Kneipe. Rausgerissen aus der vertrauten Unterhaltung war die Anfangsunsicherheit wieder da. Schüchtern standen sie voreinander. Franziska überlegte. Wie konnte sie ein nächstes Treffen vorschlagen, ohne dabei aufdringlich zu wirken? „Vielleicht sehen wir uns ja mal wieder“, druckste sie.
„Ja, könnte ganz nett sein“, murmelte Olaf.

„Na also, sie stellen sich eh zu blöd an“, sagte Donk zufrieden.
„Wir können es ja unter ‚Chaos’ laufen lassen, immerhin waren wir uns kaum einig und sie war ja auch etwas zu spät und so“, überlegte Fichte.
Schatzilein schossen Tränen in die Augen.
„Wenn du das so siehst, kannst du das ja machen“, sagte Donk. „Ich finde das Ende so sehr gelungen.“
„Nein! So darf es nicht enden!“, brüllte Schatzilein. Sie rannte los, quer über den Fußweg, sprang auf einen Hund, von da auf den Mülleimer, weiter auf eine Frau, kletterte ihr auf den Kopf, hangelte sich auf das Dach der Bushaltestelle, nahm Anlauf und sprang mit den Füßen voran in Franziskas Rücken.

Franziska fiel nach vorn, geradewegs in Olafs Arme.

Kurzgeschichte
03-06-2012, 20:14
Klassentreffen

Ruth öffnete die beiden Briefe.
Wie erwartet enthielten sie die vorgedruckten Anmeldungen zum Klassentreffen.
Im ersten stand nebst Name und Adresse eine kurze handschriftliche Notiz. „Danke für die Einladung, ich werde teilnehmen. Gruss Inge.“
Im zweiten Brief waren die vorgedruckten Zeilen unbeschrieben. Unten im leeren Raum stand hastig hingekritzelt: „Tut mir leid, ich komme nicht. Habe gehört, er ist auch dabei. Ich kann den Kerl nicht mehr ertragen. Gruss Olga.“
Ruth war über diese Absage nicht unglücklich.
Olga hatte den Klassenkameraden Karl geheiratet. Beide bewirtschafteten einen Hof unweit des Dorfes.
Jetzt lief die Scheidung und die Zwei bekämpften sich bis aufs Blut.
Ruth wollte sich gar nicht vorstellen, wie peinlich es für Alle gewesen, falls sich Streithähne beim Treffen wortwörtlich in die Haare geraten wären...

Die Inge hatte sie seit dem Vorfall, damals in der sechsten Klasse, nicht mehr gesehen. Als damals ihr Platz in der Klasse leer blieb, sagte der Lehrer nur, Inge besuche jetzt eine höhere Schule und wohne in einem Internat.
Und nun kam sie zum Klassentreffen.
Ruth freute sich aufrichtig auf ein Wiedersehen. Anderseits war ihr etwas mulmig zu Mute.
Sie hatten es damals dem Stadtkind, das ungefragt in das ländliche Sägerei- und Bauerndorf verpflanzt worden war, nur weil ihr Vater, sie sagte Papa, als neu gewählter Direktor der Bau- und Holzfirma es so wollte, nicht einfach gemacht..
Sie hatten das Kind mit den roten Haaren und feinen Manieren richtig geplagt und ausgegrenzt.
Der harte Kern der Mädchen lachten sie nicht nur aus, sie hassten sie. Inge stellte all das dar, was sie ihr im Geheimen neideten: Die feinen Kleider, das schöne Haus, die Ferienreisen...
Die Jungen hielten sich eher zurück.
Auch Ruth war nicht an vorderster Front, aber sie war dabei.
Und jetzt kam Inge an das Treffen. Warum nach all den Jahren? Ob sie sich noch erinnerte?
Ach was. War doch Kinderkram.
Ruth aktualisierte die Liste, schrieb Inges Name auf und strich Olgas durch.


Nach vier Stunden Fahrt verliess Inge die Autobahn. Die Gegend wurde ländlicher, die Strasse führte durch Dörfer, Weiden und Wiesen.
Inge spürte, wie sich ein Druck auf ihre Brust legte, noch schwach zwar, nicht wie damals, als sie Nacht für Nacht schreiend aus den Träumen erwachte, wo sie von kleinen Menschen mit aufgerissenen, blutigen Mündern verfolgt wurde.
War es ein Fehler zurückzukommen?
Langsam wich die Ebene zurück. Die Umgebung wurde hügeliger. Inge bog in eine Nebenstrasse ein und fuhr durch das Nadelöhr, den künstlichen, in den Fels gesprengten Eingang, zum Dorf. Die Strasse war hier so breit, dass sich zwei Holzlaster kreuzen konnten. Unmittelbar danach wichen die bewaldeten Hänge zurück und das grosse Sägewerk kam in Sicht.
Inge fuhr auf den Parkplatz, öffnete das Autofenster und schlagartig, als hätte es die vierzig Jahre ihrer Abwesenheit nie gegeben, war der Geruch von nassem, entrindetem Holz da. Auch das Geräusch der Gurgel, dem Fluss der meist harmlos dahinplätscherte, aber bei einem Gewitter zum reissenden, tobenden Ungeheuer werden konnte, hatte sie nicht vergessen.
Als sie in den Rückspiegel richtete um ihre Haare zu kämmen, blickte sie direkt auf das Nadelöhr, für sie das Höllentor.

Für Papa bedeutete das Tor den Eingang zu einem glücklichen Berufsleben. Er hatte als junger Mann in Kanada ein Wirtschaftstudium absolviert und dort in den Semesterferien als Holzfäller gearbeitet. Es sei die schönste Zeit seines Lebens gewesen, schwärmte er etwas unsensibel, selbst wenn Mama mithören konnte. Er liebte alles was mit Holz zu tun hatte, auch die düsteren, bewaldeten Hänge, die das Dorf begrenzten und Mama Angst einflössten und sie bedrückten.
Ja, die Mama. Für sie führte der Ortswechsel in dieses abgelegene Gebiet direkt in die Isolation und Einsamkeit. Sie wurde nie heimisch, versuchte es gar nicht. Was sollte sie mit den Bäuerinnen oder Arbeiterfrauen reden?
Mama fehlte die städtische Kultur, das Theater, die Konzerte aber auch das Flanieren in den Modehäusern. Sie wurde immer stiller und in sich gekehrter.
Für Inge war es das Tor zur Hölle
Die Trennung von der besten Freundin und der schönen Stadtwohnung fielen ihr damals unendlich schwer. Papa schilderte ihr zwar das Dorf, den Wald und die Weiden mit den Tieren in den schönsten Farben. Und ein wenig war sie auch neugierig, hatte ihr Papa doch von neuen Freundinnen erzählt, die sie dann auf den Bauernhöfen besuchen könne. Und Papa musste es ja wissen, es waren ja meist die Töchter seiner Angestellten
Aber als sie dann verzweifelte, am Ufer der Gurgel kauerte, dort wo das Wasser am tiefsten war, weil sie die Demütigungen und Ausgrenzungen nicht mehr ertragen konnte, hatte Papa keine Zeit mehr für sie.

Es begann schon am ersten Schultag. Schüchtern und etwas ängstlich stand sie mit dem Lehrer vor ihrer künftigen Klasse:„Das ist Inge, sie ist neu hier und kommt aus der Stadt, seid nett zu euer neuen Schulkameradin.“
Sie könne sich vorn neben die Olga setzen, wies er ihr einen Platz zu. Erwartungsvoll blickte sie ihrer künftigen Banknachbarin ins Gesicht und sah, dass diese mürrisch wegschaute und absichtlich mit dem Stuhl zur Seite rückte. Sie setzte sich und hörte einen Jungen hinter ihr flüstern:„Habt ihr gesehen, die rostet ja schon.“
Was in der Stadtschule nie thematisiert wurde, hier stempelten sie ihre roten Haare zum Hexenkind oder zur Teufelsbrut.
Die Herkunft und ihr Aussehen machten sie zur Aussenseiterin. Sie musste sich vergleichbar einem Hühnerhof, der Hackordnung fügen. Sie wurde zum verschupften, immer gepickten, ewig geplagten Hühnchen.
Die Olga war die Rädelsführerin. Sie war die dritte Tochter des reichsten Bauern im Ort, ungeliebt vom Vater, weil der sehnlichst erwartete Sohn wieder nur ein Mädchen geworden war. Und dieser Makel wurde ihr ständig vorgehalten. Dabei tat sie alles um ihrem Vater zu gefallen. Sie arbeitete wie ein Junge. Bei Streitereien nahm sie es selbst mit den Buben auf. Weit entfernt bei den Klassenbesten zu sein, die Klassenstärkste war sie allemal. Sie zur Feindin zu haben, war das Schlimmste, was einer Schülerin passieren konnte.
Inge, das scheue Stadtmädchen mit den roten Haaren war wie geschaffen für diese Rolle. Und die andern Mädchen, heilfroh dass sie noch einmal davongekommen waren, wurden zu willigen Mitläuferinnen und Urteilsvollstreckerinnen.
Mama sah hilflos zu, wie ihre Tochter litt. An Inges Geburtstag lud sie die ganze Klasse zu einem Fest ein. Sie telefonierte jeder Mutter und bat sie, ihre Tochter oder der Sohn an die kleine Feier zu schicken.
Im Dorf kannte man diese Einladungen nicht. Aber weil die Frau Direktor persönlich eingeladen hatte, kamen sie alle. Sicher wurden ihnen von den Müttern eingeschärft, sie sollten sich bei Direktors anständig benehmen.
Inge wusste gar nicht wie ihr geschah, als alle so nett zu ihr waren. Sie sassen zusammen um den Plattenspieler und hörten sich die neuesten Schlager an. Dann lotste sie die Mädchen in ihr Zimmer. Die staunten über das Bett mit den gerafften Vorhängen, keine hatte so etwas schon gesehen. Inge öffnete ihre Schränke, hiess sie die Kleider anprobieren und sie stolzierten auf Zehenspitzen, hohe Absätze vortäuschend, übertrieben affektiert herum, wie es ihrer Meinung nach die vornehmen Damen in der Stadt taten. Irgendwann rief Mama zum Essen. Es gab hübsch dekorierte Brötchen und eine mehrstöckige Torte auf der mit rosa Zuckerguss „Herzlicher Glückwunsch“ stand.
Sie erinnerte sich noch gut, wie sie Abends der Mama um den Hals gefallen war und „danke Mama, jetzt ist alles gut,“ geschluchzt hatte.
Nichts ward gut.
Nahtlos, als hätte sie das Fest geträumt, gingen die Quälereien weiter: „Habt ihr gesehen, die schläft in einem Puppenbett mit Vorhängen?“ hatte Olga am Tag danach gehöhnt und alle hatten gejohlt und gelacht.
Ein paar Tage später fand sie einen Zettel in ihrem Heftfach. „Komm heute um fünf Uhr zum Brunnen auf der Gemeindewiese, ich will dir etwas zeigen. eine Freundin.“
Ohne Arg, nur getrieben vom Wunsch nach ein bisschen Zuneigung, ging sie hin.
Versteckt hinter einem Heuhaufen warteten Olga und Karl, stürzten sich auf sie und johlten: „Sie brennt, wir müssen löschen!“ und drückten ihr den Kopf unter Wasser, dass sie glaubte ertrinken zu müssen.
Nach diesem Vorfall wurde sie krank. Sie hatte Alpträume. Schrie nachts im Schlaf. Hatte ständig Bauchschmerzen. Mama wusste sich nicht mehr zu helfen. Papa hatte keine Zeit. Also blieb nur das Internat, auch nicht schön, aber alles war besser, als weiter in die Schule gehen zu müssen.

Inge erwachte wie aus Trance
War es ein Fehler zurückzukommen? Sollte sie heimfahren? Wäre das nicht feige? Hatte sie als Personalchefin in einer grossen Firma nicht gelernt sich heiklen Situationen zu stellen, harte Massnahmen zu treffen und sie durchzuziehen?
Ihr Psychiater drängte sie seit Jahren, sie müsse sich den Menschen stellen, die sie so geplagt hatten, sie nach dem Grund fragen, warum sie es getan, nur so könne sie mit der Vergangenheit abschliessen.
Ein paar Minuten später parkierte sie ihren Wagen vor dem Gasthof „Hirschen“.

Als Ruth beim Verlesen der entschuldigten Abwesenden den Namen Olga erwähnte, verspürte Inge eine grenzenlose Erleichterung. Hier im Gasthof hatte sie erkannt, dass sie noch meilenweit davon entfernt war, ihrer Feindin Auge in Auge gegenüber treten zu können..
Jetzt konnte sie aufatmen. Dieses verhasste Treffen, dass sie sich als Therapie verschrieben hatte, schien so schrecklich nicht zu werden. Alle waren sie nett, schienen sich ehrlich zu freuen, dass sie gekommen war. Und als Ruth entschuldigend bemerkte, sie hätten es ihr damals in der Schule nicht leicht gemacht, nickten sie beifällig und lächelten.
Was sollten die alten Geschichten?
Da war zuviel passiert in ihrem Leben, das Schicksal hatte keine ausgespart.
Auch nicht die Edith, die noch immer gezeichnet von einer Chemotherapie emotionslos von ihren Operationen erzählte.
Oder die Klara, die kaum war das Mittagessen vorüber, hastig aufstand und sich verabschiedete. Niemand hielt sie zurück. Alle schienen zu wissen, dass ihr eifersüchtiger Mann ihr jede Stunde der Abwesenheit aufrechnete und sie dann mit wochenlangem Schweigen bestrafte.
Fast anrührend war ihr Begegnung mit Lili. Sie war das Mauerblümchen der Klasse gewesen. Als Olgas Zielobjekt für Spott und Hohn war sie damals unendlich dankbar, dass Inge als neue, ideale Besetzung diese Rolle übernehmen musste. Konnte sie dieser ältlichen Frau böse sein, die sie bewundernd anstarrte, dass es ihr schon peinlich war?„Du trägst ein schönes Kleid, das hast du sicher in der Stadt gekauft?“ Dann drehte sie sich wie ein Schulmädchen im Kreis und deutete auf ihr blaues, hochgeschlossenes Kleid mit dem weissen Kragen. „Sei ehrlich,“ flüsterte sie, während ihr Augen flehten es nicht zu sein, „sieht es selbstgenäht aus?“ Inge schaute auf die schiefen Nähte, den ungleich langen Saum und flüsterte zurück, „sieht aus wie ladenneu.“. Lili strahlte.

Das Thema, das alle bewegte war die Trennung von Karl und Olga. Olga sei einfach ausgezogen, hätte Karl mit dem grossen Hof mitten in der Heuernte im Stich gelassen. Sie hätte sich im Nachbardorf, ausserhalb des Nadelöhrs eine Wohnung gemietet.
Karl habe in der Käserei erzählt, Olga wolle sich scheiden lassen. Er habe einen Brief von einer Anwältin erhalten, aber die Weiber würden sich noch wundern.
Jetzt kam Lilis grosse Stunde. Sie hatte Olga an der Gurgel getroffen, als sie beide wie in Schulzeiten, an nur ihnen bekannten Plätzen, nach Pfifferlingen gesucht hatten.
Erst habe sie die Schulkollegin fast nicht erkannt, Olga habe sich ihre graublonden Haare feuerrot färben lassen. Sie hätten dann über Pfifferlinge gesprochen, dass dieses Jahr zu trocken sei für die Pilze.
Das war nicht das, was die Frauen hören wollten.
Doch Lili genoss es für einmal im Mittelpunkt zu stehen.
Sie machte ein lange Pause und schaute zu den Männern, die hinten im Raum beim Bier sassen.
Olga sei bei einer Anwältin gewesen und diese habe ihr versprochen, dass Karl zahlen müsse, es gehe um Geld, sehr viel Geld. „Den Kerl lassen wir bluten“ hat sie gesagt, spielte jetzt Lili ihren letzten Trumpf aus.

Später als sie geplant hatte, verliess Inge den Gasthof.
Es war eine laue Nacht und die Fenster der Gaststube weit geöffnet. Männerstimmen, durch das viele Bier rau und laut geworden, drangen ins Dunkel und als Inge den Namen Olga hörte, blieb sie abrupt stehen.
„Keinen Cent bekommt die von mir!“ dröhnte Karls Stimme und trunken von Wein und Bier doppelte er nach „der Wildhüter erledigt mir das für fünfzig Euros und die Kadaverstelle nimmt nur dreissig.“
„Das kannst du einfacher haben“, fiel ihm ein Anderer ins Wort. „Wenn die Gurgel Hochwasser führt, gehst du in den Wald, sie ist dann bestimmt in den Pilzen, ein Stoss und das Ganze hat sich auch erledigt...“
Inge eilte zum Parkplatz.
Vor dem Nadelöhr hielt sie kurz an.
Es war gut, dass sie hier gewesen war. Sie hatte vergessen, dass hier andere Gesetze galten. Die ehemaligen Schulkolleginnen waren keine Hassobjekte mehr. Sie waren ihr gleichgültig geworden.
Die Rechnung mit Olga musste offen bleiben.

Ein paar Wochen später nahm Inge einen schwarz geränderten Umschlag aus dem Briefkasten.
Der Brief kam von der Ruth.
Es tue ihr leid, Ihnen mitteilen zu müssen, dass die Olga in der Gurgel ertrunken sei. Die Polizei vermute, sie sei beim Pilze sammeln in den Hochwasser führenden Fluss gestürzt, ihre Leiche hätten Arbeiter des Sägewerkes im Wehr gefunden.
Sie werde im Namen der Klasse einen Kranz besorgen.
Inge steckte eine grössere Banknote in einen an Ruth adressierten Briefumschlag.
Dann kritzelte sie eine Notiz für ihre Sekretärin auf den Block:
Alle Termine bei Dr. Sommer streichen.

Doktor Sommer war ihr Psychiater.

Kurzgeschichte
03-06-2012, 20:15
The Revenge

Die beiden regungslosen Beine standen festgerammt im Boden des sandigen Untergrunds der Hauptstraße durch Armadillo. Ein dazugehöriger schwerer langer Mantel hing hinter dem Paar Stiefel mit seiner Unterkante fast im Staub. Die Stadt hatte für kurze Zeit aufgehört zu atmen und ließ nur den leichten Wind hören, der den Sandstaub immer wieder von links nach rechts und zurück über die Straße bis unter die Saloontür hindurch trieb. Über dem rechten Pistolenhalfter fingerte eine Hand nervös hin und her, während das etwa einen Meter darüber liegende Augenpaar starr geradeaus sein Gegenüber fixierte. Der sich nach oben erhebende Revolver schien wie in Zeitlupe gezückt, gedanklich waren die Schüsse schon in Brust und Kopf platziert. Keine Minute später saß John Marston wieder am Pokertisch. Die zuvor beim Kartengeben in den Ärmel geflutschte schwarze Zehn schmiegte sich weiterhin deutlich spürbar und bisher ungenutzt an sein Handgelenk, aber wenn jemand Falschspiel unterstellte, war ein Duell stets unvermeidlich.

Am Nachmittag ritt John Marston um einige hundert Dollar reicher zurück auf seine Farm im Norden. Was seine vier abgezockten übriggebliebenen Gegner zu Hause berichten würden, scherte ihn nicht. Seine Frau Abigail und sein Sohn Jack kamen jetzt wieder viele weitere Monate halbwegs brauchbar über die Runden, während Marston abermals durch die Wälder und Prärien streifen würde. Er würde sich selber, wie auch schon all die Wochen und Monate zuvor, wieder Kaninchen oder Waschbären zum Überleben schießen oder sich gegen Bären, Wölfe und Pumas wehren, manchmal sogar nur mit dem Messer erlegt, wenn ihm wieder mal die Munition ausgegangen war, bevor er in einer der kleinen Siedlungen seine Pelze und andere Trophäen gegen neue Patronen hatte eintauschen können. Ab und zu verlor er auch eines seiner Pferde unter dem Hintern, weil ihm der Puma es einfach aus der unsichtbaren Deckung heraus beim Vorbeireiten riss. Dann fing sich John Marston jedes mal wieder neu gekonnt mit seinem Lasso ein Wildpferd ein, ritt es sich zu und erwischte dabei sogar manchmal eines der seltenen Prachtstücke, die ausdauernder und schneller waren als all seine Vorgängerpferde zuvor.

John Marston tat das alles, weil er auf der Suche war nach Bill Williamson, Xavier Escuela und Dutch van der Linde, seine ehemaligen Weggefährten aus Bandenzeiten, als John Marston noch Jack MacNamarra hieß und sie alle gemeinsam die reichen Übersiedler aus dem Osten überfielen, die ihre Landstriche zivilisieren und kultivieren wollten mit ihren Gesetzgebungen, Geschäften und Banken und ihren kleinen schnaufenden Automobilen. Der Gouverneur hatte zum Schutz seiner großartigen Kultur und Zivilisiertheit eines Tages seine Armee losgeschickt, um die Gesetzlosen zu erledigen. Dutch van der Linde und seine Bande entwischten aber jedes mal. Manchmal allerdings mit blutigen Verlusten. Als sie eines Tages Jack MacNamarra nach einer Schießerei verletzt in einer Bergschlucht liegen ließen und lieber Fersengeld gaben, anstatt wie Jack einst nie einen seiner Freunde aufzugeben, schloss MacNamarra eigentlich schon mit seinem Leben ab.

Es war ein alter Indianer, der MacNamarra schon recht blutleer einige Zeit später in der Schlucht fand und in sein kleines Lager trug. Der Indianer besaß wundenreinigende Kräuter und kannte sich aus in den Künsten der Heilkräfte. Sie wurden nie große Freunde, sie beherrschten dazu beide nicht die Sprache des jeweiligen anderen. Aber sie wussten voneinander, dass sie beide das gleiche Interesse an ihren unzivilisierten und naturbelassenen Landstrichen trieb.

Manchmal, in den Jahren später, trafen sie sich in den Wäldern irgendwo wieder und tauschten ihre erbeuteten Tierfelle aus und manch wortlosen aber vielsagenden Blick. Jack MacNamarra war inzwischen John Marston und Farmer geworden und hatte eine kleine Familie zu ernähren, als ihn eines Tages der Gouverneur von Blackwater aufspürte. Der Gouverneur hatte jahrelang nach der Dutch van der Linde Bande gesucht. John Marston hatte jahrelang nach seiner Ruhe gesucht. Der Gouverneur wollte die Namensänderung und noch so einiges anderes verhandeln.

John Marston war vor die Wahl gestellt worden. Der Gouverneur hatte aus wohlgemeinter Hilfsbereitschaft zum Schutze der gegenseitigen Anliegen einige seiner Armeeleute um Marstons Farm herum platziert und fortan stets aus der Ferne Marstons Frau Abigail und seinen Sohn Jack jr. im Visier, um den nötigen Druck aufzubauen, den der Gouverneur zukünftig rund um Marstons Unversehrtheit und die seiner kleinen Familie als Geschenk in die Verhandlungen mit einbringen wollte. Wenn Marston ihm Williamson, Escuela und van der Linde ans Messer lieferte, oder erlegte, da war der Gouverneur freizügig, würden seine Armeeleute am Ende wieder von der Farm abziehen und Marston sein beschauliches Farmerleben weiterleben lassen.

John Marston hatte drei Jahre gebraucht und mehrere Schlachten geschlagen, sich mit mexikanischen Präsidenten angelegt und wieder verbündet, war durch Goldminen gestriffen und hatte entlegenste Lager in schneebedeckten Gebirgen aufgespürt, und am Ende hatte er erst Williamson, dann Escuela und zum Schluss auch van der Linde vor sein Visier bekommen und jedes Mal eiskalt abgedrückt. Wohl zu eiskalt, befand letztendlich der Gouverneur und befahl eines Tages seinen rund um Marstons Farm positionierten Armeeleuten, Marston auch umzulegen. Mit einem Gesetzlosen konnte man verhandeln, ihm aber nie endgültig vertrauen, hatten nicht nur der Bankdirektor und die anderen Geschäftsleute aus Blackwater in ihrer Stadtratssitzung befunden, sondern auch die Frau des Gouverneurs hatte ihren Mann noch einmal eindringlich daran erinnert, dass Gesetzlose gleichzeitig auch Gottlose waren, noch dazu wenn sie wie Marston und seine Familie noch nie in der örtlichen Kirche erschienen waren.

Von seinem zuletzt zugerittenen pfeilschnellen Wildpferd herab, auf dem Marston gerade dabei gewesen war, seine Viehherde nach Hause zu treiben, erwischte er noch ein paar der Soldaten, die kurz zuvor in einem Kugelhagel seine Frau Abigail und seinen kleinen Sohn zwischen Haus und Scheune niedergemäht hatten und jetzt das Feuer auf ihn eröffneten. Marstons Waffe war schussgewaltig und in seinen Händen so zielsicher, wie bei kaum einem anderen Mann im Staate New Elizabeth. Ihn selber hatten am Ende nur ein paar Streifschüsse erwischt, als er auf seinem Mustang zwischen den durch sein Repetiergewehr fallenden Soldaten hindurch noch gerade so entkam.

Nigel West Dickens war ein stets gut gekleideter fahrender Händler, der mit seiner hochglanzpolierten schwarzen Kutsche schon seit Jahren von Stadt zu Stadt und Farm zu Farm durch ganz West Elizabeth und New Austin zog. John Marston hatte ihn auf der Suche nach seinen alten Freunden ein paar mal getroffen, als Dickens seine Wundermittelchen versucht hatte, an den Mann zu bringen. Für Marston war Dickens ein billiger Schwindler. Aber da Marston ihm half, seine Mittelchen besser zu verkaufen, indem er sich als zufällige Testperson ausgab, der einen Schluck seines überalkoholisierten Gebräus vor dem zusammengekommenen Publikum hinunterwürgte, um anschließend Bärenkräfte und brilliante Schießkünste zu demonstrieren, half Dickens Marston, seine alten Freunde aufzuspüren. Dickens hatte dank seiner Plaudereien in jedem Städtchen überall seine Nase im Geschehen und kam so an Informationen, die für Marston Gold wert waren. Es war Nigel West Dickens, der Marston auch diesmal wieder steckte, an welcher Stelle des Rio Lobo sich der Gouverneur jeden Sonntag nach dem Kirchgang zur Entenjagd zurückzog, um sich in der wilden und unzivilisierten Natur zu vergnügen.

John Marston war nach den Ereignissen auf seiner Farm in die Wälder geflüchtet und hatte seine Wunden abermals bei dem alten Indianer ausheilen lassen. Er hatte sich später dem Stamm des Indianers angeschlossen und sich mit diesem in die Nekoti Rocks zurückgezogen, solange, bis die an allen Bahnhöfen mit seinem Kopf aushängenden Fahndungsanschläge langsam verblasst waren. Nigel West Dickens aufzuspüren, war ihm auch nach Jahren ein Leichtes. Er musste nur der Spur der überall liegengebliebenen und lediglich angebrochenen Wundermittelfläschchen folgen.

Nach einem langen Ritt an die entlegenen Ufer des großen Grenzflusses sah Marston schon von weitem über die aufstiebenden Enten, an welcher Stelle der Gouverneur im Dickicht hocken musste. Marston hatte kaum Probleme, sich der Jagdzone des Gouverneurs zu nähern, denn er war geübt in den leisen Vorwärtsbewegungen der Ureinwohner, die er sich bei ihnen abgeschaut hatte. Er drückte sich zwischen die kleinen knöchrigen Eichen, die bis an die Ränder des Flussufers wuchsen und hatte den Gouverneur auf einmal ganz klar vor Augen. Der Statthalter von Blackwater sammelte gerade seine geschossenen Enten ein und betrachtete sie sich eine nach der anderen mit prüfendem Blick. Einige von ihnen würden ein paar schöne bunte Federn für seine Enkelkinder zum Spielen abwerfen, bunte Federn, die sich die Ureinwohner hierzulande wie sich schmücken wollende Damen lächerlicherweise in die Haare steckten. Ein paar dickere Enten, die bei seiner Frau noch am selben Abend im Kochkessel landen würden, waren auch mit dabei, aber die meisten Enten waren doch schmucklose magere Exemplare, die er am Ende wie immer seinen Hunden überlassen würde.
Enten waren Abigails Lieblingstiere gewesen. Abigail hatte sich vor einigen Jahren neben der Scheune extra für sie einen kleinen Tümpel angelegt. John hatte ihr mit Netzen ein paar Wildenten eingefangen und ihnen die Flügel gestutzt. Jahrelang hatten die Enten bei ihnen auf der Farm tagsüber im Tümpel geschnattert und sein Sohn Jack in einem Heft mit einem Kohlestift kleine Zeichnungen von ihnen angefertigt und mit der Zeit sogar eigene Schriftzeichen für ihre Laute entwickelt. Jack war der neugierigste und schlaueste Junge, den die MacNamarrasippe jemals hervorgebracht hatte.
Als John Marston sein Henry-Repetiergewehr wie in Zeitlupe anhob, den Gouverneur mit einem gezielten Kopfschuss zu erledigen, zogen ihm auf einmal wieder die Bilder seiner wunderschönen und fröhlichen Frau und seines klugen kleinen Sohnes durch den Kopf, und plötzlich wurde ihm ganz schwarz vor Augen. John Marston schwanden die Sinne und sein ganzer Körper versagte. Seine Schusshand, die stützende Hand unter dem Gewehrlauf und seine Beine versagten, einfach alles versagte, kein Pieps war mehr zu hören, alles stand still, der Bildschirm war komplett bewegungslos.

„Der Akku Ihres Wireless-Controllers ist leer“, stand da in dicken blutroten Lettern quer über dem Bildschirm mit der ins Freeze gefahrenen Szene, „Bitte schließen Sie ihn an das Ladekabel an“.

„Ist ja gruselig“, murmelte Kalle, „mitten im Ziehen! Hast du so etwas schon mal gesehen? Wie bescheuert ist das denn, mitten im finalen Kopfschuss den Controllerakku leer zu kriegen?“
Kalle reichte das kleine stromleere Gamepad raunzend seiner Freundin Ronja rüber: „Egal, die Sau ist gleich hinüber, und ich möchte es in Zeitlupe sehen, wie John ihn mit dem Repetiergewehr in den Rio Lobo fegt. Das Kabel muss doch bei dir da irgendwo liegen. Du kannst dann auch gleich weiterspielen, hier, nimm.“
Ronja hatte bereits das Ladekabel in der Hand, piekste es hinten in die kleine Buchse des ihr überreichten Steuergeräts, das nun schon tagelang am Stück durchgehalten hatte, hinein, drückte auf die Weiterspieltaste und landete mitten im genau zwischen die Augen platzierten Kopfschuss. Der Gouverneur von Blackwater flog in hohem Bogen, seine zuvor geschossenen und eingesammelten Enten noch in der Hand, geradewegs in den Grenzfluss zwischen Mexiko und New Austin und trieb anschließend regungslos mit seiner Beute und der seichten Strömung des Flusses Richtung Escalera hinab seiner gerechten Überführung entgegen.

John Marston steckte sein Henry-Repetiergewehr wieder in das Gewehrhalfter auf seinem Rücken, erklomm sein Pferd und ritt einsam aber doch selbstgefällig dem Sonnenuntergang hinter seiner verwaisten Farm entgegen, und zu einem seichten Country Song, der mit verlorener männlicher Stimme all die schweren Kämpfe um Gerechtigkeit besang, begann der Abspann mit der Auflistung der Spieleentwickler von „The Revenge“ über den Bildschirm nach oben zu ziehen.

Kurzgeschichte
03-06-2012, 20:17
Sternschnuppe

Kurt trat die 3. Zigarette aus, wuchtete sich wieder in sein Taxi und fluchte vor sich hin. Was für eine elend ereignis- und fahrgastlose Schicht! Und das ging schon die ganze Woche so, fuckiger Mistfuck! Er hatte es an Bahnhöfen und Hotels versucht, er war gecruist und hatte seinen Leerkilometerstand weit über das erträgliche Maß gesteigert und jetzt stand er schon knapp eine Stunde vor dem angeblich so angesagten Club und sah einen Kollegen nach dem anderen mit dem Partyvolk davon fahren. Vor einer halben Stunde war er dann an die Spitze der elfenbeinfarbenen Schlange vorgerückt – und dann tat sich – NICHTS. Drinnen lief wohl inzwischen der Auftritt des neuen Casting-Sternchens und da er von denen nicht viel hielt (nicht, dass er Ahnung von der Art von Musik hatte, die die heutige Jugend so hörte, er bevorzugte Country&Western), hatte er sich eigentlich Hoffnungen gemacht, dass etliche Clubgänger vorzeitig gehen und zu kultigeren Locations gefahren werden wollten. Aber die Kleine schien das Publikum zu fesseln, auf nichts konnte man sich mehr verlassen.

Nichmal mehr auf das Nichts – ein blasses Teenagermädel huschte aus dem Club, sah sich kurz suchend um und steuerte dann zielstrebig Kurts Taxi an. Er konnte ihr grad noch von innen die Beifahrertür öffnen, da saß sie schon neben ihm, seine Hoffnung auf etwas Umsatz. "Na, schon vorbei oder war's so langweilig? Wo sollet denn hinjehen?" versuchte er jovial auf ein gutes Trinkgeld für Freundlichkeit und gute Stimmung hinzuarbeiten. "Zum Lotus-Hostel, bitte" hauchte das Mädchen und lehnte sich erschöpft zurück. "Nein, läuft noch, ist Hammer! – die Charli ist voll gold! Voll hübsch und die Mucke macht sooo Laune - aber mir ist schlecht... fuck elender!". Mit ihrer Zielansage wurde es auch Kurt etwas flau im Magen, das Hostel lag gerade mal gute 3km um die Ecke – ade, Umsatz! Und dafür eine Stunde gewartet. Aber er biss die Zähne zusammen wie sein Fahrgast auch und wurde mit einem ordentlichen Trinkgeld belohnt. Na, sollte nochmal jemand was gegen die heutige Jungend sagen! Er steuerte denselben Weg wieder zurück, der Einbahnstraße wegen um den Club herum.

Der Applaus schien nicht enden zu wollen, Charli badete im Crescendo der "Zugabe!"-Rufe und fiel Max, ihrem Gitarristen um den Hals. Was für ein furioses Schlusskonzert nach einer mehr als gelungenen Tournee! Noch vor 3 Monaten hatte sie geglaubt, es könne nicht mehr besser werden, als sie (für sie völlig überraschend) mit 23% Vorsprung gegen ihren Finalpartner Emre als Siegerin der Jubiläumsstaffel von DSDS und damit zu Deutschlands neuem Superstar gekürt wurde. Sie! Als Mädchen gegen den Mädchenschwarm Emre! Was sie damals noch nicht wusste, war, dass sie jedes einzelne Telefonvoting gewonnen hatte, von der Top15 Show an und die gesamten Mottoshows hindurch.

Die RTL-Verantwortlichen waren wohl am meisten vom Erfolg ihres neuen Konzepts überrascht – Trash nur noch im Casting und ab Recall Konzentration auf Musikalität und Stimme, Yvonne Catterfield neben Bohlen und Darnell in der Jury und das Mindestalter der Teilnehmer war auf 18 Jahre angehoben worden. Charli, geboren in Hamburg, mit 6 Monaten mit ihren Eltern nach Hongkong gezogen und dort aufgewachsen, nach etlichen Umzügen mit 14 Jahren in Kalifornien bei Tante und Onkel gelandet, war gerade 18 geworden. Sie hatte die High School in Newport mit Auszeichnung beendet und ihr Onkel sah sie eigentlich schon auf College, Universität und Assistenzposten in der mehr als erfolgreichen Familienfirma, als sie sich für das Casting bewarb und – endlich ihr eigenes Leben in die Hand nehmend und alle Proteste ignorierend – mutterseelenallein nach Deutschland flog.

Fast jeder, der sich überhaupt noch für DSDS interessierte, glaubte, ohne den Trash-Faktor und das kindliche Publikum der vergangenen Staffeln würden die Quoten in den Keller fallen (genauer gesagt in's tiefste Tiefgeschoss des Kellers!), aber das Gegenteil war der Fall.

Vielleicht auch wegen Charli, denn seit ihren ersten topmodel-würdigen Schritten vor die Kamera, (wie immer fröhlich lachend, mit wehenden Goldlocken und einem unwiderstehlichen Blitzen in den azurblauen Augen) die Bruce in Verzückungsschreie verfallen und die Dollarzeichen in Dieter Bohlens Augen aufleuchten ließen, nahm sie mit ihrer engelhaften, positiven Austrahlung ganz Deutschland für sich ein. Das Beste war, dass es ihr überhaupt nicht bewusst war, dass sie durch ihr bloßes Dasein gute Laune (und mehr als das!) verbreitete und ihre Präsenz einzigartig war. Die Kamera liebte sie, aber sie wollte einfach nur singen und das konnte sie unglaublich gut - und mit einer Stimme, die klang, als ob ein ganzer Engels-Chor jubilieren würde.

Natürlich polarisierte sie, nicht jeder vertrug so viel natürliche Schönheit, Grazie und Talent, und die Social Networks und Internetforen spalteten sich in Lover und Hater – beides gut für die Quote, denn sehen und hören wollte sie jeder. Sie kümmerte sich aufopferungsvoll um ihre Fans und ignorierte die unvermeidlichen Hass-Kommentare auf Facebook & Co. Morddrohungen von dort konnte man doch nicht ernst nehmen...
Sie hätte es besser wissen können – waren nicht ihre Eltern damals in Hongkong durch eine Autobombe um's Leben gekommen, als sie gerade mal 12 Jahre alt war? (RTL liebte diesen Teil ihrer Biografie und die Produzenten mussten sich zurückhalten, es nicht zu sehr auszuwälzen, schließlich sollten es ja Trash-freie Mottoshows werden) Starb nicht ihre Tante durch einen doch nicht ganz präzisen Präzisionsschuss, der ihrem Mann, dem Imperiums-Chef, gegolten hatte? (Der Produzent schrieb schonmal ein Skript für den Fall, dass es während der Show zu einem "erfolgreichen" Versuch kommen sollte...) Von den anderen vereitelten Anschlägen hatte ihr Onkel ihr dann gar nichts mehr erzählt, genau wie von seiner Angst um eine Entführung von ihr und von den geheimen Bodyguards, die er für sie gebucht hatte. Er wusste, solange er den Übernahme-Angeboten widerstand, lebte er sehr, sehr gefährlich. Und Charli war das einzig andere noch lebende Familienmitglied. Weit weg in Deutschland, aber glücklicherweise so unter Medienkontrolle und in der Öffentlichkeit von Fans so umschwärmt, dass es selbst für Triaden-Profis schwer bis unmöglich sein würde, unbemerkt an sie heranzukommen. Dafür sorgte schon RTL, denn nur eine lebendige Charli vor der Kamera war eine quotenbringende Charli. Also zumindest bis zum Finale... aber die Bodyguards schirmten sie auch darüber hinaus noch erfolgreich ab.

So durchlebte sie sowohl die eigentliche DSDS-Zeit wie auch die anschließende aufregende Zeit im Tonstudio, in Radio- und Fernsehstationen, bei unzähligen Interviews und Autogrammstunden und dann endlich, endlich bei der großen Tournee wie im Rausch. Natürlich fielen ihr die finsteren Blicke einiger Hater und vor allem dieses einen chinesischen Mädchens im Publikum auf. Vielleicht nicht beim ersten Mal, aber spätestens als sie zum dritten Mal in der ersten Reihe eines ihrer Konzerte stand und solch ein Gegensatz zur ausgelassen fröhlich feiernden Menge um sie herum war, speicherte sie das Gesicht ab. Warum stand sie da so unbewegt? Warum kam sie überhaupt, zahlte immer wieder Eintritt, wenn es ihr doch so offensichtlich nicht gefiel? Charli versuchte, sie bei ihren Liedern über Liebe und Loslassen, über Schmerz und Vergebung, über Gefühle, die über all das noch hinausgingen, direkt anzusingen, aber wie ein Geist war das Mädchen ausgerechnet dann immer verschwunden und Charli vergaß sie wieder. Bis zum nächsten Konzert. Bis zum nächsten stechenden Blick aus schmalen, harten Augen. Aber die glücklichen, euphorischen Fans waren so herzerwärmend in der Überzahl, dass sie sich von deren Begeisterung jedes Mal wieder davontragen ließ und ihre goldene Stimme hüllte die jubelnde Menge ein und gemeinsam entschwebten sie in Sphären der Entzückung und Entrückung.

Max, der Gitarrist, empfing sie mit offenen Armen und wünschte sich, dass vielleicht dieses Mal, diese Nacht endlich...

Kurt näherte sich dem Hinterausgang des Clubs und wünschte sich, dass dort der eine oder andere Angestellte...

Die begeisterte Menge wünschte sich noch und noch und noch eine Zugabe...

Mei Li wünschte sich, Charli würde von der Bühne fallen und sich das Genick brechen.

Die Bodguards wünschten sich, sie hätten Charlis Garderobe vorher nach Notausgängen untersucht.

Charli wünschte sich nichts als Ruhe. Sie hatte sie wieder gesehen. Ihren Blick. Ihren Hass. Sie musste an Hongkong denken, damals, als sie nicht mitdurfte zur Charity-Gala und die Anfahrt der Gäste live im Fernsehen verfolgte, um ihre Eltern in ihren schicken Klamotten wenigstens auf dem roten Teppich sehen zu können. Und wie sie stattdessen den Feuerball sah. Warum musste sie ausgerechnet jetzt daran denken? Sie sollte lieber an den Erfolg ihrer Tournee... ihre Fans... aber ihr Herz zog sich zusammen, sie fror und sie wollte nur hier 'raus! Weg! Weit weg!

Sie nahm sich keine Zeit zum Abschminken, schmiss sich nur in ihre verwaschenen Jeans, sauberes T-Shirt und den grauen Hoodie, griff ihre Handtasche und stürmte aus dem Notausgang und dem Hinterausgang des Clubs. Eiseskälte umfing sie. Aber war es wirklich die Nacht, die so kalt war? Ein Taxi fuhr gerade langsam vorbei – ihre Rettung! Wild winkend brachte sie es zum Stehen.

Kurts Wunsch wurde erfüllt. Zitternd nahm das Mädchen im grauen Hoodie neben ihm Platz. "Fahren Sie los, schnell! Bitte!" Kein Problem für Kurt, als Nachtfahrer war er merkwürdigere Gestalten und Wünsche gewohnt. Er startete durch. Charli atmete durch, tief durch, aber sie wurde nicht ruhiger, warum wurde sie nicht ruhiger? Alles war gut... Die Augen waren weit weg, die Augen konnten ihr nicht folgen... oder konnten sie? Sie blickte hektisch aus dem Rückfenster und natürlich folgte ihnen ein Auto. Sie waren immerhin in Berlin auf einer der großen Straßen.

"Wo sollet denn hinjeh'n?" Kurt brachte Charli in die Gegenwart zurück. Und dann fielen die magischen Worte. "Äh... könnten Sie... mich bis nach München fahren? Also wenn Sie Kreditkarten..."

Jackpot!!! Ein Blick nach rechts auf die gewedelte goldene VISA Card bestätigte, dass der graue Hoodie es ernst meinte. Er musste sich zusammenreißen, um nicht laut zu jubeln! "Aber klar doch, Frollein, nichts lieba als datt, muss nur noch tanken... und äh, ick muss Ihnen aba die leere Rückfahrt berechnen..." "Jaja, klar, Geld ist kein Problem, ich muss hier nur weg, schnell weg, weit weg!" Denn die Augen waren hinter ihr, das spürte sie. Also ließ sie den Plan, noch im Hotel vorbei zu fahren, um wenigstens eine Tasche mit Wäsche zum Wechseln zu schnappen, fallen. Zusammen mit dem Rest ihrer Vernunft. "Tanken Sie bitte erst an der Autobahn, erstmal 'raus hier!"

"OK, OK, Sie sind der Boss", gemütlich lehnte sich Kurt in seinem Sitz zurück, seine Welt war wieder in Ordnung, während die der Bodyguards gerade zusammenstürzte.
Max' Welt bröckelte nur etwas, viel Hoffnung hatte er sich eh nicht gemacht.
Mei Lis Welt war schon vor einiger Zeit schwarz geworden und Charlis fiel gerade in ihre Einzelteile auseinander.

Es war eine schwarze Limousine, die ihnen folgte. Natürlich folgte sie ihr, sie waren jetzt schon zweimal abgebogen und sie war immernoch da. Dann auf die Autobahn nach Süden – der schwarze Schatten folgte ihnen. Charli klapperte mit den Zähnen und Kurt drehte fürsorglich die Heizung auf. Ihm war egal, ob der Hoodie nervös war – vielleicht auf Drogen, wäre bei Besuchern dieses Clubs wirklich nichts Neues – die goldene VISA war alles, was für ihn zählte. "Vielleicht ein bißchen Musik?" versuchte er, die Spannung zu lockern. Nervös zuckte Charli zusammen "Musik? Ja, warum nicht, machen Sie nur..." murmelte sie und blickte wieder ängstlich nach hinten. Da! Die Augen! Sie war sich sicher, den stechenden Blick durch das blendende Scheinwerferlicht gespürt zu haben. "Können Sie nicht schneller...?" "Nu' ma' janz ruhig, Frollein, ick fahr so schnell wie ick darf, det können Se mir glooben!".

Dann wurde Charli tatsächlich kurz abgelenkt. "Oh, das bin ich!" Sie lächelte, als ihr zweiter Nr. 1 Hit aus dem Autoradio dudelte. Damals, als sie den Hit aufnahm, war die Welt noch in Ordnung. Sie nickte Kurts höfliche Komplimente ab und spürte dann wieder die Stiche in der Magengrube. Von den Augen. Den Augen aus der schwarzen Limousine hinter ihnen. Die auf einmal ein blauer Audi geworden war, aber sie war sicher, dass das nur ein Trick war, denn die Augen waren ja noch da. Aus dem Auto ihrer Eltern war ja auch ein Feuerball geworden, da war das mit dem Audi ja gar nichts dagegen! Autos konnten sich verwandeln, da konnte man ihr nichts vormachen. Sie zog die Kapuze ihres Hoodies noch enger zusammen. Die Täter waren damals nie geschnappt worden, wahrscheinlich war die ganze Hongkonger Polizei korrupt und von den Triaden bezahlt, die das Familienimperium unterwandern wollten, übernehmen wollten und dieses chinesische Mädchen... das steckte mit ihnen unter einer Decke! So musste es sein! Die Augen – es waren inzwischen zwei kleine Feuerbälle geworden – brannten sich vom ihnen folgenden Auto in ihre Eingeweide. Sie hatte ihnen doch gar nichts getan! Es musste ein Fluch sein, ja ein Familienfluch und das chinesische Mädchen hatte ihn ausgesprochen. Jetzt war sie hinter ihr und...

Kurt blinkte, um auf die Autobahntankstelle abzubiegen, die Tankfüllung neigte sich bedrohlich ihrem Ende zu. "NEIN!" Charli fuhr ihm ins Lenkrad "NEIN, SIE KOMMT! SIE DARF MICH NICHT..." Das Taxi machte einen eleganten Bogen. Das heißt, er hätte elegant werden können, leider wusste dieser eine LKW dummerweise nichts von der Choreographie und stand im Weg. "Billiard mit Feuerbällen" waren Charlis letzte Gedanken, das Taxi war der Spielball, der eine saubere Karambolage mit LKW und Tanklastzug hinlegte. Die Augen schauten zu und lächelten fies. Der Fahrer des blauen Audi fuhr unbehelligt weiter und erschrak sich nur kurz wegen der Explosion hinter ihm an der Autobahnausfahrt. Am nächsten Tag las er in der Zeitung, dass er nur knapp dem Unfall entkommen war und stieß erleichtert mit seiner Frau auf einen schönen Abend an.

Kurts Frau hatte keinen schönen Abend.

Max auch nicht.

Mei Li tanzte in ihrem Mädchenzimmer, das über und über mit Emre-Postern beklebt war.

Charlis Onkel unterschrieb weinend das Übernahme-Angebot.

Die nächste DSDS-Staffel startete am nächsten Samstag.

Kurzgeschichte
03-06-2012, 20:19
Der Kochkurs

Lieber Marek,
ich mache mich prompt nach unserem Telefonat an die Arbeit:
Entspannung, Sonne, Freunde und dazu auch noch zwei Promis kennenlernen, die einem auch noch etwas beibringen: Es hätte alles so schön sein können!
Den ersten Teil des Satzes hatte ich als Einstieg für die Stern-Reportage vorgesehen. Da sieht man mal wieder, dass man die Zukunft eben nicht derart vorhersehen kann. Erinnerst du dich an Arrogant-Michel, der seinen Kommentar zum Fussballspiel Lisboa vs. Manchester bereits in der Halbzeitpause an die Redaktion durchgab? „Haushoher Sieg von Manchester keine Überraschung“ lautete sein Titel, glaube ich. Und dann ging das in den Druck, da niemand mehr daran dachte, dass Lisboa in der 2 Halbzeit überraschend den Ausgleich erkämpft hatte…Was hatten wir – du und ich - beide damals gelacht!

Ich bin immer noch völlig durcheinander – verzeih, wenn meine Schilderungen deswegen teilweise etwas wirr seien könnten.
Es würde dir reichen, wenn ich mit meinem Bericht bei den letzten beiden Tagen vor dem „Vorfall“ (um deine Wortwahl zu verwenden) einsetze, hattest du gesagt. Lass mich eingangs trotzdem noch kurz auf den Tag unserer Ankunft in Madre Clou zurückkommen. Ich brauche das, um meine Gedanken sammeln zu können.

Die Anreise – der Flug, der Transport im Shuttle nach Madre Clou- war ohne die geringsten Probleme verlaufen. Wir waren zehn Personen - interessanterweise darunter sieben Männer, die den Kochkurs bei Macherl und Drexerl gebucht hatten. Meine Reisegenossen hatten ordentlich Geld hingelegt. Ich hingegen hatte das Glück, dass der „Stern“ mir das Ganze finanzierte. Als Gegenleistung sollte ich natürlich eine ordentliche Reportage liefern. Du kennst das ja. Für die Bilder war Dirk zuständig. Er sollte am letzten Tag hinzustossen.
Als ich auf die Terrasse meines Hotelzimmers trat, konnte ich den Anblick, der sich mir bot, kaum fassen. Zwar hatte ich um die berüchtigte Schönheit der Madre Clou-Bucht gewusst – aber es ist unmöglich, ihr mit schnöden Worten gerecht zu werden.
Madre Clou, ein Städtchen, dessen schlichte weisse Häuser so aussehen, als wären sie dem felsigen Abhang entwachsen, auf dem sie stehen, bietet von jedem Standort aus einen atemberaubenden Blick auf das kristallblaue Meer und besonders auf den –bis zur Baumgrenze-mit Pinientannen bewachsenen Berg gegenüber, auf dem dieses Ding thronte: Das majestätische Schloss, das den Mythen zufolge tatsächlich Jackie Onassis bewohnt hatte.
An diese Legende ist allerdings wohl nichts dran.

Das Ding- die Einheimischen nannten es „Wasserwerk-Schloss“ bestand aus drei Elementen, die – ich kann es nicht näher begründen- zusammengehören zu schienen. Mit der Hilfe des Fernrohrs konnte man Folgendes erkennen: Ein wahrhaftiges Schloss – oder eher eine Burg? – welches durchaus als Kulisse für einen Märchenfilm herhalten konnte. An seiner linken Seite ein riesiges Segelschiffsmodell (aus Stahl sei es, so erfuhr ich am Abendessen), welches fast die Grösse des Gebäudes erreichte. Gigantische Stahlrohre führten über einen felsigen Abschnitt bis zum Ende des Felsens, wo sie im Nichts mündeten… beziehungsweise frei über dem Meer endeten.
Versuche, mehr Informationen über diese Konstruktion zu erhalten, liefen allerdings ins Leere.

Einige Tage vor der Katastrophe am 5.7. unterhielt ich mich mit der Kassiererin im Hafengeschäft über ein monströses Schiff, das mitten in der Bucht „geparkt“ zu haben schien. Ich hatte noch nie ein so grosses und besonders hohes Passagierschiff gesehen! Meiner Schätzung zufolge – Marek, nun lach nicht. Das ist kein Witz und du weisst, dass ich ein ganz gutes Auge besitze…- entsprach die Höhe ab Deck einem mindestens achtzehnstöckigem Hochhaus.
„Wem gehört diese Fähre?“ fragte ich die Frau, während ich meinen Einkauf in Plastikbeutel packte.
„Hm. Sie kommt seit Jahren im Juli vorbei, geht vor Anker und bleibt dort für eine gewisse Zeit“, sagte sie und zuckte mit den Schultern. „Ich bin nicht von hier, ich bin erst seit drei Jahren hier. Hier hat mir noch niemand etwas über das Schiff erzählen wollen.“
„Von den Passagieren bekommt man ja so gut wie nichts mit“, sagte ich und reichte meine Kreditkarte rüber (ich erinnere mich, dass mir nicht so recht war, dass sie ein sehr verschmutzt wirkendes Ablesegerät verwendete).
„Sie haben keine an Bord. Mein Mann meint, dass sie hier in der Bucht Wartungsarbeiten durchführen würden.“
„Mitten in der Saison? Und mitten in der Bucht und nicht in der Reederei?“
Sie erwiderte mir, dass das ja nur eine Theorie ihres Mannes sei, der sich eben auch schon gewundert habe. Er hätte sich auch schon bei den Nachbarn erkundigt, aber keine Antworten erhalten.
Auch ich hatte kein Glück, als ich mich abends in der Taverne beim Wirt einzuschmeicheln versuchte. Er habe keine Ahnung, hiess es bloss, und: „Interessiert mich auch nicht weiter. Die Crew konsumiert viel und bringt viel Geld in die Kasse. Will halt unter sich bleiben.“
Nun, ich befand mich ja aus anderen Gründen hier und da ich beschlossen hatte, Kursgenosse Willy als einen typischen Kursteilnehmer zu porträtieren, auch genug zu tun. Denn der Willy (46) war sehr, sehr redselig…

Ich erlaube mir nun, etwas zu springen. Der Kurs – Schwerpunkt „Fisch und Meeresfrüchte“- entsprach jedenfalls dem, was seine Werbung versprochen hatte, daran lässt sich nicht rütteln. Die Kursteilnehmenden waren hellauf zufrieden und es herrschte ausgezeichnete Stimmung in der Gruppe. Oft gingen wir abends gemeinsam etwas trinken – auch die beiden Promis waren sich dafür nicht zu schade. Das war für mich und meine Reportage natürlich optimal.

Am 5.7. fand sich auf meinem Frühstückstablett vom Zimmerservice ein kleines Kärtchen. Heute wäre „Out door“-Kochen angesagt. Ich solle gegen 10:00 am Quai 2 sein.
Ich weiss noch, wie ich mir die Kleidung raussuchte und dachte, dass ich zu wenig eingepackt hatte. Schliesslich entschied ich mich für ein Poloshirt und normale Jeans, in deren Gesässtaschen mein Smartphone und Zigarettenpackung landeten. Für alle Fälle wickelte ich noch einen leichten Pullover um meine Schultern.
Erst als ich schon am Ziel war, stellte ich fest, dass ich aus Versehen die Duschlatschen des Hotels anstelle richtiger Schuhe trug.

Die Assistentin der Köche erwartete mich bereits. Neben ihr standen bereits Willy und sechs weitere Kursteilnehmende. Ich fragte mich, warum man uns nicht einfach gemeinsam vom Hotel abgeholt hatte, doch da fiel mir ein, dass jedes Kursmodul fakultativ war.
„Rettungswesten gibt es leider nicht“, sagte Anna abwinkend (bevor überhaupt jemand gefragt hatte) und führte uns zu einem Motorboot. „ Macherl und Drexel kommen später. Begebt euch einfach auf das oberste Deck des Schiffes.“
Während das Boot auf das monströse Schiff – ich bedauerte in diesem Moment, so lausig bis gar nicht bezüglich der Fähre recherchiert zu haben- zusteuerte, merkte ich wieder einmal, dass Wasser nicht mein Element ist. Die Anderen knipsten begeistert Bilder oder hielten ihre Iphones in die Höhe und suchten nach guten Motiven.

Irgendwann und zu meiner grossen Erleichterung drosselte der Bootsführer das Tempo. Als wir auf das Schiff zutuckerten, kam mir in den Sinn, dass ich mich nun auch viel näher am „Wasserwerk“ befand. Leider hatte ich nicht nur vernünftige Schuhe sondern auch noch mein Fernglas vergessen. Ich schützte mit der Hand meine Augen vor Sonneneinstrahlung und schaute auf den Berg. Das Silber des Segelschiffes reflektierte die Sonne offenbar ungemein. Anna murmelte im gleichen Moment: „Schaut euch das an! Als würde der Berggipfel brennen!“
Der Seegang hatte offenbar zugenommen, während wir mithilfe einer kleinen Treppe das Deck erklommen. Ich lehnte mich an die Reling und sah leicht verzweifelt nach oben. Wie sollte ich die ganzen Aussentreppen nur bewältigen?

„Wie gesagt, ihr sollt bis nach ganz oben gehen“, rief Anna und klatschte in die Hände.

Offenbar war ich der Einzige, der anfällig für Seekrankheit war und war etwas wegetreten gewesen. Demzufolge war ich auch die letzte Person – Anna war bereits wieder zum Festland unterwegs- die den Weg nach oben antrat.
Die ersten zwei oder drei Etagen, dass heisst Treppen aus Drahtgeflecht, konnte ich recht gut bewältigen. Mit Pausen und Atemübungen zwar, aber ich kam vorwärts. Dann war mir, als nähme der Wellengang oder die Unruhe des Schiffes weiter zu.

Schwankend ergriff ich das Geländer der nächsten Treppe. Sie schien steiler als ihre Vorgängerinnen zu sein. Die Übelkeit übermannte mich. Hinsetzen erschien mir als das Einzig Vernünftige. Mein Hintern erzeugte ein knirschendes Geräusch, als ich mich vorsichtig auf die Treppenstufen setzte. Vielleicht sollte ich Anna über meinen Zustand informieren? Ich erhob mich wieder, versuchte, das Handy aus der Gesässtasche zu holen… da schwankte das Schiff und ich klammerte mich schreiend an die Treppenstufe, während das Smartphone meiner Hand entglitt und durch den Spalt der Treppenstufen auf das Deck unter mir flog und umher rutschte.
Dieses Zittern, welches mich übermannte, werde ich nie vergessen. Es war leider auch nicht das Einzige, was mir auf diesem Schiff widerfuhr.
Natürlich wollte ich mich nach unten begeben und das Ding bergen. Doch mir ging sehr schnell auf, dass ich (oder etwas in mir? Vielleicht kann ich dir später näher erklären, was genau in mir vorging. Lass es uns hier mal einfach „tiefste Angstzustände“ nennen) blockiert war, ich brach jeden Versuch, mich nach unten zu bewegen, sehr schnell ab.
So nahm ich mir vor, mich später und mit der Hilfe der Anderen um die Angelegenheit zu kümmern.

Ich zwang mich, den linken Fuss auf die nächste Stufe zu setzen und setzte den linken Fuss langsam nach. Im Schneckentempo bewegte ich mich weiter nach oben. Dabei zog ich mich mit beiden Händen am Geländer entlang.

Als ich das übernächste Deck erreichte, stellte ich zu meinem Schrecken statt, dass ich das Deck queren musste, um die nächste Treppe zu erreichen. Selbstverständlich hatte ich- wie auch auf den ersten Etagen- immer wieder an den Türen der Kabinen in der Nähe gerüttelt. Aber nichts. Sie waren verschlossen.
Ich liess die Reling los und machte mich auf dem Weg zur anderen Seite. Oder erst mal zur Mitte des Decks. Dort befand sich eine natürlich leerstehende Bar, an deren Füssen ich mich festhalten konnte.
Der grüne Boden unter mir rumorte. Mir war, als senkte und hob sich das Schiff binnen einer Minute. Die Übelkeit in mir steigerte sich bis ins Unermessliche.
Tja, gekrabbelt bin ich schliesslich. Nur so konnte ich meine Übelkeit und meine Seeangst einigermassen unter Kontrolle halten.
Ich erreichte dann die Treppe. Treppe? Es war eine gottverdammte Leiter! Die sich auch noch so drehte, dass man teilweise über das offene Meer klettern musste! Ohne Netz und – nicht mal einfachen- Boden!

Nur noch sitzen bleiben und nichts mehr tun. Oder schauen, ob ich die Bar knacken könnte, mich in zwischen Bierfässer verstecken konnte und im besten Fall diese anzapfen könnte. Das ging mir durch den Kopf.
Doch dann machte ich weiter – lieber voran, als wieder zurückzukrichen.

Das Schlimmste war, als ich den 90°Umstieg auf die dritte Stufe (ab da ging die Leiter übers Meer) vollziehen musste.
Etwa auf der fünften Leiterstufe fiel mir die rechte Duschlatsche vom Fuss.
„Scheisse!“
Dann die linke.
„Scheissverdammtegrottenhimmelarschundzwirnscheiss!“ oder so ähnlich. Ich hörte direkt den Kommentar meiner Mutter.

Stufe acht (?). Mir war so schlecht. Ich hielt inne und versuchte, nach oben und nicht nach unten oder zur Seeseite zu blicken. Das Zittern meldete sich zurück.

Ich klammerte mich krampfhaft an die Leiter. Merkte, dass die Kraft der Hände nicht ausreichte, schlang also die Arme um die Sprossen. Der Knoten meines Pullovers löste sich… ich merkte, wie er von meinen Schultern glitt und nach unten fiel (immerhin nicht das berühmte Weihnachtsgeschenk meiner Mutter).
Ich weiss nicht, wie lange ich dort verharrte, aber ich erinnere mich, wie ich um Konzentration und Ruhe kämpfte, bis ich meinen Weg nach oben fortsetzen konnte.

Strickleitern.
Strickleitern.
Strickleitern.
Dieses Wort, bitte denke dir noch hundertmal, und füge deiner Imagination dann hinzu, dass diese Leitern allesamt nur noch über das offene Meer gingen.
Hattest du eine erreicht, so musstest du das schwankende Deck überqueren (ich robbte mittlerweile nur noch wie ein Baby mit den ersten Fortbewegungsversuchen) die Leiter ergreifen, dich an ihr festhaltend über die Reling schwingen, und nach oben klettern.

Die Zigaretten hatten sich nach drei heroisch erklommenen Leitern ebenfalls verabschiedet.

Die letzte Strickleiter: Ich war mittlerweile derart erschöpft, dass ich weder zu Gedanken noch Emotionen in der Lage war. Der pfeifende Wind liess meine Strickleiter hin und her baumeln, während ich – da auf der passenden Seite des Schiffes- wie ein nasser, an ihr geklammerter Sack, an ihr hing und registrierte, dass ich nahezu Details des Dings auf dem Berg erkennen vermochte.

Es ist wohl kurios: Denn zwar hatte ich an Höhe gewonnen, aber nicht an Nähe. Jedoch… ich sah, dass das glitzernde Segelschiff mit eingravierten Symbolen übersät war.
Ich könnte es nie vor Gericht bezeugen, aber mir war, als bewegten sich die silberfarbenen Segel etwas. Mein Blick glitt zu den Röhren und den schwebenden Röhrenenden. Tat sich da nicht etwas Ungewöhnliches? Ein Wasserfall, der sich ins Meer ergoss? Nein, ich könnte heute nichts beschwören. Vielleicht war ich zu dem Zeitpunkt auch nur ausgedörrt von der Sonne, der Höhenangst und Durst.

Durst. Durst war dann mein Antrieb, um überhaupt weiter zu klettern. Die finale Plattform!
Marek, ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr mich das Erreichen des „Ziels“ erleichterte. Ich zog mich hoch und Tränen schossen in meine Augen.

„Na, da bist du ja endlich, du Sack“ brüllte Willy.
„Hast du die Chefs mitgebracht?“ (Ulla, 59).
„Welch merkwürdige Materialbeschaffenheit für das oberste Deck.“ Das war da oben mein erster „richtiger“ Gedanke.
Es war, als befänden wir in einem riesigen Gummiboot (es gab auch keine Stühle oder Tische, jeder sass auf dem gepolsterten Boden). Was mir allerdings nicht ganz unrecht war, denn so blieb mir, wenn ich nicht aufstand, „der Panoramablick“ erspart.
Ich bemühte mich, den unvermeidlichen Sprüchen schlagfertig zu begegnen und fragte dann schliesslich nach, wie wir denn hier wieder runterkämen?
„Na, so wie hochkamen“, lachte Willy dröhnend. „Aufzug!“ Wie witzig.

Mir gefiel dieses Schwanken des Schiffes gar nicht. Wenn ich mich nur überwinden könnte, einen Blick aufs Meer und damit dem Wellengang zu werfen…
Schliesslich informierte ich die Andere, dass ich wegen Seekrankheit passen müsste. Unverständnis. Ich könnte DIESE Jungs doch nicht VERSETZEN, was mir denn einfiele? Ich: „Ich bin gerade noch vielleicht in der Lage, selbständig nach unten zu kommen. Was habt ihr davon, wenn ich euch vollkotze?“

Ich kürze ab, Marek. Ich beugte mich dann eben der Gruppendynamik. Wäre mir nicht so elend zumute gewesen, hätte ich mich schon behauptet. Oder wäre einfach heruntergeklettert.

Die Sonne knallte aufs Deck. Das Schiff schien mittlerweile hin und her zu schlingern. Ich setzte mich auf und liess mich dann schnell auf meine Oberarme fallen. Den Gesichtsfarben meiner Kameraden zufolge erging es nun auch nicht mehr besonders gut.
Dann rumste es auf der einen (welcher?) Schiffseite. Alle schrien auf. Meereswasser ergoss sich über uns. DAS konnte doch nicht sein! In solcher Höhe! Und wir befanden doch in keiner Schieflage?
Ein Rumsen von der anderen Seite. Dusche. Ich umklammerte den Gummibootrand und dann?


Klischeehafte Dunkelheit muss gefolgt sein, ich entsinne mich ihr jedoch nicht.
Dann:
„Wisigld.“
Salz im Mund. Brennendes Licht, als ich die Augen öffne. Schnell wieder schliessen.
„Wisigld!“
Schon wieder auf einem Boot?
Ewigkeiten (?) später. Ich liege im Hotelbett. Willy und Anna lachen mich an.
„Geht’s?“ fragt Anna mich freundlich und fächelt mir Luft zu. „Durst?“
„Du machst vielleicht Sachen! Das war ein Sturz, meine Herren…“ Willy plappert und ich verstehe nichts. „Da sieht man mal, was echt Pfannenqualität ausmacht! Sorry, ich wusste nicht, dass so ein lustiger Arschklappser dich derart herumspringen lässt und du dann direkt auf Ullas umgekippte Marinade ausrutscht und dir die Birne aufschlägst, har har!“
„Hoffentlich sind Sie morgen wieder fit!“ Anna bot mir ein Glas Wasser an. „Da geht es wieder aufs Schiff in der Bucht…“
„Toller Ausblick aufs Wasserwerk mit der Statue, nicht wahr?…“ Willy steht auf und verlässt gemeinsam mit Anna plaudernd mein Zimmer. Ich nehme das Telefon und meinen Laptop…

Man glaubt mir nicht, Marek!!!!! Man glaubt mir nicht! Hätte auf Deck 2 einen Unfall gehabt und einen Hitzeknall, da Willy meinen Sturz als Witz interpretiert hätte und alle anderen bereits in der Pause gewesen seien – so sei ich angeblich paar Stunden dort vor mich in der Marinade "herumgeröstet" (Zitat Willy)!

Diese Mail an dich ist die letzte Hoffnung, die ich habe. Ja, ich weiss… damals die Sache mit dem Jemen – da hatte ich wohl etwas überreizt reagiert (heute glaube ich auch, dass das Kamel kein Marsupilami war).
Oder die Delphi-Geschichte (aber ich habe sie gehört! Mitten in der Mittagssonne…die Stimmen der Priesterinnen im allerbestem Altgriechisch, die mich wie in einem Stück von Aristophanes besangen!). Oder damals das in San Marino und der Tür.

Hilf mir , oder ich muss endlich selber zur Tat schreiten…Marek, mein Freund – mein einziger, Weggefährte, Arzt! Oder Feind? Wer bist DU eigentlich? Was hast du da eigentlich GENAU mit „Welch glückliches Ende deines Abenteuers“ gemeint? Ich weiss nicht, ob ich es wagen sollte, meine Zeilen abzusenden. Es war wohl schon ein Fehler, sie überhaupt zu tippen...

Kurzgeschichte
03-06-2012, 20:20
50 Tage

Tag 1: Schreibwettbewerb Anfang. Themen: Happy End, Chaos und Verfolgungswahn. Gibt genug her für mindestens 7 Geschichten. Habe Word geöffnet.

Tag 2: -

Tag 3: -

Tag 4: Mir fällt kein Anfang ein. Sollte vielleicht einen klauen. Shakespeare? Werde in die Bibliothek gehen.

Tag 5: -

Tag 6: Habe Hamlet ausgeliehen. Shakespeare hat auch nur geklaut; das sind lauter aneinander gereihte Sprichwörter. Macht Mut, dass der Meister auch nur geklaut hat. Werde ich im Internet drauf hinweisen.

Tag 7: Habe Charakterbeschreibungen fertig. Bin skeptisch, ob 5 Wörter reichen.

Tag 8: Habe Anfang geschrieben. Schon 50 Wörter! In dem Tempo bin ich morgen fertig.

Tag 9: Mache Pause. Bin ja gut dabei.

Tag 10: Weiß nicht, wie es weitergehen soll.

Tag 11: Verdammt.

Tag 12: -

Tag 13: -

Tag 14: Zwinge mich, weiter zu schreiben. Beschließe, in Zeichen zu zählen, fühlt sich besser an.

Tag 15: 874 Zeichen mit Leerzeichen.

Tag 16: Das wird ein Meisterstück. 880 Zeichen.

Tag 17: Habe einen Flow. 920 Zeichen. Muss ins Bett. Hoffentlich ist der morgen noch da.

Tag 18: 925 Zeichen. Sollte vielleicht aufhören, Fragezeichen in dreifacher Ausführung zu schreiben bevor es nervig wird.

Tag 19: Ich hasse meine Hauptperson.

Tag 20: Bin wieder gut dabei. Lese Korrektur. 975 Zeichen.

Tag 21: Schreibe wie irre. 1000 Zeichen.

Tag 22: Flow nicht mehr so gut. Merke, wie ich mich selbst ablenke.
Tag 23: Beginne, mein Testament zu schreiben. Habe bemerkt, dass meine Hundeplüschtiersammlung das wertvollste ist, das ich besitze. Bekomme Depressionen.

Tag 24: -

Tag 25: Habe Kater. Nutze schlechte Stimmung zum schreiben um Gefühle zu transportieren. 1126 Zeichen.

Tag 26: Bemerke, dass Halbzeit gestern rum war. Bekomme langsam Torschlusspanik.

Tag 27: Nein, habe noch massig Zeit. 23 Tage. Fast 552 Stunden. 33120 Minuten. Sollte mir Pause gönnen.

Tag 28: -

Tag 29: -

Tag 30: -

Tag 31: Args. Was wollte ich da noch mal schreiben?

Tag 32: 1300 Zeichen mit Leerzeichen.

Tag 33: Werde keine Pausen mehr einlegen. Denke mir den Sumosmilie.

Tag 34: 1312 Zeichen mit Leerzeichen.

Tag 35: 1298 Zeichen.

Tag 36: 1290 Zeichen. Sollte aufhören, Korrektur zu lesen.

Tag 37: 1300 Zeichen. Es geht wieder vorwärts. Sollte Korrektur lesen.

Tag 38: Hasse Hauptperson immer noch. Habe gemerkt, dass er dem Pizzaliefermann sehr ähnlich ist. Hasse Pizzaliefermann jetzt auch. Werde ab sofort Asiatisch essen.

Tag 39: -

Tag 40: Sumosmilie

Tag 41: 1305 Zeichen.

Tag 42: Habe wertvolle Sachen gekauft für mein Testament. Fühle mich besser. Kann nicht schreiben, freue mich.

Tag 43: Noch 7 Tage. 1310 Zeichen (mit Leerzeichen).

Tag 44: Ziehe Tempo drastisch an. 1400 Zeichen.

Tag 45: Habe Urlaub genommen. 1525 Zeichen.

Tag 46: Habe Blockade. Noch 4 Tage.

Tag 47: So ein Scheiß. Überlege, alles hinzuwerfen.

Tag 48: Der Sumosmilie in meinem Kopf zwingt mich, weiter zu schreiben. 1600 Zeichen.

Tag 49: 1800 Zeichen. Wer braucht schon Schlaf (Sumosmilie)

Tag 50: 2354 Zeichen mit Leerzeichen. Möchte abgeben. Bemerke, dass der Schreibwettbewerb um 2 Wochen verlängert wurde. Fühle mich, als müsste ich kollabieren. Fühle mich gut, bin vor allen anderen fertig. Ha! Werde jetzt Schlaf nachholen. Sumosmilie.

Kurzgeschichte
03-06-2012, 20:21
Gronn und das glückliche Ende

Kolar kämpfte sich den Weg frei. Mit seinem Schwert hieb er auf die dichten Büsche und Äste ein, die ihm den Weg zum Gipfel des Berges versperrten. Dort oben in der Höhle lag der Sage nach der Stein der Tränen. Mit diesem Stein war es möglich, selbst in der Wüste eine Wasserquelle zu erzeugen. Kolar wollte sich mit diesem Stein aber etwas anderes ermöglichen: Wenn er ihn dem Oberhaupt des Dorfes überreichte, würde er dessen Tochter Viri heiraten dürfen. Sie war all die Mühe wert, die es ihn kostete, auf den Berg zu gelangen. Außerdem hatte er die Hilfe seines Gottes Gronn erbeten und wusste daher, dass er Erfolg haben würde. Auf Gronn war Verlass.

Gronn hatte den Höhleneingang teilweise freigelegt, gerade genug, um ihn sehen zu können, aber ihn auch noch für versteckt halten zu können. Nun sah er zufrieden zu, wie Kolar den Berg erklomm. Der Held würde den Stein finden, ihn nach Hause bringen, seine Angebetete heiraten und es gäbe ein glückliches Ende. Gerade noch rechtzeitig.
Doch was war das? Auf der anderen Seite kletterte eine junge Frau über die steilen Felswände nach oben. Kleidung und Ausrüstung zeichneten sie als Diebin aus, dunkel und unauffällig. War sie auf eigene Faust unterwegs? Dann stellte sie kein Problem dar. Doch es durfte nichts schief gehen, Gronn musste das glückliche Ende erreichen. Er sah sich um und entdeckte sie: Tulai, die Göttin der Diebe, saß drei Wolken weiter und schaute zufrieden auf die junge Frau hinab. Gronn stürmte zu Tulai und knurrte: „Welche Aufgabe?“
Tulai blickte gelangweilt hoch. „Glückliches Ende: Sie klaut den allerriesigsten Diamanten der Welt und wird reich und berühmt und blablabla. Warum?“, fragte sie zurück.
„Das ist der Stein der Tränen und er ist für mein glückliches Ende vorgesehen!“, polterte Gronn. „Du kannst nicht einfach herkommen und ihn vor der Nase meines Helden wegklauen lassen!“
„Doch, kann ich“, sagte Tulai und lächelte genüsslich.
Gronn brach zusammen. „Aber ... aber heute Abend ist mein Jahrhundert vorbei und ich habe erst neun glückliche Enden erzeugt. Du weiß, was das heißt“, stammelte er.
Tulais Lächeln wurde zu einem Grinsen. „Ja, du verlierst den Götterstatus wegen Nichterfüllung der Auflagen und wirst zu einem Kobold“, sagte sie.
Gronns Verzweiflung war so groß, Tulai konnte ihre Schadenfreude nicht aufrecht erhalten. „Oh, ok, wir reden darüber“, seufzte sie und ließ die Felswand etwas bröckeln. Die Diebin fiel ein Stück hinunter und hing in ihren Sicherungsseilen; der sorgfältig ausgesuchte Weg war unbrauchbar geworden.
Gronn ließ einen kleinen Drachen vor Kolar erscheinen. Da der „kleine Drache“ die Größe eines ausgewachsenen Baumes hatte, war auch Kolar ausreichend beschäftigt.
Tulai lehnte sich entspannt zurück. „Und? Warum bist du so spät dran?“, fragte sie.
Gronn setzte ein schuldbewusstes Gesicht auf. „Ich geb’s ja zu, ich hab’s verbummelt. Du weißt doch selbst, wie anstrengend diese glücklichen Enden sind und wie wenig Spaß sie machen. Keine Ecken und Kanten, alles so rosig. Ich habe halt die anderen Aufgaben gemacht und mich von den glücklichen Enden aus dem letzten Jahrhundert erholt“, brummelte er.
Tulai musterte ihre Fingernägel. „Ich mache meine ja immer im ersten Jahr und habe dann 99 Jahre Spaß“, tat sie kund.
„Das ist ja sehr schön für dich“, leierte Gronn. Ihm ging ein Licht auf. „Dann hast du ja noch ganz viel Zeit und brauchst das hier gar nicht!“, rief er.
„Doch, sicher brauche ich das. Es ist mein letztes glückliches Ende. Ich will die ja hinter mir haben. Es ist doch nicht meine Schuld, wenn du das auf den letzten Drücker machst“, sagte Tulai. „Meinetwegen kann es zum Kampf kommen“, fügte sie hinzu.
Gronn stöhnte auf. Kolar war ja ganz niedlich als Dorfheld, aber mehr auch nicht. Die Diebin würde ihn zum Frühstück verputzen. Gronn schaute auf Kolar hinab – der in einer Blutlache lag. „Oh. Vielleicht war der kleine Drache doch ein wenig zu groß“, sagte er tonlos.
Tulai lächelte und baute ein paar Felsvorsprünge in die Wand ein. „Fein, dann störst du jetzt wohl nicht mehr“, sagte sie und wandte sich ihrer Aufgabe zu.
„Warte, der ist noch nicht hinüber!“, rief Gronn verzweifelt. „Der wird noch wieder!“
Tulai lachte. „Dein Glaube an dich in allen Ehren, aber darauf kann ich nicht warten. Lass mich in Ruhe arbeiten.“ Sie blickte nicht mal mehr auf und widmete ihre ganze Aufmerksamkeit nun der jungen Diebin.

Gronn überlegte. Für ein ganz neues glückliches Ende blieb ihm keine Zeit mehr. Er musste aus dieser Situation rausholen, was er konnte. Er erschuf schnell eine Horde Flugmonster, die seinen Drachen angriffen, erlegten und davon flogen. Sollte jemand anders sehen, wie er mit ihnen fertig wurde. Gronn ließ den Drachen neben Kolar fallen, damit das Blut des Drachen auf ihn lief. Drachenblut half schließlich gegen fast alles.
Es wirkte. Kolars Wunden wuchsen wieder zusammen und er kam zu sich. Er war sichtbar voller Stolz, den Drachen besiegt zu haben. Gut, das würde ihm Zutrauen für seine neue Aufgabe geben. Aber welche? Welches glückliche Ende konnte er jetzt noch erreichen? Gronn war ratlos. Was machte ein glückliches Ende aus? Wieso überhaupt Ende? Wenn Kolar jetzt gestorben wäre, wäre es ein Ende gewesen. Allerdings wohl eher ein unglückliches. Überhaupt sind die meisten Menschen nicht sehr glücklich, wenn sie sterben. Aber nur dann war es doch ein echtes Ende. Es konnte allerdings ein Glück sein, wenn jemand anders starb. Manchmal. Ansonsten betrachteten die Menschen es wohl eher als Glück, wenn sie nicht starben. Na also, und Kolar war nicht tot! Es war sozusagen ein glückliches Nicht-Ende. Das sollte selbst der Prüfungsausschuss so sehen. Gronn überzeugte sich von Kolars Lebendigkeit und machte sich erleichtert auf den Weg zu seiner Jahrhundertanhörung.

„Prinzip nicht verstanden“, brummelte der Kobold Gronn vor sich hin. „Die sollen mich bloß alle in Ruhe lassen. Wenn ich das schon höre! Prinzip!“
Zum Glück war dies noch lange nicht das Ende von Gronns Leben.

Kurzgeschichte
03-06-2012, 20:24
Engelbert und die Sache mit den Frauen

Mein Liebesleben war immer Chaos pur. Unter "Liebe" verstehe ich in diesem Fall sowohl die rein körperliche Leidenschaft als auch das große Gefühlsorchester. In meinem Fall kam es bisher weder zu dem einen, noch zum anderen.

Ich wurde unter dem Sternzeichen Unglücksrabe, Aszendent Pechvogel, geboren. Mein Anblick war schon als Kind nicht dazu angetan, Müttern, Omas und Tanten spitze Schreie des Entzückens zu entlocken. Kümmerlicher Haarwuchs, abstehende Ohren, sechs Dioptrien Kurzsichtigkeit, die mit entsprechend dicken Brillengläsern ausgeglichen wurde. Klassenkleinster und beliebte Zielscheibe beim Völkerball. Vorname: Engelbert. Die einzige physische Zuwendung, die ich in meiner Kindheit erfuhr, war die tröstende Hand von Mama, die mir ab und zu den Hinterkopf tätschelte und dabei gehaltvoll seufzte. Ihrer Anhimmelei des britischen Schnulzensängers Engelbert Humperdinck verdanke ich übrigens auch meinen gehassten Namen.

In der Pubertät wurde es nicht besser, im Gegenteil. Mamas zärtliche Klapse blieben irgendwann ganz aus, meine Nase wuchs zu einem gigantischen Zinken heran, und in meinem Gesicht erblühte eine fruchtbare, eitrige Kraterlandschaft. Gleichzeitig schüttete ich seltsame Hormone aus, die meinen Blickwinkel auf das weibliche Geschlecht stark veränderten, und meinem Pipihahn eine Zusatzfunktion überantworteten. Dieser Bonus war das einzig Positive in dieser Zeit des Wandels. Als ich entdeckte, dass ich mir mit einer relativ simplen, stets wiederkehrenden Bewegung einen Haufen wundervoller Gefühle bescheren konnte, gab es kein Halten mehr. Ich hatte in dieser feindlichen, kaltherzigen Welt einen wahren Freund gefunden, der mich - zumindest damals - nie enttäuschte. Natürlich betrieb ich mein neues Hobby streng geheim. Bis zu dem Tag, an dem mich Mama im Kinderzimmer überraschte.

Ich pflegte damals, wie man sich vorstellen kann, nicht sonderlich viele soziale Kontakte. Vielmehr entwickelte ich mich zügig zum Bücherwurm, verschlang alles, was mir zwischen die Finger kam. So war Mama auch nicht überrascht, als ich mich eines sonnigen Nachmittags mit den Worten "Ich geh mal meinen Winnetou weiterlesen" in mein Zimmer zurückzog. Vor einer ungebetenen Überraschung fühlte ich mich sicher, denn das Mutterschiff bügelte einen ganzen Stapel von Papas weißen Hemden und lauschte dabei der neuesten Langspielplatte ihres geliebten Engelbert. "Please release me let me go..." durchdrang der Schmusebarde selbst die geschlossene Tür des Kinderzimmers. Aber auch das konnte mich nicht davon abhalten, mir schnurstracks Jeans und Unterhose runterzuziehen und mich hoch erhobenen Mittelstücks auf das Bett zu werfen. Winnetou musste warten, zuerst wollte die Silberbüchse gründlich poliert werden. Eben hatte ich meinen Schuss abgefeuert und tastete mit zittrigen und klebrigen Fingern nach den Papiertaschentüchern unterm Kopfkissen, als Mama mit den Worten "Hast du eigentlich schon ...." völlig überraschend und ohne anzuklopfen ins Zimmer kam. Der Rest ihrer Frage ging in einem bedrohlichen Gurgeln und Röcheln unter. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie auf den zuckenden kleinen Engelbert ihres zweiten Engelberts. "Mein Gott, Berti!!" krächzte sie, drehte sich um und eilte zurück zur Bügelwäsche.
Das Thema wurde nie wieder angesprochen. Nur der Stapel BRAVO-Hefte in meinem Schrank war Tags darauf auf wundersame Art verschwunden. Ich schlich in den nächsten Monaten wie ein verurteilter Massenmörder durch die Wohnung und mied die vorwurfsvollen Blicke meiner Mutter. Das Chaos in mir wuchs direkt proportional zu meiner Schweigsamkeit.

Auch in den folgenden Jahren gab es keine Erfolgserlebnisse an der Liebesfront. Während meine Klassenkollegen nach dem Wochenende mit ausschweifenden Parties, Geschmuse, Petting und "Vollzug" prahlten, hatten meine 18-jährigen Lippen noch niemals die Haut eines Mädchens berührt. Selbst übereifrige Masturbation konnte die triebhaften Gedanken nicht aus meinem Kopf verbannen, und sobald im Bus nur ein halbwegs ansehnliches Mädchen neben mir vor sich hin duftete, bekam ich schon eine Erektion. Es musste etwas geschehen.

Und es geschah, wenn auch anders als geplant. Ich war inzwischen 19 geworden, die eitrigen Krater in meinem Gesicht hatten sich auf ein überschminkbares Maß zurückgebildet und die damals modische Langhaarfrisur der 70er Jahre überdeckte vorteilhaft meine Segelohren. Von meinem ersten Gehalt als Verkäufer in einem Elektronik-Laden leistete ich mir Kontaktlinsen und ein paar schicke Klamotten. Ich wappnete mich für den ersten Discobesuch meines Lebens, in der Hoffnung, zumindest für die wenigen Minuten eines langsamen Tanzes einem dieser herrlichen Geschöpfe nahe zu sein.
Die "Tenne" war keine Disco im eigentlichen Sinn, sondern vielmehr der Tanzsaal des größten Hotels in unserer langweiligen Kleinstadt. Holztische mit Kerzen und Aschenbechern, Holzstühle mit einem ausgeschnittenen Herz in der Rückenlehne, eine holzgetäfelte Bar mit einer Batterie Schnapsflaschen vor einer Spiegelwand. An der Decke drehte sich die obligatorische Discokugel, ein Discjockey nuschelte zwischen den einzelnen Songs gelangweilt und lustig gemeinte Kommentare ins Mikrofon. Als ich gegen 21 Uhr ankam, war die Tanzfläche noch fast leer. Zwei mollige Landpomeranzen und ein Paar in den 30ern zuckte zu "Ballroom Blitz" von Sweet vor sich hin. Obwohl ich zuvor heimlich noch zwei tiefe Schlucke aus der Wermuth-Flasche in der elterlichen Hausbar genommen hatte, war ich aufgeregt. Ich setzte mich auf einen Hocker an der Theke, um einen guten Blick auf das Geschehen zu haben, und orderte meinen ersten Barcadi-Cola. Nach dem zweiten Drink wippte ich mit dem Fuß zu Boney M. und "Ma Baker", langsam begann sich die Tenne zu füllen. Ich fühlte mich den Umständen entsprechend gut, und hatte auch schon zwei, drei Mädels im Visier.

Nach dem dritten Barcadi-Cola auf leeren Magen war ich bereit für das große Abenteuer. Und als der DJ "Samba Pa Ti" von Santana auf den Plattenteller legte, erhob ich mich etwas wackelig von meinem Hocker und steuerte auf einen Ecktisch zu, wo eine hübsche Dunkelhaarige kettenrauchend Kringel in die Luft blies. Ihre unscheinbare, bebrillte Freundin war wohl gerade auf der Toilette, der Wind stand also günstig.
"Hallo, willst du tanzen?" fragte ich durch die Wand aus Rauchschwaden. Sie musterte mich von oben bis unten, dann drückte sie die Zigarette im Aschenbecher aus und stand auf. Ich lächelte. Na also, geht doch.
Auf der Tanzfläche legte sie beide Arme um meinen Hals, ich meine um ihre Hüften - und so wiegten wir uns unbeholfen zu Carlos Santanas magischer Gitarre. Ich sog den Duft von Apfelshampoo in mir auf, wir sprachen kein Wort. Den Gedanken, dass hier und heute möglicherweise der erste Kuss meines Lebens in der Luft schwebte, unterbrach der Discjockey mit Deep Purple und "Smoke on the Water". Ich brüllte meiner Tanzpartnerin "Möchtest du etwas trinken?!" ins Ohr, sie nickte und kurz darauf saßen wir an der Bar. Sie nippte an einer Cola mit Zitronenscheibe, ich an einer mit Barcadi.
"Wie heißt du?" schrie ich.
"Angelika! Und du?" schrie sie zurück.
"Engelbert!"
Sie zuckte mit den Achseln und zündete sich eine Zigarette an. Beide beobachteten wir die Tanzfläche, wo nun Baccara den Takt vorgaben. Sie gelangweilt, ich verlegen. Bei der nächsten langsamen Nummer würde ich sie wieder zum Tanzen auffordern. Der DJ ließ mich nicht lange warten und als die ersten Takte von "Ginny Come Lately" erklangen, ergriff ich einfach ihre Hand und entführte sie zu den Tänzern. Es war kein Widerstand zu spüren, und wie vorhin schmiegten wir uns aneinander. Nach der ersten Strophe des Albert-West-Songs sahen wir uns kurz in die Augen und ich spürte, dass der Augenblick gekommen war. Jetzt oder nie. Ich näherte mich mit meinem Mund ihren Lippen und sie ... kam mir entgegen.

Millionen Male hatte ich mir den ersten Zungenkuss in allen Einzelheiten ausgemalt. Wie sich unsere Lippen sanft berühren würden, sich langsam öffnen und unsere weichen Zungenspitzen zärtlich auf Erkundungsfahrt gehen würden. Doch Angelika hatte scheinbar andere Vorstellungen. Kaum hatten unsere Lippen Kontakt hergestellt, bohrte sie mir keuchend ihre Zunge in den Mund, wo sie herumzappelte wie ein sterbender Fisch. Ich war zutiefst erschrocken und wollte sie in einer ersten Reaktion von mir drücken - doch die dunkelhaarige Schönheit schien meine Ambition misszuverstehen, packte mein Gesicht mit beiden Händen und schob mir den glitschigen Lappen noch tiefer in den Hals. Ich war versucht, dem zuckenden Goldfisch - der übrigens bestialisch nach Aschenbecher schmeckte - einfach den Kopf abzubeissen, als mein sensibler Magen mit dumpfem Grollen SOS signalisierte. Ich war ein Vulkan kurz vor dem Ausbruch, und ehe ich in angemessener Weise reagieren konnte, wechselten vier Barcadi-Cola per Direktabfüllung den Besitzer. Angelika zeigte sich über die kostenlosen, inzwischen warm gewordenen Longdrinks wenig erfreut, und zuckte mit einem Todesangst-Schrei, der jedem Splatterfilm zur Ehre gereicht hätte, zurück. Mit ungläubig aufgerissenen Augen stand sie vor mir, meine Kotze tropfte ihr vom Kinn und sie verpasste mir zuerst eine schallende Ohrfeige, dann einen kräftigen Boxhieb in den Bauch, worauf ich auch noch den elterlichen Wermuth in die Freiheit entließ. Wut, Scham, das Reihern und nicht zuletzt der Magenhaken trieben mir Tränen in die Augen ... und spülten so meine rechte Kontaktlinse hinfort.
Meine Eroberung lief laut schluchzend Richtung Damen-WC, und ich nutzte die allgemeine Aufregung, um mich unauffällig und halb blind aus der "Tenne" zu verdrücken. Dazu besangen Sailor "Girls, Girls, Girls".

Das war in den 70ern, aber auch ohne Facebook, Handy und SMS verbreitete sich die Nachricht von Engelbert, der einem Mädchen in den Mund gekotzt hatte, wie ein Lauffeuer. Die Chancen, in absehbarer Zeit meine Jungfernschaft zu verlieren, waren von Null auf minus 100 gesunken. Acht Monate später übersiedelte ich in die anonyme Großstadt, nahm einen Verkäuferjob in einem Baumarkt an und hoffte, das Chaos endgültig hinter mir gelassen zu haben. Mein neues Leben konnte beginnen.

Mit 22 Jahren war ich immer noch unberührt. Gut, ich hatte jetzt eine eigene Wohnung und musste nicht mehr fürchten, dass mich Mama bei meinem Lieblingshobby überrascht. Befriedigend war die Situation jedoch in keiner Weise. Die Großstadt war kein Schlaraffenland, wo hübsche Frauen in Straßencafés saßen und mir aufreizend zulächelten. Im Gegenteil. Jeder und jede schien so mit sich selbst beschäftigt, so verschlossen, dass ich mir bald wie ein Außerirdischer auf einem fremden Planeten vorkam.
An einem Sonntag Vormittag las ich wie üblich gelangweilt die Zeitung, überblätterte rasch den Teil mit den Kleinanzeigen, als mein Blick auf die fettgedruckte Überschrift KONTAKTE fiel. Natürlich! Was war ich doch für ein Idiot gewesen. Heutzutage lernt man sich über Zeitungsinserate kennen, dachte ich und mein unschuldiges Herz schlug etwas schneller. Mit Feuereifer machte ich mich über die Kontaktanzeigen her ... und musste rasch erkennen, dass die hier inserierenden Damen wohl dem ältesten Gewerbe der Welt nachgingen. "Monika - Hausbesuche ohne Tabu" hieß es da. Oder: "Reife Rubenslady besorgt es dir".
Es war ein Sonntag der Erkenntnisse. Neugierig studierte ich jede einzelne Anzeige und merkte, wie der kleine Engelbert an die Hosentür klopfte, um sein Verlangen, endlich Bekanntschaft mit seinem weiblichen Gegenstück schließen zu dürfen, kundzutun. Warum eigentlich nicht? Die Sache würde zwar ein bisschen was kosten, aber Geld war das geringste Problem. Ich hatte ja außer Miete und Lebensmitteln kaum Ausgaben, und so blieb trotz meines bescheidenen Gehalts am Monatsende immer noch etwas übrig. Und das beste daran: Kein wochenlanges Kennenlernen, wo ich ohnehin nicht wusste, was ich sagen sollte. Kein Liebes-Chaos. Ich begann das Projekt "1. GV", wie ich es im Stillen nannte, strategisch zu planen.

Zunächst musste ein neues Bett her, denn in dem quietschenden Klappergestell, das mein Vormieter zurückgelassen hatte, wollte ich meine Jungfernschaft keinesfalls verlieren. Zum Glück hatte vor wenigen Monaten ein schwedisches Selbstbedienungs-Möbelhaus am Stadtrand eröffnet, wo ganz nette Schlafstätten aus hellem Kiefernholz zu moderaten Preisen angeboten wurden. Mein Chef zeigte sich großzügig und ich durfte mir übers Wochenende einen alten Baumarkt-Lieferwagen leihen. Ganz kostenlos.
Schon am nächsten Samstag Nachmittag konnte ich mit dem "kinderleichten" (O-Ton des Verkäufers) Aufbau beginnen. Knapp fünf Stunden und hundert Flüche später stand "Nyvoll" samt neuer Matratze und frisch bezogener Bettwäsche vor mir. Es sah toll aus und ich war stolz auf mich. Ich legte mich vorsichtig hinein, atmete den frischen Holzduft, und stellte mir vor, wie sich schon bald eine langbeinige Strapslady oder eine versaute Jaqueline um mich kümmern würde. Knapp fünf Minuten später war das Schwedenbett eingeweiht.

In den nächsten Tagen putzte ich die Wohnung auf Hochglanz, kaufte zwei Flaschen Sekt, gesalzene Erdnüsse und ein paar Kerzen. Und natürlich studierte ich aufmerksam und täglich die Seite mit den Kontaktanzeigen, um die richtige Dame für mein Projekt auszuwählen. Alle in die nähere Auswahl kommenden Inserate schnitt ich säuberlich aus und klebte sie auf ein Blatt Papier. Freitag sollte der große Tag sein, und so saß ich am Donnerstag Abend vor 15 potenziellen, ganz unterschiedlichen Kandidatinnen. Ein Schlaraffenland, und die Wahl fiel schwer. Schließlich entschied ich mich für "Busenwunder OLGA erfüllt deine geheimsten Wünsche". Meine Wünsche waren gar nicht so geheim, aber große Brüste konnten nicht schaden.

Freitag Abend, kurz nach 20 Uhr, saß ich in meinem nach Putzmittel und Vanillekerzen duftenden Wohnzimmer und qualmte es mit Zigarettenrauch voll. Ich war elendig nervös und mein Darmtrakt spielte mir übel mit. In heißen Wellen überflutete mich der Drang, eine Entleerung vorzunehmen, doch das erschien mir ausgeschlossen. Jeden Augenblick konnte das zuvor telefonisch bestellte Busenwunder seine Aufwartung machen – und ich wollte nicht auf der Toilette sitzen, wenn es klingelnd Einlass begehrte. Von der Geruchsbelästigung ganz abgesehen. Also drehte ich ein paar Runden durch die Wohnung und inhalierte ein Nikotinstäbchen nach dem anderen. Eine Viertelstunde später ging „Projekt 1. GV“ in die finale Phase.

Olga war eine sehr üppige und sehr wasserstoffblonde Erscheinung. „Du bist Ängälberrrrt?“ begrüßte sie mich mit unüberhörbar osteuropäischem Akzent. Sie war etwa einen halben Kopf größer als ich, und soweit ich unter dem großzügig aufgetragenen Make Up erkennen konnte, wohl Mitte 40. Das alles entsprach zwar nicht unbedingt meinen Erwartungen, doch immerhin trug ihr Vorbau das Attribut „Wunder“ durchaus zu recht.
„Ein Glas Sekt?“
„Gärnä.“
Mein nervöser Magen quittierte den Empfang der Alkohol-Kohlensäure-Mischung mit einem laut hörbaren Gurgeln und Glucksen. Nun, in diesem Geschäft ist Zeit tatsächlich Geld. Also wechselte zunächst die vereinbarte Summe den Besitzer, ehe Olga mich aufforderte: „Komm, gähen wir Bätt!“.

Hier lag ich nun, mit offenem Hemd und freiem Unterkörper, während Olga mit professionellen Griffen versuchte, den schlaffen Aggregatzustand von Ängälberrrt junior zu verändern. Leider waren ihre Bemühungen nicht von Erfolg gekrönt, und das hatte mehrere Ursachen. Zum einen hatte sich die stattliche Russin (oder was immer sie war) inzwischen auch ihrer Kleider entledigt, was ein Paar haarige Waden, und mehr fleischliches Übergepäck als meiner Libido zuträglich war, zutage förderte. Außerdem gab „Nyvoll“ bei jeder Bewegung des Busenwunders ein sorgenvolles Ächzen von sich. Zum anderen waren meine Eingeweide noch immer in Aufruhr, und ich brauchte meine volle Konzentration, um nicht unabsichtlich eine Flatulenz in die Freiheit zu entlassen. All dies wollte beim kleinen Engelbert so gar keine erotische Stimmung aufkommen lassen.
Doch Olga, Profi durch und durch, ließ sich nichts anmerken. Unbeirrt setzte sie ihre Bemühungen fort.... und siehe da: wenige Minuten später gehorchte mein sonst so treuer Gefährte doch noch dem Ruf der Natur. Kaum hatte mein kleiner Soldat Haltung angenommen, wollte meine Besucherin die Gunst der Minute nützen und erklomm schwungvoll den Damensattel. Doch meine frisch zusammengeschraubte schwedische Bettstatt war nun endgültig überfordert. Ob es nun an meinen handwerklichen Fähigkeiten oder am Körpereinsatz der Liebesdienerin lag, sei dahingestellt – jedenfalls brach „Nyvoll“ in diesem Moment mit lautem Getöse splitternd in sich zusammen. Und damit fiel auch der von Olga in mühsamer Handarbeit errichtete Turm wie ein Fabrikschlot bei der Sprengung um.

So endete dieses Liebesabenteuer ebenfalls im Chaos. Beim Zusammenbruch des Bettes rammte sich die Olga einen XL-Holzsplitter in den fleischigen Unterarm, fluchte lautstark in ihrer Muttersprache und sprenkelte mit Blutstropfen mein blütenweißes Laken. Während ich erschrocken aufsprang, um Heftpflaster aus dem Badezimmer zu holen, entfleuchte der lange zurückgehaltene Darmwind mit Pauken und Trompeten. An meine Entjungferung war nicht mehr zu denken. Das Busenwunder flüchtete, notdürftig verarztet, Hals über Kopf aus meiner Wohnung. Ich stand vor den Trümmern von „Nyvoll“ und meines Liebeslebens. Und dachte über die Anschaffung einer aufblasbaren Sexpuppe nach.

Kurzgeschichte
03-06-2012, 20:25
Der Fremde

"Bernd! Holst du mal die Sektgläser aus dem Schrank?!"
Keine Reaktion. Nora seufzte und stellte den Stapel Dessertteller auf die Anrichte. Verdammt, musste sie denn wirklich immer alles alleine machen? In drei Stunden kommen die Gäste und sie wollte noch ein Bad nehmen.
"Bernd, könntest du wenigstens ..." Als sie leicht ungehalten in das Wohnzimmer kam, hielt sie inne. Natürlich, sie hätte es sich denken können. Ihr Freund saß mit dem Handy, das seit Jahren an ihm festgewachsen schien, auf dem weißen Ledersofa.
"Ja... Genauso machen wir das, Herr Lackner .... Ich verstehe ..."
Mit großen Gesten deutete er auf das Telefon, formte mit dem Mund stumme Worte und zuckte bedauernd mit den Achseln.
"Ja, gleich nach den Feiertagen, Sie können sich auf mich verlassen ..."
Nora machte auf dem Absatz kehrt und verschwand wieder in der top-ausgestatteten Küche, wo sie seit Stunden Roastbeef, Mango-Salat mit Garnelen, scharfe Chicken Wings, mexikanische Salsa und kleine Schokolade-Küchlein vorbereitet hatte.

Silvester. Mein Gott, langsam war sie es leid. Jedes Jahr das gleiche Theater. Ein paar Freunde und Geschäftspartner von Bernd, natürlich mit weiblichem Anhang. Dass die Damenbegleitung von Jahr zu Jahr variierte, schien die einzige Abwechslung zu sein. Küsschen links, Küsschen rechts, reichlich Alkohol, ein "Mmmmhhh!" als Belohnung für ihre stundenlange Schufterei in der Küche, oberflächliches Gerede, und um Mitternacht unter großem Gejohle geköpfte Champagnerflaschen auf dem Balkon unter dem lauten Raketenhimmel.

Nora polierte die Sektflöten mit einem weichen Küchentuch. Ja keine fettigen Fingerabdrücke, das gäbe böses Gerede. Da war Bernd heikel. Mein Gott, warum regte sie sich auf? Warum konnte sie nicht zufrieden sein mit dem, was sie hatte? Einen verantwortungsvollen Job in einer angesehenen Kölner Werbeagentur, sehr gut bezahlt versteht sich. Sie fuhr einen schwarzen BMW mit weißen Ledersitzen, und führte seit sieben Jahren eine harmonische Beziehung mit Bernd, einem erfolgreichen Anlageberater. Sie hatten sich auf einer dieser langweiligen Agenturparties kennen gelernt. Er sah gut aus, glänzte mit machohaft angehauchtem Charme, und machte ihr eine Menge Komplimente. Dafür war sie zu dieser Zeit sehr empfänglich, denn ihr letzter Freund, von dem sie sich vor wenigen Monaten endlich getrennt hatte, war mit Komplimenten sehr spärlich umgegangen. Seine Stärke war eher das Nörgeln gewesen. Bernd lud sie für den nächsten Abend in ein Drei-Sterne-Restaurant ein, eine Woche später waren sie offiziell ein Paar.

Natürlich wusste Nora, was in ihrem scheinbar so perfekten Leben, um das sie viele beneideten, fehlte. Auch wenn sie es nicht richtig ausdrücken oder erklären konnte. Seit gut zwei Jahren saß ein kleiner Teufel (oder war es ein Engel?) in ihrem Herzen und quälte sie.
Aus einer knisternden Tüte schüttete sie Kartoffelchips, Geschmacksrichtung Paprika, in eine Kristallschale.
Selbst Jasmin, ihre beste Freundin, verstand sie nicht. "Kindchen" hatte sie gesagt (Kindchen war ihr Lieblingsausdruck), "Kindchen, ich weiß nicht was du willst. Du jammerst, dass du zu Weihnachten nur Geschenke mit einem Stecker von Bernd bekommst, anstatt mal ein Liebesgedicht oder sonst einen romantischen Quatsch. Deine Sorgen möchte ich haben!" Jasmin war eine pragmatische, rationale Frau, für die ein herzeigbarer Kerl mit gewissen Bettqualitäten, ein geiler Job und Party das bestmögliche Leben war. Nora hatte ihr nie von der nächtlichen Begegnung mit dem Fremden in Berlin erzählt. Aber selbst das hätte ihre Meinung wahrscheinlich nicht geändert. Jasmins Devise war "Never change a winning team".

Das Roastbeef schmorte bei 80 Grad im Ofen langsam vor sich hin (Garen bei Niedrigtemperatur war gerade sehr angesagt), der Tisch war hübsch gedeckt, der Champagner kalt gestellt. Nora freute sich jetzt auf ein entspannendes Schaumbad, ehe die Gäste eintrudelten.
Sie ging ins Bad, zog den olivgrünen Pulli und die Jeans aus, und stellte sich in Slip und BH vor den Spiegel. "Für eine Frau, die in ein paar Jahren ihren Fünfzigsten feiert, sehe ich eigentlich ganz passabel aus" dachte sie zufrieden. Sie hatte die Rundungen an den richtigen Stellen, und mit den paar kleinen Speckröllchen konnte sie gut leben. Sie war eine attraktive Frau, kein Zweifel, und zahlreiche Blicke und Komplimente aus der Männerwelt bestätigten dies. Nora freute sich zwar darüber - welche Frau würde das nicht - aber für ernsthafte Annäherungen war sie unempfänglich. Fremdgehen war für sie ein "No Go", wie man heute so schön sagte. Das war eine Frage des Prinzips und des Anstands. Wenn sie, so wie nun mit Bernd seit sieben Jahren, in einer Beziehung lebte, fuhr sie ihre "Liebesantennen" ein. Schlummermodus. Und wenn irgendein Typ so gar nicht einsehen wollte, dass sie kein Interesse hatte, konnte sie sogar ein wenig ausfallend werden. Ja, sie war ein relativ selbstständiges, aber auch ein sehr treues Frauchen.

Mit einem dicken Strahl schoss das Wasser in die Wanne und türmte den nach Pfirsich duftenden Badeschaum zu wolkenartigen Gebilden auf. Wie immer hatte sie die Temperatur eine Spur zu hoch gewählt, damit es nicht so schnell auskühlte, und so glitt sie nur sehr langsam und unter "Aaahh" und "Uuuhh" in das dampfende Nass, bis schließlich nur noch ihr Kopf aus dem Schaumgebirge herausragte. Sie schloss die Augen und lehnte sich zurück.
"Schatz, ich muss noch mal kurz ins Büro. Ich hole nur ein paar Unterlagen, bin in einer halben Stunde wieder da!" rief Bernd aus dem Vorzimmer Richtung Bad, während er seine schwarzen Winterstiefel anzog. Er schnappte sich die Autoschlüssel und warf die Tür hinter sich zu. Doch Nora hörte ihn nicht mehr. Sie ging in Gedanken zurück zu jener denkwürdigen Nacht in Berlin.

Walter Holub, ihr Chef und ein alter Werbefuchs, hatte sie damals vor zwei Jahren in sein Büro gerufen und ihr eröffnet, dass sie am Freitag nach Berlin fliegen würde, um die Kampagne für ihren neuen Kunden, den Sportartikelhersteller Turbo, in allen Einzelheiten zu präsentieren. Streupläne, Termine, Print, Plakat, Fernsehen, Finanzierung, mit "allem pi pa po" wie sich ihr Chef ausdrückte. Das Unternehmen wollte neben Tennisschlägern, Surfboards & Co mit einem neuartigen Iso-Energy-Drink ein zweites Standbein aufbauen. "Sie haben die Turbo-Leute ja schon bei unserer ersten Präsentation der Werbesujets sehr beeindruckt, liebe Frau Ziegler. Das Projekt ist Ihr Baby, also ab nach Berlin! Der Flug ist schon gebucht."
Nora war nicht überrascht, dass ihr diese verantwortungsvolle Aufgabe übertragen wurde. Sie hatte schon während des Marketingstudiums vor über 20 Jahren in der Agentur als Texterin gejobbt, und als man ihr nach dem Abschluss eine fixe Anstellung anbot, sagte sie ohne Zögern zu. Langsam war sie die Karriereleiter nach oben geklettert, auch in der heutigen Zeit noch langsamer als manch männlicher Kollege, aber inzwischen war sie als Account Managerin für die Bereiche "Sport, Ernährung und Gesundheit" ziemlich weit oben angekommen.

Es war ein grauer, leicht nebeliger Morgen Ende November, als sie um 8:20 in Berlin landete. Sie fuhr mit dem Taxi direkt in die Stadt, wo man sie bei der Turbo GmbH & Co KG zwischen 9:00 und 9:30 erwartete. In den Straßen herrschte bereits hektisches Treiben, in den Schaufenstern glitzerten Goldsterne, bunte Kugeln und Lametta, Weihnachtsmänner in schlecht sitzenden roten Kostümen verteilten Prospekte an vorbei hastende Passanten. Das Fest der Liebe warf seine Schatten voraus.
Die Sportartikelfirma Turbo residierte in einem repräsentativen Altbau, sie wurde freundlich empfangen und startete nach einer Tasse Kaffee mit ihrer Präsentation.
Nora war bestens vorbereitet, hatte in den letzten zwei Tagen noch eine informative Powerpoint-Show zusammengestellt, und wusste auf alle Zwischenfragen die richtige Antwort. Zu Mittag lud man sie in ein asiatisches Restaurant ("Sie mögen doch Sushi?"), das schwarz auf weiß über dem Eingang verkündete "ASIA CUISINE - Thai * Japan * China * Korea". Beflissene Kellner brachten riesige Platten mit Sashimi, Sushi, Maki und wie das ganze Zeugs sonst noch hieß, dekoriert mit kunstvollen Karotten- und Gurkenschnitzereien. Man trank Grünen Tee und Mineralwasser mit Zitrone, das Gespräch mit den drei Herren der Firma Turbo (Geschäftsführer, Finanzchef, Marketingleiter) verlief angenehm und zwanglos. Nur der Marketingleiter, ein gewisser Eberharter und dem Dialekt nach Österreicher, versuchte sich in einer kleinen Charme-Offensive, die auf "Abendbegleitung in einer fremden Stadt" abzuzielen schien. Doch Noras Liebesantennen blieben professionell im Schlummermodus. Als der Geschäftsführer die Rechnung verlangte, brachte der Kellner auch einen kleinen Teller mit Glückskeksen. Die Turboleute ließen das Gebäck unberührt, aber Nora schnappte sich in der allgemeinen Aufbruchstimmung einen Keks und brach ihn auf. Es war ihr fast ein bisschen peinlich, als sie den kleinen Zettel herausfischte. Aber auch beim Horoskop in der Tageszeitung war sie immer neugierig, selbst wenn sie nicht daran glaubte.

"Die größte Liebe ist immer die, die unerfüllt bleibt" stand da. Für den Bruchteil einer Sekunde spürte Nora ein flaues Gefühl in der Magengegend, dann zerknüllte sie den Papierstreifen und ließ das Kügelchen zurück am Tisch.
Am Nachmittag spulte sie den zweiten Teil ihrer Präsentation, der sich in erster Linie mit dem Budget und dessen Aufteilung auf diverse Medien befasste, gekonnt ab. Bis auf ein paar kleine Änderungen waren die Manager mit ihrer Arbeit sehr zufrieden, und freuten sich bei der Verabschiedung auf "erfolgreiche Zusammenarbeit".

Kurz nach 17 Uhr bezog sie ihr Hotelzimmer. Da nicht vorhersehbar gewesen war, wie lange die Besprechung dauern würde, hatte man den Flug zurück nach Köln erst für nächsten Morgen gebucht. Jetzt gierte Nora nach einer Zigarette. Den ganzen Tag hatte sie auf ihr kleines Laster verzichten müssen. Das Leben war inzwischen eine einzige rauchfreie Zone geworden. Taxi - Flughafen - Flugzeug - Taxi - Besprechungsräume - Restaurant - Taxi. Überall Rauchen verboten. Sie sah sich nach einem Aschenbecher um und entdeckte statt dessen ein Kärtchen auf dem Tisch, das eine durchgestrichene Zigarette in einem roten Kreis zeigte. Verdammt! Nora überlegte kurz, das Verbot einfach zu ignorieren, und einen mit Wasser gefüllten Plastikbecher aus dem Bad als Aschenbecher zu missbrauchen. Aber dann bemerkte sie den Rauchmelder an der Decke. Sie wollte kein Aufsehen provozieren und beschloss, entgegen ihren ursprünglichen Plänen - fernsehen, ein Club-Sandwich vom Zimmerservice und früh in die Federn - noch einmal auszugehen. Ein Glas Rotwein in einer Bar, wo man rauchen durfte, würde ihr gut tun. Sie war von der erfolgreichen Präsentation ohnehin noch ein wenig aufgedreht. Also schlüpfte sie aus ihrem Business-Kostüm, nahm eine heiße Dusche, und trat gegen 18 Uhr in Freizeitklamotten und bequemen Schuhen hinaus in die Berliner Novembernacht.

Keine zehn Minuten später entdeckte sie ein Café, das sich mittels Leuchtschild als "Matzerath" auswies. Nora schmunzelte. Oskar Matzerath war die Hauptfigur im berühmten Grass-Roman "Die Blechtrommel", eines ihrer Lieblingsbücher. Ein gutes Zeichen. Ein noch besseres Zeichen war der Raucher-Aufkleber an der Eingangstür. Sie betrat das Lokal und fühlte sich sofort wohl. Es versprühte einen leicht verstaubten Künstlercharme, Konzertplakate und eine Menge Fotos an den Wänden. Aus den Lautsprechern drang leise Musik – „Fly Me to the Moon“ von Frankie „Ol´Blue Eyes“ Sinatra. Es war noch früh am Abend, die meisten Tische waren unbesetzt. Ein kleines Ecktischchen mit Blick auf das Filmplakat der "Blechtrommel" schien ihr die richtige Wahl. Sie setzte sich, registrierte den beruhigenden Anblick eines Aschenbechers auf der gesprungenen Marmorplatte, und atmete durch. Der Kellner trug ein freundliches Lächeln im Gesicht, eine rote bodenlange Schürze, das lange brünette Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden und eine Getränkekarte unter dem Arm. Nora entschied sich für ein Glas Merlot. Zum ersten Schluck Wein zündete sie sich die erste Zigarette des Tages an. Alles war gut.

"Verkaufszahlen Energy Drinks in Deutschland an Eberharter mailen" schrieb sie gerade als kleine Erinnerungsstütze in ihr Notizbuch, als eine Stimme sagte: "Darf ich mich zu Ihnen setzen?"
Nora sah überrascht auf. Der Mann war vielleicht Ende Vierzig, und mit einem grauen Rollkragenpullover, schwarzer Hose und schwarzer Lederjacke bekleidet. Um den Hals baumelte eine Brille an einem silbernen Kettchen. Er zog die Augenbrauen ein wenig hoch und lächelte fragend. Um seine Augen bildeten sich winzige Lachfältchen. Natürlich würde sie freundlich aber bestimmt ablehnen, darauf war sie programmiert, sie war schließlich ein treues Frauchen. Aber zu ihrer eigenen Überraschung hörte sich Nora "Ja, gern" sagen. Der Fremde wirkte sympathisch, nicht von der Sorte, die mit blöden Anmachsprüchen (Hast du dir weh getan, als du vom Himmel gefallen bist?) ein kurzes Abenteuer für die Nacht suchten. Und was war schon dabei? Wenn der Kerl zudringlich wurde, konnte sie immer noch die Krallen ausfahren. Aber irgendwie hatte sie das Gefühl, dass das nicht notwendig sein würde. Mr. Unbekannt setzte sich. Sein dunkles Haar war von grauen Strähnen durchsetzt und stand ein wenig wirr nach allen Seiten ab. Auch sein Drei-Tage-Bart zeigte an den Seiten und am Kinn erste weiße Stoppel.
"Noch ein Glas Rotwein?" fragte er mit einem Blick auf ihr fast leeres Glas. Nora nickte.
"Merlot nehme ich an."
"Ja, woher wissen Sie das?"
"Es ist der einzige Rote, den man hier trinken kann" schmunzelte er und gab dem Kellner ein Zeichen, indem er Zeige- und Mittelfinger gespreizt hochhielt. Als der Wein vor ihnen stand, hob der Fremde sein Glas, prostete Nora zu und sagte: "Ich bin übrigens Harry." "Und ich heiße Nora" erwiderte sie.

Was in den folgenden Stunden geschah, erschien ihr völlig irreal. Je länger sie sich unterhielten, desto mehr vergaß sie die Umgebung, versank sie wie in einem Meer aus Watte. Ohne es selbst zu bemerken, hatte sich der Schlummermodus ihrer Liebesantennen deaktiviert. Harry war ein fantastischer Erzähler, der einem schon mit wenigen Worten gefangen nehmen konnte. Er berichtete von der perfekten Zubereitung eines Wiener Schnitzels ebenso fesselnd wie über die kriminellen Machenschaften des Vatikan; sie diskutierten leidenschaftlich, ob ein Werk wie "Die Blechtrommel" filmisch überhaupt umsetzbar oder von vornherein durch die Wortgewalt des Dichters auf der Leinwand zum Scheitern verurteilt war. Sie erzählte von sich, von ihrem Job und warum sie diese Nacht in Berlin war - ganz so als ob sie diesen Mann schon seit Jahren und nicht erst seit Stunden kennen würde. Und siehe da, ihr Gegenüber war nicht nur ein fantastischer Erzähler, sondern auch ein intensiver und aufmerksamer Zuhörer. Eine bei Männern höchst seltene Eigenschaft, wie sie die Erfahrung gelehrt hatte. Als Nora erwähnte, dass sie seit sieben Jahren mit ihrem Freund liiert war, schien ein dunkler Schatten über seine Augen zu huschen. Er senkte den Blick und fischte eine Zigarette aus der Schachtel. Ja, auch er gehörte zur aussterbenden Spezies der Raucher.
Harry war freiberuflicher Fotograf, wollte sich in jungen Jahren als Künstler etablieren, doch "die Konkurrenz war zu groß, mein Talent zu klein", wie er selbstironisch verkündete. Zwei Ausstellungen, bei denen er eine zwölfteilige Fotoserie zum Thema "Gegensätzliches Berlin" an eine Bank verkaufte. Das war alles gewesen. Um seine Brötchen zu verdienen, wurde er Pressefotograf und belieferte das Stadtmagazin "Prinz", die "Morgenpost" und noch zwei, drei andere Berliner Publikationen, die sie nicht kannte, mit aktuellen Fotos.
Und so verrann Stunde um Stunde, ohne dass Nora es bemerkte. Sie diskutierten, erzählten und lachten. Oh ja, mit Harry konnte man herrlich lachen, frei von der Leber weg und aus ganzem Herzen. Nicht nur der Humor schwang bei ihnen auf derselben Wellenlänge, sie entdeckten noch zahllose andere Gemeinsamkeiten - zwei Seelenverwandte auf ihrem Ritt durch das unendliche Universum. Irgendwann schwiegen sie für ein paar Minuten. Er nippte an seinem Wein, sie zündete sich eine Zigarette an. Sie sahen sich in die Augen und es gab keine Verlegenheit, keine Peinlichkeit. Wenn in einer Unterhaltung dieses berühmte "peinliche Schweigen" eintrat, fühlte sich Nora sonst immer unwohl. Doch mit Harry war es anders. Es war, als ob sich das Schweigen wie eine warme, kuschelige Decke über sie breiten und noch näher zusammenführen würde.

Um fünf Uhr früh verkündete der Kellner im "Matzerath" mittels Glockengebimmel die Sperrstunde. Das Läuten machte Nora schmerzlich bewusst, dass diese wunderbare, geheimnisvolle Nacht mit Harry zu Ende ging. Ein Fremder, den das Schicksal (?) an ihren Tisch führte, und der in den vergangenen zehn Stunden etwas in ihr bewegt hatte, das sie bislang nicht kannte. Ungläubig schüttelte sie den Kopf. Harry beobachtete sie und sein Blick schien zu sagen: "Ich weiß, was du fühlst ..."
Kurz darauf standen sie auf dem nass glitzernden Asphalt der erwachenden Stadt. Es war noch dunkel und der Atem bildete kleine Wölkchen vor ihren Mündern. Plötzlich fiel Nora der Glückskeks-Spruch aus dem Asia-Laden wieder ein: "Die größte Liebe ist immer die, die unerfüllt bleibt."
Sie standen sich ganz nah gegenüber und sahen sich schweigend an. Ihre Knie fühlten sich an wie Pudding, und sie spürte, wie sich eine Träne aus dem Augenwinkel löste. Blöder Wind. Harry wischte sie langsam mit dem Rücken seines Zeigefingers ab und flüsterte: "Weine nicht weil es vorbei ist, sondern lache weil es so schön war."
Er nahm ihr Gesicht zwischen seine Hände und hauchte einen unendlich zärtlichen Kuss auf ihre Lippen. Drei Sekunden Himmel. Dann drehte er sich um und verschwand im Morgennebel. Nora sah ihm nach und das Herz pochte ihr bis zum Hals.

Im Flugzeug fand sie in ihrer Handtasche auf der Suche nach einem Pfefferminzbonbon seine Visitenkarte, die er ihr wohl in einem unbemerkten Moment zugesteckt haben musste. "HARRY WEINBERG - Fotograf" stand auf der schnörkellosen Karte, darunter eine Telefonnummer.

Das Badewasser war inzwischen kalt geworden und Nora rubbelte sich mit einem weichen, dunkelblauen Frotteehandtuch trocken. Die Visitenkarte hatte sie aufgehoben, gut versteckt in ihrer Dokumentenmappe zwischen alten Schulzeugnissen. Bernd gegenüber hatte sie diese Begegnung nie erwähnt, wozu auch. Obwohl diese einzigartige Nacht, in der Harry eine lodernde Flamme in ihr entzündet hatte, nun schon über zwei Jahre her war, verblasste die Erinnerung daran nicht. Sie blieb lebendig und schön, auch wenn stets mit einem Gefühl der ungestillten Sehnsucht verbunden.
Nora legte dezentes Make Up auf und zog ein schlichtes, schwarzes Abendkleid an. Die Silvester-Routine konnte beginnen.

Die letzten Nachzügler des Feuerwerks zerplatzten in bunten Fontänen am Nachthimmel. Es war 2:30 am ersten Tag des neuen Jahres, die Gäste waren vor einer halben Stunde gegangen. Bernd hatte ihr einen feuchten Kuss auf die Stirn gedrückt und war Richtung Schlafzimmer gewankt. Er vertrug nicht viel und hatte ein paar Gläser Champagner mehr getrunken als ihm gut tat. „Ich schminke mich noch ab“ hatte sie leise gesagt. Ein Satz, der ihr plötzlich doppeldeutig erschien. Jetzt hörte sie sein leises Schnarchen durch die geschlossene Tür.

Nora nahm noch einen Schluck Rotwein aus dem Glas. Merlot. Dann holte sie das Handy aus ihrer Handtasche und tippte die einzige Nummer ein, die sie auswendig kannte, ohne das elektronische Telefonbuch bemühen zu müssen. Kein Leben im Schlummermodus mehr. Sie fühlte sich endlich mutig.

Kurzgeschichte
03-06-2012, 20:27
Ungeplant kommt oft

Es war mal wieder einer dieser Tage, die man am liebsten streichen wurde. Obwohl mitten am Tag war es ziemlich finster und es regnete wie aus Kübeln. Freiwillig wäre ich nicht aus dem Haus gegangen, aber der Müll musste rausgebracht und die Post hereingeholt werden. Ich öffnete die Haustüre und da saß es. Ein kleines nasses Wollknäul, leicht zitternd, mich mit großen Augen anschauend und ein klägliches Miau von sich gebend. Einfach herzergreifend. Bevor ich irgendwie reagieren konnte, hatte es sich ins Treppenhaus und damit in mein Leben geschlichen. Ich erledigte rasch meine Handgriffe und folgte dann den nassen Spuren meines Besuchers, der inzwischen den Weg in meine Wohnung gefunden und es sich mitten im Wäschekorb bequem gemacht hatte. Behutsam nahm ich das kleine Etwas hoch und rubbelte es mit einem Handtuch vorsichtig trocken. Dabei schaute ich nach seinem Befinden und nach einem Anhaltspunkt, wem es gehören könnte, aber es trug kein Halsband und hatte auch keinerlei Tätowierung im Ohr. Falls es nicht gechipt war, gehörte es wohl niemandem. Ich hingegen gehörte, zumindestens gerade, ihm, denn ich war ausgesucht worden mich zu kümmern. Nachdem es wieder einigermaßend trocken war, setzte ich es wieder in den Wäschekorb, den Platz, den es sich zuvor ausgesucht hatte. Dann ging ich in die Küche und schaute, was ich dem Kleinen zu fressen geben könnte. Im Kühlschrank fiel mein Blick auf ein Stück Putenfleisch. Ich nahm es heraus und hatte gerade anfangen einen Teil davon klein zu schneiden, als ich ein Poltern und Scheppern aus dem Wohnzimmer vernahm. Sogleich schaute ich nach was geschehen war. Das kleine Tigerchen hatte eine Pflanze vom Fensterbrett geschmissen und zuvor wohl im Topf gegraben. Nun es saß wohl etwas erschreckt in einer Ecke. Ohne Meutern ließ es sich von mir hoch nehmen, ins Bad tragen und die Pfoten säubern. Danach setze ich es wieder in den Wäschekorb. Vielleicht würde es diesmal dort bleiben. Als ich die Unordnung im Wohnzimmer beseitigt hatte und ich die Küche kam, saß dort jemand sehr vergnügt und machte sich laut schmatzend über das Fleisch her, welches ich durch den Unfall mit der Pflanze völlig vergessen hatte. Richtig ausgehungert musste da jemand sein. Ein Stückchen Fleisch nach dem anderen fand den Weg ins Mäulchen und somit in den Magen. Schimpfen konnte ich da nicht einfach nicht und ließ es gewähren. Ich stellte ein Schälchen mit Wasser hin, aus welchem nach dem Fressen zumindestens ein wenig getrunken wurde. Dann schlich mir mein Gast kurz um die Füße, ließ sich kurz überstreichen und begann dann die Wohnung weiter zu erkunden. Hier wurde geschnuppert, dort wurde gekratzt und schließlich in einen Schuh das Geschäft gemacht. Ein Katzenklo musste also her. Für den Anfang musste eine Kiste mit Sand reichen, denn etwas Passenderes hatte ich nicht da. Weiter ging die Tour durch die Wohnung und endete schließlich in meinem Bett. Dort kringelte sich mein Gast schnurrend ein. Ich war froh, dass er einen Platz gefunden hatte und störte mich nicht weiter daran. Den Rest des Tages nutzte ich für mich. Ab und zu schaute ich nach dem Wollknäul, welches nun stundenlang still lag und schlief. Kaum legte ich mich am Abend hin, da wurde jemand wieder fit. An der verschlossenen Schlafzimmertür wurde gekratzt, bis ich aufstand und diese öffnete. Daraufhin tapste es durch die Wohnung. In unregelmäßigen Abständen waren die verschiedensten Geräusche zu hören. Ich war jedoch so müde, dass ich nicht mehr aufbleiben konnte und einschlief. Am nächsten Morgen weckte mich ein ungewohntes Schnurren. Ich machte die Augen auf und sah, dass es sich mein Gast auf meinem Kopfkissen bequem gemacht hatte und wohlige Laute von sich gab. Es schien ihm also gut zu gehen und hier zu gefallen. Ich stand auf und stellte bei einem Gang durch die Wohnung fest, dass da jemand zu nächtlicher Stunde recht aktiv gewesen war und so manches umdekoriert hatte. Von diesem Moment an hatte das Wollknäul seinen Namen: Chaos. Und das Chaos blieb. Es wuchs zu einer stattlichen Katze heran. Während dieser Zeit und auch in den weiteren Jahren danach stellte es unzählige Dinge an und raubte mir zuweilen fast den letzten Nerv, doch ich wollte mein Chaos nicht mehr missen.

Kurzgeschichte
03-06-2012, 20:28
Bitte bei dieser Geschichte auf Rezensionen verzichten, Danke.


Die Mutter

„Weißt du eigentlich, wie sie aussieht?“
Die beiden alten Männer grinsen schadenfroh, das Lachen ist ihnen zu mühsam. Sie sitzen an einem der Tische im großen Speisesaal, zwischen ihnen der dritte, der mit unsicherer Hand die Tasse abstellt. Sein Butterbrot ist in kleine Stücke geschnitten, ein Messer kann er nicht mehr führen. Er ist fast blind.
„Das ist mir egal, sie hat mir damals geholfen, nun helfe ich ihr.“
Nach dem Frühstück wird sie von ihrem Tisch herüber kommen, ihn am Arm führen, wie seit drei Jahren schon, sie werden mühsam und langsam den Weg zurückgehen zu ihren Zimmern. Er mit einem weißen Stock, sie mit einem schwarzen, den sie aber nicht einzusetzen weiß. Meist hält sie ihn nur unbeholfen in der Hand, achtet mehr auf den Partner als auf ihre eigenen Schritte.
Sie ist seit einiger Zeit „durcheinander“, wie der Volksmund sagt, verwirrt, wie die Mediziner taktivoll die Demenz umschreiben. Wäre nicht ihr blinder Freund, der noch klar im Kopf ist mit seinen 87 Jahren, müsste sie wohl auf dem Zimmer bleiben.
So stützt der Blinde den Lahmen, wie es in der Bibel heißt, und umgekehrt.
Seine gehässigen Tischnachbarn haben Recht: sie ist keine Schönheit mehr. Wer wäre das auch mit 85 Jahren. Aber der Verlust des gesteuerten Bewusstseins gibt ihrem Gesicht etwas Verzerrtes, den Augen eine gewisse Starre.

Das bemerken auch die Kinder bei ihren Besuchen. Es erschreckt sie, verwirrt sie, aber sie kennen ja den Anblick von früher, als sie noch gesund war. Sie kennen auch die Fotos aus der Jugendzeit der Mutter, als sie ein hübsches blondes Mädchen war. Blaue Augen in einem ovalen Gesicht, die Haare im Nacken geflochten und um den Kopf geschlungen. Später wurde daraus der „Dutt“, der langsam grau wurde.
Der Körper war immer klein und schmal, jetzt ist er gekrümmt und wie gestaucht, nur mühsam tragen die Beine und lassen ihn schwanken. Sie sind noch immer schlank: Fesseln wie ein Reh, hat der Mann, der Ehemann, oft gesagt.
Der ist nun schon lange tot, ist gestorben in völliger geistiger Klarheit, mit einem kranken, gedunsenen Körper. Zu Hause, Tag und Nacht gepflegt von der Frau, die ihn auch anzog und aufbahrte, als es so weit war.
Von all dem hat sie sich nie erholt, ist nie zur „lustigen Witwe“ geworden wie andere, die mit der Rente und der Freiheit noch etwas aus ihrem Leben machen.
Sie hat sich angemeldet im Seniorenheim, obwohl die Kinder protestierten, aber sie ahnte vielleicht, was kommen würde, wollte sich und ihnen einiges ersparen.
Und es ist ihr gedankt worden. Sie hat den Freund gefunden, bekommt viel Besuch, ist ruhig und zufrieden, auf einem ganz niedrigen Stand von Glück.

Das war nicht immer so. Als ihr Geist sich verwirrte, hat sie schlimme Geschichten erzählt, die die Kinder erschreckten. Wurde sie vielleicht wirklich geschlagen von den Schwestern und Pflegern? Man fragte nach, es gab Dispute, Störungen, Misstrauen. Aber als sie dann bei jeder Fehlzündung eines Autos vor dem Heim rief: „Die Russsen kommen!", verstand man, dass die Erinnerungen sie ängstigten. All das kam hoch, was nie behandelt und „therapiert“ worden war, wie es heute üblich wäre, nur verdrängt in seiner Schrecklichkeit.
Worte halfen nicht, die Angst, der Verfolgungswahn mussten mit Tabletten gedämpft werden. Es war eine schlimme Zeit, und manch einer dachte an die „Erlösung“, die so oft – scheinheilig – gewünscht wird. Gemeint ist meist die Erlösung der Umwelt von der Last des alten Menschen, manchmal, zugegeben, auch das Ende von unerträglichen Schmerzen.
Aber diese Zeit ging vorüber, die Mutter wurde zum Kind, das die eigenen Kinder nicht mehr kannte. Auch den Freund wusste sie nicht zu benennen, aber wenn er „Schätzchen“ sagte, wiederholte sie das wie ein Echo.
Die Mutter wird nun von allen bemuttert, wird gewaschen, gewindelt, in den Stuhl gesetzt und in die Sonne gefahren. Es ist nichts Schlimmes dabei, es ist nur ein Kreislauf.

Kurzgeschichte
03-06-2012, 20:29
Verflixte Spandrels

Die Terrassentür steht einen Spalt auf. Der Duft von frisch gemähtem Rasen weht Maren in die Nase, die auf dem Sofa vor sich hin döst. Jemand in der Nachbarschaft mäht den Rasen. Wie herrlich das riecht, nach Frühling, nach schönen warmen Sommertagen. Sie atmet den Duft tief ein. Ihre üppigen Brüste spannen die Bluse ein wenig die sie noch anhat, seit sie vom shoppen nach Hause gekommen, aber einfach zu müde war sich umzuziehen. Tom könnte auch mal wieder den Rasen mähen, aber ihm muss sie alles mehrmals sagen, bevor er was macht. Wie oft führt das zum Streit zwischen den beiden, und wie oft versucht Maren zu eruieren, woran das wohl liegt.

Ein dunkler Schatten legt sich auf ihr Gesicht. Ihre Augen leicht öffnend, sieht sie einen Mann neben sich stehen der sich zu ihr hinunter beugt, um ihren Hals sanft zu küssen. "Deine Augen sind wundervoll, ich habe sie jede Nacht in meinen Träumen gesehen, diese blauen Augen. Ich kann nicht klar denken. Wenn Du gehst, dann möchte ich der Boden unter Deinen Füßen sein, nur um Dir nahe zu sein. Die Luft riecht nach Dir, wenn Du an mir vorbeigehst, und wenn Du lächelst, dann werde ich jedes Mal neu geboren…….." flüstert der Fremde mit sanft tiefer Stimme in ihr Ohr. Seine starken sonnengebräunten Hände wandern unter ihre Bluse…….. da hört sie ihren Namen rufen.

Es ist Tom. Aufgeschreckt aus ihrem Tagtraum überlegt sie kurz, ob sie sich von dem Sofa quälen soll um ihn zu begrüßen. Dann kommt, wie immer in letzter Zeit, ein flüchtiger Kuss auf die Wange, ein "hallo, na wie geht´s?". Das war alles, was nach fünf Jahren Liebe an Begrüßung und Aufmerksamkeit übrig geblieben ist. Oder soll sie so tun als schläft sie tief und fest. Zu schön der Tagtraum, als das Maren jetzt so schnell in die Realität zurück will.

Als Tom sie da so verführerisch auf dem Sofa liegen sieht, kommt ihm spontan eine Idee. Er möchte sie nicht wecken, schließt leise die Terrassentür und geht wieder hinaus. In knapp zwei Wochen feiern sie ihren fünften Kennenlerntag. Wie jedes Jahr, wird er was tolles kochen, werden beide zuerst gemeinsam essen und später dann Freunde empfangen.

Einen sexy Sommerpulli stricken. Luftige Maschen, durch die ein leichter Windhauch wehen kann. Das können auch Männer, denkt sich Tom, und grinst vor sich hin. Eine tolle Überraschung wird das! Kurze Zweifel. Was für eine Idee! Ein Mann, der einen Pulli für seine Freundin strickt! Seine Freunde werden ihn auslachen, doch ihm ist das herzlich egal und grinst abermals in sich hinein, denkt weiter über seinen Plan nach. Das gute daran ist ja, dass die warme Jahreszeit die Ärmel kürzer lässt, den Ausschnitt tiefer, so dass es doch keine allzu große Kunst sein müsste, das hinzukriegen. Tom ist ja handwerklich durchaus begabt. Er hat das Haus in dem sie wohnen, selbst renoviert, betreibt eine kleine Motorradwerkstatt, warum sich also nicht an so einem Projekt versuchen. Die Gunst der Stunde nutzend, geht er leise in das Strick-Atelier, das sich Maren eingerichtet hat und dort ihre Wolle aufbewahrt. Sie strickt leidenschaftlich gern, für einen Designer sogar. Ihre handgestrickten Pulli-Kreationen kann man als kleine Kunstwerke bezeichnen, sind einzigartig und haben ihren Preis.

Tom findet einen großen Korb, in dem sie seit Jahren schon ihre aussortierte Wolle aufbewahrt. Er befürchtet, die Wolle könnte embrouillieren, doch das Chaos ist schon vorhanden. Es herrscht ein buntes Durcheinander. Unzählig viele Wollknäuel liegen weder nach Farbe noch nach Wollart sortiert. Er wühlt eifrig nach gelb, rot und orange. Dabei gelangt ein roter Wollfaden in seine Hand, er zieht an ihm und zum Vorschein kommt ein dicker knallroter Wollknäuel, der sich bestens eignet. Dass es sich dabei um Winterwolle handelt, edles Kaschmir, übersieht er dabei. Kleine Wollflusen die nun durch die Luft wirbeln, docken sich an seine Nasenhaare und er muss niesen. Der rote Faden…….. Tom denkt kurz nach. Der rote Faden der sich durch sein Leben zieht ist seine Unfähigkeit, Gefühle zu äußern, jedenfalls nicht in dem Maße, wie Frauen sich das von ihm immer gewünscht haben. Als kleiner Junge schon sehr verschlossen, fiel es ihm stets schwer. Daran sind auch einige Beziehungen gescheitert. Doch mit Maren ist es ein wenig anders. Da kann er mal loslassen, weiß aber, dass ihr das nicht reicht und sie sporadisch darunter leidet. Er liebt Maren, doch oft fühlt er sich unsicher, so unter Druck gesetzt von ihr. Hinzu kommt, dass sie immer alles ausdiskutieren will, versteht oft nicht, was sie eigentlich von ihm will. Diffiziler Charakter, denkt Tom. Eine Herausforderung, die anfangs spannend war, doch mittlerweile anstrengend geworden ist. Er versucht mit seinem Humor zu kompensieren, was Maren an ihm vermisst.

Tom hat seine Wolle gefunden und legt sie in eine Tasche. Noch dicke Stricknadeln dazu und das Equipment für den Pulli hat er beisammen. Jetzt muss er nur noch die Frau seines Freundes um Hilfe bitten, und die Sache ist perfekt. Er wird reüssieren, dessen ist er sich ganz sicher.

Maren, die so gar keine Geräusche aus der Küche hört, denn Tom ist heute mit kochen dran, steht auf um nachzusehen, wo er denn steckt.

Vor zwei Monaten sind neue Nachbarn eingezogen. Gleich nebenan. Ein älteres Ehepaar. Er, Studienrat a.D., sie ohne berufliche Ambitionen, Hausfrau und Mutter, deren einziger Sohn sich nach Abbruch des Jurastudiums auf und davon gemacht hat. Nach Paris, wo er eingetaucht ist in die Künstlerszene und seither niemand mehr was von ihm gehört hat. Nicht einmal seine Eltern.

Maren ist im Garten und kümmert sich um ihren wunderschönen Rosenstock, da wird sie freundlich über den Zaun von den beiden gegrüßt. Sie grüßt freundlich zurück. Nichts Besonderes ist ihr aufgefallen, sie hat aber auch nicht genauer hingeschaut. Ein paar Tage später wird sie im Supermarkt an der Kasse von einem Mann angesprochen, der sie zu kennen scheint. Es ist der Nachbar. Jetzt sieht sie genauer hin. Von pyknischer Statur, Haarkranz und großer schwarzer Brille im Gesicht. Nach der freundlichen Begrüßung starren plötzlich seine eiskalt wirkenden Augen ganz unverfroren und penetrant auf ihre Brüste. Kleiner geiler Zwerg denkt sie und geht nochmal zurück in den Laden, um sich aus der unangenehmen Situation zu befreien. Was war das denn, fragt sich Maren, die ganz empört ist über diesen Vorfall.

Ein weiteres Mal begegnen sich beide, als sie fast gleichzeitig den Müll herausbringen. Auch da bemerkt Maren, wie er sie taxiert. Es fällt ihr da schon schwer, freundlich zurück zu grüßen, was sie auch nicht mehr tun will in Zukunft. Irgendwie geht etwas Unheimliches von ihm aus. Diese Augen, die so kalt und leer ins Leben starren. Passt so gar nicht zum Rest seines Körpers, der eher lustig und gemütlich wirkt.

Wie soll das nur werden, wenn sie im Sommer auf ihrer Liegemuschel liegt. Die Vorstellung, dass der da oben am Schlafzimmerfenster hinter der Gardine steht und auf sie herunter gafft, wahrscheinlich mit Fernglas, lässt die Vorfreude auf schöne Sommertage im Garten dahinschwinden. Seit sie der Möglichkeit immer größeren Raum gibt, dass dieser alte geile Bock auf der Lauer liegen könnte, fühlt sie sich nicht mehr wohl in ihrem Haus, in ihrer Haut. Sie fühlt sich beschmutzt. Jedes Mal wenn sie das Haus verlässt, glaubt sie sich verfolgt und beobachtet. Mit der Zeit hat Maren eine diffuse Angst vor dem Mann entwickelt. Was will der nur von ihr! Führt er was schlimmes im Schilde? Sie will mit Tom darüber reden.

Maren arbeitet in ihrem Strick-Atelier, da klingelt es an der Tür. Sie öffnet und vor ihr steht dieser Nachbar. Ihr Herz beginnt zu klopfen, ihre Knie fangen an zu zittern. Der Nachbar fragt, ob sie nicht einen Moment Zeit hat und mit ihm mitkommen kann, er möchte seiner Frau eine Freude machen und ihr auch einen so schönen Rosenstock in den Garten pflanzen. Er hat momentan Rückenprobleme und kann sich darum so schlecht bücken. In Marens Kopf spielen sich in Bruchteilen von Sekunden regelrechte Horrorszenarien ab und sie knallt ihm, ohne weiter nachzudenken, einfach die Tür vor der Nase zu. Dass dieser komische Mensch ihr so zusetzen kann, hätte sie nicht gedacht. Maren ist sensibel, ja, aber das geht nun eindeutig zu weit. Sie muss sich erst Mal aufs Bett legen, wieder runterkommen. Später will sie in den Wald gehen, um ihre geliebten Bäume zu umarmen. Das braucht sie jetzt, gibt ihr Kraft. In der Natur fühlt Maren sich wohl.

Das eher monologisierende Gespräch mit Tom hat nichts gebracht. Er hat sich nämlich mit den Nachbarn schon ein paar Mal unterhalten und findet beide nett. Auch kann er nicht das sehen, was Maren in seinen Augen sieht. Und dass der Nachbar auf ihre schönen Brüste guckt, kann er sogar verstehen. Da ist es wieder, dass nicht ernst genommen werden von ihm, dass er nicht richtig hinhört, wenig aufmerksam ist, dann hätte er nämlich mitbekommen, dass es ihr in letzter Zeit nicht so gut geht.

Die anfänglich reziproke Zuneigung hat sich sehr verändert. Irgendwie ist die Luft schon raus. Und das auch im wahrsten Sinne des Wortes. Denn Tom hat neben seiner Unlust zu reden und richtig zuzuhören auch noch die Angewohnheit, ganz ungeniert und ohne jegliche Scham seinen Blähungen freien Lauf zu lassen, wann immer sie aus ihm heraus wollen. Selbst wenn Freunde zum essen eingeladen sind, stört er sich nicht groß daran, wenn es ihn mal wieder bläht. Er grinst nur, zuckt mit den Schultern und sagt lakonisch, das sei doch ganz natürlich. Maren versinkt jedes Mal im Erdboden. Obwohl, ganz heimlich findet sie es aber auch okay, dass er so locker und leicht damit umgeht, sich einen Teufel schert, was andere über ihn denken. Diese ständige Ambivalenz seinem Verhalten gegenüber, geht ihr auf die Nerven.

Männer und Frauen passen einfach nicht zusammen! Wie oft denkt sie das, fragt sich, was soll eigentlich der ganze Liebesscheiß!? Manchmal ist Maren so wütend. Die Liebe, viel zu überfrachtet, mit Erwartungen verbunden, die selten erfüllt werden, ja auch gar nicht erfüllt werden können von einem einzigen Menschen. Gene verteilen, das ist Sinn und Zweck der Natur, und nicht die Liebe, von der sowieso niemand genau weiß, was und sie sie eigentlich sein soll. Der Impetus sitzt zwischen den Beinen eines Mannes. Lebt man nur zusammen, weil man sich die Exklusivität auf Sex sichern will? Trügerische Geborgenheit. Sie hat mal von einem Philosophen gehört, dass die Liebe ein Spandrel ist, ein Nebenprodukt, das in der Natur so nicht vorgesehen ist. Liebe sozusagen diametral zur Fortpflanzung. Jetzt scheint ja alles klar. Kein Wunder also, dass Männer und Frauen Probleme mit dem Zusammenleben haben, aneinander vorbei reden. Wenn Maren einmal angefangen hat sich darüber weiter Gedanken zu machen, dann scheint ihr der ganze Beziehungskram so absurd, sich das Leben selbst vermiesend. Sie weiß ganz tief in ihrem Innersten, dass das Leben keinen tieferen Sinn hat, Sinnsuche sinnlos und Liebe, nur eine Illusion. Und die ständige Jagd nach alledem, das Leben an einem vorbeirauschen lässt.

Was für eine Befreiung, denkt Maren.

Auch sie hat den bevorstehenden fünften Jahrestag ihres Kennenlernens nicht vergessen und sich als Geschenk, ebenfalls etwas Überraschendes für Tom ausgedacht. Sie will eine Wortgarage basteln in die sie alle Wörter legt, die sie lange nicht mehr von ihm gehört hat. Ein letzter Versuch sozusagen, ihn auf existenzielle Dinge in ihrer Beziehung aufmerksam zu machen. Er wird sicher denken, in dieser Garage wartet die Miniaturausgabe einer Harley Davidson, die er sich in groß wünscht, aber jetzt erstmal in klein bekommt. Maren kichert bei dem Gedanken. Auf Laubsägearbeiten hat sie aber keine Lust. Im Internet hat sie eine Bastelanleitung gefunden, da braucht sie nur Karton, Klebstoff und Farbe. Zack, fertig! Jetzt nur noch die Zettelchen von Hand schreiben und als Geschenk verpacken.

Heimliches Treffen mit Helen in einem kleinen Café. Sie hat wenig Zeit momentan, zeigt Tom die einfachsten Strickmuster, rechts links und zwei rechts zwei links. Andere kommen da nicht in Frage. Zeigt ihm noch, wie man ein einfaches Lochmuster einarbeitet, wie man abnimmt, wie man zunimmt. Tom, noch etwas steif in den Handgelenken, strickt drauflos. Helen drückt ihm noch eine Strickanleitung in die Hand und lässt ihn mit seinem Vorhaben allein. Falls er nicht weiter weiß, soll er sie anrufen. Einige Tage sind vergangen. Tom strickt heimlich in der Garage, neben ölverschmierten Lappen und Werkzeug, das da so rumliegt. Er macht eine ganz gute Figur an den Stricknadeln. Er hat auch nichts anderes von sich erwartet. Auf die letzte Strickreihe. Jetzt nur noch die Einzelteile zusammen bringen und der Pulli ist fertig. Geschafft. Zwei verschiedene Farben hat er verstrickt. Zwei verschiedene Wollarten, winterliches Kaschmir und sommerliches Bamboogarn, werden Marens Haut streicheln.

Die Nachbarn sind vor drei Tagen in den Urlaub gefahren. In die Berge. Maren ist so erleichtert, kann sich nun ganz entspannt auf den morgigen Abend freuen. Sie freut sich trotz allem. Was Tom nicht weiß, dieses Mal werden keine Freunde kommen, sie möchte allein sein mit ihm. Der Tisch schön gedeckt, der Champagner gekühlt. Das Essen wie immer vorzüglich. Das Champagnerglas gravitätisch angehoben will Tom, der sich gerne einen Spaß erlaubt, dem ebensolche Worte folgen lassen, doch Maren unterbricht ihn, das ist aus ihrer Sicht zu viel des Guten. Beide lachen.

Ganz aufgeregt, jeder für sich im Stillen, überreicht Tom als erster Maren sein Geschenk. Maren, in Erwartung wunderschöner Preziosen, öffnet das Geschenk und hält einen kuschelig weichen sexy orange-roten Sommerpulli in der Hand. Sie reißt Augen und Mund auf. Zuerst etwas konsterniert, ist die Überraschung gelungen! Was für ein extraordinäres Teil. Das hat sie von Tom wirklich nicht erwartet. Sie freut sich sehr über seine süße Idee. Bei genauer Betrachtung stellt sie fest, dass der Pulli zwar drei große Löcher hat, aber wo sie denn nun genau ihren Kopf durchstecken soll, ist ihr noch nicht ganz klar. Lächelnd nimmt sie Tom in den Arm und drückt ihn ganz fest. Nun überreicht sie ihm ihr Geschenk. Er packt aus. Die Wortgarage bringt erst Mal kein Wort aus ihm heraus, nur ein zustimmender Blick zu ihr, ein tiefes Durchatmen. Maren versteht ihn auch ohne Worte. Mit den Champagnergläsern gehen sie gemeinsam ins Schlafzimmer, legen sich aufs Bett und reden miteinander, offen und ehrlich, wie schon lange nicht mehr. Tom erwähnt noch so ganz nebenbei, dass der Nachbar beim Wandern in den Bergen, abgestürzt ist.

Noch lange in den Armen liegend, lieben sie sich in eine schönere Zukunft.

Kurzgeschichte
03-06-2012, 20:30
Finale

Scharf durchschneidet das „Peng!“ der Startpistole die Luft. Auf Grabesstille folgt brandender Jubel im weiten Rund des Stadions. Finale im 10.000-Meter-Lauf! Andreas Oberhorst, der Lokalmatador, will in diesem Rennen unbedingt die Olympianorm knacken.
Achtundvierzig Beine trommeln rhythmisch auf die Bahn. Oberhorst weiß, dass er auf den ersten hundert Metern seine Position finden muss um nicht unnötig Kräfte zu verschleißen. Direkt hinter den Favoriten aus Äthiopien und Kenia lauern, in fünfter oder sechster Position – das sieht sein Plan vor. Er entdeckt eine Lücke und rückt auf die Innenbahn. Sechster, gut so. Heute muss alles klappen. Fast zwei Jahre lang hat er sich akribisch auf dieses eine Ereignis vorbereitet. Hat trainiert wie ein Besessener. Seine Ernährung nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen umgestellt. In sich hineingehorcht, immer in Angst vor einer Überlastung der Muskeln, vor einem Infekt. Bloß keine Medikamente nehmen! Andreas Oberhorst steht wie kein anderer für sauberen Sport.
Der erste Kilometer ist gelaufen, die Zeit passt: zwei Sekunden über Soll, fast optimal.
Auf der Tribüne kneift der Mann, dessen Gesicht vom Schirm einer Baseballkappe beschattet wird, seine Augen zusammen. Karsten Alpers verfolgt das Rennen mit äußerster Konzentration. Auch er hat sich auf diesen Saisonhöhepunkt konzentriert. Nächste Woche will er die Olympianorm knacken – bei der letzten Gelegenheit, dem Meeting in Moskau. Er weiß, dass er es schaffen kann, nein, schaffen muss! Mit zweiunddreißig wird es langsam Zeit, wenn er noch einmal abkassieren will. Jahrelang haben die Afrikaner die lange Strecke dominiert. Der erste weiße Läufer, der den Äthiopiern und Kenianern Paroli bietet, würde mit Sicherheit richtiges Geld verdienen – und dieser Mann will er sein! Sein Körper ist in Topform, nicht zuletzt wegen seiner Betreuer, die unermüdlich nach Wegen suchen, seine Leistungsfähigkeit zu steigern. Ihr Motto: Alles, was nicht verboten ist, ist erlaubt! Alpers einzige Sorge ist Oberhorst, denn der ist einfach schneller.
Kilometer zwei, wieder nur drei Sekunden über Soll. Die Augen fest auf die vor ihm laufenden Afrikaner gerichtet, kontrolliert Andreas Oberhorst seinen Körper. Keine Anzeichen von Schwäche, er fühlt sich gut. Der Atem geht leicht. Das gleichmäßige Tempo liegt ihm. Die Kenianer, die sonst gerne ihre Gegner mit Zwischenspurts zermürben, laufen heute stur ihre Runden. Ein Stoß mit spitzem Ellenbogen unterbricht Oberhorsts Gedanken. Unnötig ruppig drängt sich der zweite deutsche Finalteilnehmer vorbei und bringt ihn beinahe ins Straucheln. Er überholt auch die Afrikaner, diesmal ohne Rempelei, und setzt sich gleich einige Meter vom Feld ab. Oberhorst ist verunsichert. Dieses höllische Tempo, etwa eine sechziger Runde, kann der unmöglich durchhalten. Oder doch? Muss er selber reagieren?
Karsten Alpers auf der Tribüne zieht seine Unterlippe zwischen die Zähne. Lange hat er gestern mit Daniel Harms, dem drittschnellsten deutschen 10.000-Meter Läufer geredet und ihm klar gemacht, dass er keine Chance auf die Qualifikation hat. Andererseits könne er, Alpers, ihm für die Zukunft eine lukrative Beschäftigung bei einer Firma für Nahrungsmittelergänzung bieten. Voraussetzung: Oberhorst darf die Olympianorm nicht schaffen. 10.000 Meter sind lang, da kann viel passieren...
„Warum gehen die nicht mit?“, flucht Alpers halblaut vor sich hin. Abrupte Tempowechsel sind ein gutes Mittel, einen optimalen Lauf zu verhindern. Aber natürlich nur, wenn der Gegner versucht dranzubleiben. So lange die Afrikaner nicht mitzogen, würde der clevere Oberhorst ebenfalls nicht reagieren.
3000 Meter. Die Durchgangszeit entspricht exakt der Marschtabelle. Andreas Oberhorst registriert zufrieden, dass der Ausreißversuch des zweiten Deutschen gescheitert ist. Die fünf Afrikaner, Harms und er selbst laufen wieder dichtauf.
Karsten Alpers merkt nicht, dass er seine Finger um die Balustrade vor ihm verkrampft hat. Fast vier Kilometer schon – und alles scheint optimal für Oberhorst zu laufen. Da! Harms zieht erneut an. Gespannt wartet Alpers, ob die Afrikaner diesmal mitgehen. Der Vorsprung wächst. Fünf Meter, zehn, fast fünfzehn. Nichts passiert. Karsten Alpers stöhnt auf. Harms dreht in der Kurve leicht den Kopf und setzt seinen Zwischenspurt fort. Jetzt liegen schon mehr als zwanzig Meter zwischen ihm und den Verfolgern. Und endlich – die Afrikaner scheinen nervös zu werden, sie steigern ebenfalls das Tempo. Alpers starrt gebannt auf Oberhorst und wartet auf eine Reaktion.
Wahnsinn, denkt Andreas Oberhorst beim zweiten Spurt seines Kontrahenten. Das mörderische Tempo von Harms muss unweigerlich den totalen Einbruch nach sich ziehen. Die Afrikaner scheinen ebenso zu denken und lassen ihn laufen. Gut so! Noch strömt Oberhorsts Atem gleichmäßig und seine Muskeln bekommen genug Sauerstoff. Aber jetzt geht ein Ruck durch die kleine Gruppe. Den Kenianern wird der Vorsprung von Harms zu groß. Die Äthiopier setzen sofort nach. Oberhorst bleiben nur Sekundenbruchteile für eine Entscheidung. Wenn er jetzt abreißen lässt, wird der Rückstand blitzartig anwachsen. Letzte Körperkontrolle – alles in Ordnung. Also los!
Mit einem Zischen lässt Karsten Alpers den angehaltenen Atem entweichen. Sein Plan geht auf. Oberhorsts einziges Problem ist, dass er auf gleichmäßige Rundenzeiten angewiesen ist. Nun verliert er den geliebten Rhythmus und muss die Tempoverschärfung mitgehen. Alpers hat seinen Gegner gründlich studiert und will dessen Schwäche gnadenlos ausnutzen. Hauptsache der Harms hält noch eine Zeit lang durch! Auch wenn die Zwischenzeit bei fünf Kilometern deutlich unter der Olympianorm liegt, Alpers ist sich sicher, dass Oberhorst am Ende diesem Spurt Tribut zollen muss. Harms löst seine Aufgabe ausgezeichnet, schon die zweite sechziger Runde. Eine noch, denkt Alpers, nur noch eine schnelle Runde!
Langsam beginnt Andreas Oberhorst die Belastung zu spüren. Die Beine werden schwerer und der Atem strömt stoßweise über seine Lippen. Der Abstand zwischen Harms und dem ersten Kenianer verringert sich jetzt spürbar. Es wäre Zeit, wieder Tempo herauszunehmen. Aber abreißen lassen will Oberhorst nicht, denn die Afrikaner würden diese Schwäche spüren und sofort ausnutzen. Sie wissen genau, wer ihr eigentlicher Gegner ist.
Der Ausreißer ist eingeholt. Im Rhythmus seines hämmernden Pulses schickt Andreas Oberhorst ein Stoßgebet zum Himmel. Nur nicht beim Überholen nochmals das Tempo verschärfen! Einer nach dem anderen passieren die Afrikaner den keuchenden Deutschen. Auch Oberhorst läuft spielend vorbei und erkennt aus dem Augenwinkel, dass das Rennen für Harms gelaufen ist. Sechs Kilometer - zwanzig Sekunden unter der Marschtabelle! Das ist viel. Hoffentlich nicht zu viel.
Zufrieden reibt sich Karsten Alpers die Hände. Nach dem unglaublichen Spurt von Harms ist das Tempo deutlich langsamer geworden. Runde um Runde verschlechtert sich die Zwischenzeit wieder.
Oberhorst ist dankbar, dass er sich – soweit das überhaupt möglich ist – ein wenig erholen kann. Nach acht Kilometern ist er wieder fast in seinem Zeitlimit. Auch wenn der Schmerz in den Beinen langsam immer stärker wird, noch fühlt er sich gut. Er versucht gleichmäßig zu atmen um seinen Körper bestmöglich mit Sauerstoff zu versorgen.
Alpers´Blick wechselt zwischen den Läufern und der Uhr hin und her. Er ist beunruhigt. Die Spitzengruppe hat wieder ihr konstantes Renntempo erreicht. Es sieht nicht nach einem Einbruch von Oberhorst aus. Der letzte Kilometer beginnt.
Die Äthiopier steigern erneut das Tempo. Die Kenianer überlassen ihnen die Führungsarbeit ohne Gegenangriff - wofür Andreas Oberhorst sehr dankbar ist. Zu lang darf der Schlussspurt nicht sein. Sein Magen krampft sich zum ersten Mal leicht zusammen, ein Zeichen, dass er sich dem Grenzbereich nähert. Aber sein Kopf ist noch klar, das ist gut. Noch fünfhundert Meter. Wenn die Glocke zur letzten Runde läutet, dann beginnt das Finish, von dem alles abhängt. Seine Gruppe läuft auf Harms auf, der tatsächlich überrundet wird. Das ist seine Strafe für den völlig unsinnigen Zwischenspurt. Die fünf Afrikaner fliegen an dem Deutschen vorbei und auch Oberhorst setzt zum Überholen an. Der kleine Spurwechsel, nur ein Schritt zur Seite, schmerzt in den überanstrengten Muskelfasern.
Karsten Alpers schwitzt vor Anspannung. Nur noch eine Runde! Harms wird von den Afrikanern förmlich stehen gelassen, denn sie haben mitten beim Überholen den Schlussspurt angesetzt. Gleich wird auch Oberhorst vorbei sein. Doch da! Harms strauchelt und stürzt genau vor die Füße von Oberhorst. Er muss ihn zu Fall bringen, das ist die Entscheidung!
Reflexartig reißt Andreas Oberhorst sein rechtes Bein zur Seite um dem Gestürzten auszuweichen. Bloß nicht fallen! Es gelingt ihm, auf den Füßen zu bleiben, aber er taumelt zur Seite. Ein stechender Schmerz in den Adduktoren zeigt an, dass die Muskulatur auf solche Einsätze nicht vorbereitet ist. Mühsam gelingt es ihm, das Gleichgewicht zu wahren. Erst nach weiteren zehn Metern findet er die Ideallinie wieder. Das Tempo ist raus, die Lücke zu den davonstürmenden Afrikanern wird ständig größer.
Unglaublich, denkt Alpers auf der Tribüne, wie kann der Mann in dieser Situation auf den Beinen bleiben? Aber der Einsatz von Harms war trotzdem erfolgreich, denn der Vorsprung des führenden Äthiopiers beträgt schon zwanzig Meter und wächst weiter an. Bis Oberhorst wieder richtig Tritt gefasst hat, sind die entscheidenden Sekunden bestimmt verstrichen. Und Deutschlands Mann für Olympia wird Karsten Alpers heißen.
Nur nicht aufgeben! Oberhorst beißt die Zähne zusammen. Schneller, schneller – wie ein Mantra wirbelt das Wort durch seinen Kopf. Starr klebt sein Blick an der Spitzengruppe. Er versucht sich heranzusaugen. Meter um Meter kommt er den Afrikanern näher. Seine Beine sind übersäuert, seine Lungen brennen und er glaubt Laktat auf der ausgedörrten Zunge zu schmecken. In seinem Denken ist kein Platz für Schmerzen, nur „schneller, schneller“. Eingangs der letzten Kurve beträgt sein Rückstand noch gut zehn Meter, aber er holt unbeirrt weiter auf. Er sieht nichts mehr außer den Rücken seiner Gegner. Vollkommen mechanisch verrichten seine Beine ihre Arbeit, er weiß nicht, ob er noch atmet. Kurz durchdringt das bekannte Stechen unterhalb des Schlüsselbeins seine abgeschotteten Gedanken. Ein Warnsignal, dass die absolute Leistungsgrenze erreicht ist. Schneller, schneller. Noch hundert Meter bis zum Ziel und er hat Anschluss an die Spitze gefunden. Bunte Lichtblitze und schwarze Flecken trüben seinen Blick. Macht nichts, es geht nur noch geradeaus. Schneller, schneller. Ohne es zu merken, hat er bereits einen Äthiopier und zwei Kenianer überholt. Noch dreißig Meter. Sein weit aufgerissener Mund versucht Sauerstoff einzusaugen. Sein Herz schlägt über 200 Mal pro Minute und seine Beine hämmern gleichmäßig auf die Bahn – aber Andreas Oberhorst merkt es nicht mehr. Schneller, schneller. Mit einer letzten Willensanstrengung zwingt er seine Augen noch einmal das Ziel zu fokussieren. Noch zehn Meter, noch fünf, noch einer. Er wirft sich über die Linie, stürzt und kämpft gegen die Ohnmacht. Der geschundene Körper verlangt nach Vergessen.
Karsten Alpers traut seinen Augen nicht. Sieg und neuer deutscher Rekord! Mit hängenden Schultern verlässt er die Tribüne.
Keuchend liegt Andreas Oberhorst auf der Kunststoffbahn. Sein gequälter Gesichtsausdruck weicht einem Lächeln. Der Traum von Olympia wird wahr.

Kurzgeschichte
03-06-2012, 20:31
Der dreizehnte Apostel

Kerstin zählte mit, als die Kirchturmuhr zur vollen Stunde schlug.
Eins - Zwei - Drei.
Der erwartete vierte Glockenschlag blieb aus. Eigentlich hatte sie damit gerechnet, dass es mindestens schon 4 Uhr morgens hätte sein müssen. Aber so war es ja immer, wenn sie sich schlaflos im Bett hin und her wälzte. Die Zeit schien dann stillzustehen oder doch wenigstens schrecklich langsam zu vergehen.
Das war eine Erkenntnis, über die Kerstin noch nicht lange verfügte. Schlaflosigkeit war etwas, was sie bis vor einem halben Jahr nur aus Erzählungen anderer kannte. Wie oft war sie beneidet worden um Ihre Fähigkeit, beinahe immer und überall einschlafen zu können. Und durchzuschlafen.
Damit war es schlagartig vorbei gewesen, als Martin sie verlassen hatte. Ausgezogen war aus der gemeinsamen Wohnung, um sogleich bei der fetten, pickelgesichtigen Lucie einzuziehen. Ihrer ehemals besten Freundin. Was die Angelegenheit nicht gerade erleichterte. Denn normalerweise wäre Lucie diejenige gewesen, bei der sie sich ausheulen und das Thema „Martin“ von allen Seiten hätte beleuchten und analysieren können. Bis sie darüber hinweg gewesen wäre. Lucie war in solchen Situationen immer eine große Hilfe gewesen, hatte geduldig zugehört, gute Ratschläge gegeben und im Notfall auch mitgetrunken, wenn die Aussage „Alkohol ist keine Lösung“ nicht mehr haltbar gewesen war.
Und jetzt hatte dieses Miststück ihr den Mann ausgespannt. Und ihr den Schlaf geraubt. Das war in gewisser Weise das Schlimmste. Denn den schlaflosen Nächten folgten wie in einem Nebel vorüberziehende Tage, an denen Kerstin zuweilen glaubte, vor Müdigkeit gleich umzukippen. Was sie nicht tat. Leider. Denn einfach umzufallen und dann stunden- oder tagelang zu schlafen würde eine Erlösung sein. Nicht nur wegen des Schlafes selbst. Nein, sie würde einfach nicht mehr nachdenken müssen.
Vor vier Monaten hatte sie es dann mit Schlaftabletten versucht. Diese hatten zunächst auch geholfen, aber über den Tag hinweg fühlte sie sich noch immer schlaff und erschöpft. Ihr Arzt hatte ihr deswegen eine Art Muntermacher verschrieben. Damit ging es dann tatsächlich ein wenig besser. Aber eben nur ein wenig.

Wieder ein Glockenton von der Kirchturmuhr.
Viertel nach Drei.
Wie heiß es im Schlafzimmer war. Kerstin stand auf, ging zum Fenster, zog die Vorhänge zurück und hoffte, eine sanfte, erfrischende Nachtbrise zu empfangen. Aber draußen war es genauso stickig wie im Zimmer. Enttäuscht stützte sie sich auf den Fenstersims und schaute hinunter auf die Straße. Eine Katze schlich durch den Lichtkegel einer Laterne und verschwand dann in einem angrenzenden Gebüsch. Wie ausgestorben lag die Straße nun wieder da. Der süße Duft blühender Linden würzte die Luft, doch auch die Bäume standen still und wurden von keinem Windhauch belebt.

Als Kerstin zur Kirche hinüberblickte, meinte sie, eine Bewegung wahrzunehmen. Ja, auf dem Kirchendach war etwas. Vielleicht eine Taube? Aber nein, Vögel waren in der Nacht nicht unterwegs. Eulen ausgenommen, doch die gab es hier nicht. Dann vielleicht eine Fledermaus. Das riesige Gebäude stand nur etwa 25 Meter entfernt von Kerstins Haus, es wäre also gut möglich, dass sie selbst so etwas Kleines wie eine Fledermaus würde sehen können. Andererseits, es war dunkel. Von hier oben im fünften Stock konnte sie zwar direkt hinüber zum Dach der Kirche blicken, das aber blieb vom Lichtschein der Straßenlaternen weitgehend unberührt, so dass sie selbst die steinernen Apostel, die den Dachfirst säumten, nur schemenhaft erkennen konnte.
Vermutlich nur eine Art Halluzination, hervorgerufen von dem Mangel an Schlaf.
Kerstin wollte sich gerade wieder vom Fenster abwenden, als sie abermals glaubte, dass sich dort drüben auf dem Dach der Kirche etwas bewegt hätte. Nun starrte sie angestrengt hinüber. So lange, bis die Uhr mit einem neuerlichen Glockenschlag anzeigte, dass es jetzt halb vier sei.
Kerstin war so vertieft gewesen, dass sie über den Ton erschrak und Herzklopfen bekam.
„Beruhige dich, das war doch nur die Turmuhr“, flüsterte sie und wartete darauf, dass das wilde Pochen im Brustkorb wieder nachließ. Sie atmete tief ein und aus, das Kirchendach nun nur noch nachlässig im Auge behaltend.

Gerade, als ihr Herzschlag sich wieder normalisiert hatte, nahm sie erneut eine Bewegung auf dem gegenüberliegenden Dach wahr. Und dieses Mal konnte sie erkennen, dass sie sich nicht getäuscht hatte.
Neben einem der Apostel stand jemand.
Gerade war er direkt hinter der Steinfigur hervorgetreten, so als ob diese sich plötzlich verdoppeln würde und einen dreizehnten Apostel freigegeben hätte. Die Gestalt blieb direkt neben dem Sandsteinpetrus stehen. Und das Ärgste war, dass sie direkt zu ihr hinüberzuschauen schien.
Das Herzrasen setzte wieder ein. Am liebsten wäre Kerstin sofort vom Fenster verschwunden, in Deckung gegangen, hätte sich im Bett oder noch besser darunter versteckt, aber ihr Körper reagierte nicht auf diesen Wunsch. Wie angewurzelt stand sie da und starrte mit aufgerissenen Augen und geöffnetem Mund zu der Erscheinung hinüber.
Das musste ein Verrückter sein! Wer sonst kletterte mitten in der Nacht auf Kirchendächern herum, versteckte sich hinter Steinfiguren und erschreckte andere Menschen? Ein geisteskranker perverser Spinner war das, ganz klar. Aber was wollte er ausgerechnet von ihr? Warum stand er da und beobachtete gerade sie?
„Weil du die Einzige bist, die zu nachtschlafender Zeit am Fenster herumsteht“, versuchte der noch nicht hysterische Teil ihres Verstandes ihr zu übermitteln. Ja, weg vom Fenster, das wäre das Vernünftigste. Dann konnte sich dieser Irre die Beine in den Bauch stehen und glotzen, sie jedenfalls stünde nicht mehr zur Verfügung.
Doch bevor sie dieses Vorhaben in die Tat umsetzen konnte, wurde sie von einem grellen Licht geblendet. Der Strahl einer Taschenlampe, der Helligkeit nach zu urteilen schien es sich eher um einen Scheinwerfer zu handeln, traf sie mitten ins Gesicht.
Kerstin warf sich zu Boden und schaute zur Wand hin, welche von dem durch das weit geöffnete Fenster dringenden Licht noch immer erhellt wurde. Der Irre auf dem Dach gegenüber ließ den Lichtstrahl tanzen, mal glitt er zur linken Ecke des Zimmers, dann wieder hinüber zur rechten Seite, ganz so, als ob er sie, Kerstin, suchen würde. Hier unten auf dem Boden vor dem Fenster war sie einstweilen sicher. Andererseits wusste der Kerl spätestens jetzt, dass sie ihn bemerkt hatte, wusste, dass sie wach war und vor allem wusste er, wo sie wohnte.

Und wenn es Absicht war, sie kein Zufallsopfer war?
Ihr fielen einige kleine Begebenheiten der vergangenen Tage ein, Augenblicke, in denen sie geglaubt hatte, beobachtet zu werden.
Einmal, als sie vom Einkaufen gekommen war, hatte sie einen Mann bemerkt, der ihr zu folgen schien. Zuerst war er ihr im Supermarkt aufgefallen. Mehrmals hatten sich ihre Blicke dort wie zufällig zwischen den Regalreihen getroffen und Kerstin hielt ihn für einen Detektiv. Einen ziemlich schlechten, so auffällig, wie er sich gab.
Dann stand er hinter ihr an der Kasse, hatte nur eine Rolle Drops auf das Laufband gelegt und als Kerstin, deren Einkauf etwas üppiger ausgefallen war, ihn an sich vorbeiwinken wollte, schüttelte er nur ablehnend den Kopf. Er hatte das Geschäft schon verlassen, als sie ihre Einkäufe verstaut hatte, doch als sie um die Ecke bog, sah sie ihn wieder. Er schlenderte langsam auf der anderen Straßenseite entlang und drehte den Kopf in ihre Richtung, als sie auf seiner Höhe war und ihn schließlich überholte.

Natürlich, ein unbedeutendes kleines Erlebnis, dennoch war es merkwürdig, dass der gleiche Mann ein paar Tage später wartend vor dem Haus ihres Arztes stand. Sie trat gerade aus der Tür und wäre beinahe mit ihm zusammengestoßen. Wieder hatte er sie angeblickt, verzog dabei keine Mine, schaute aber weg, als sie seinen Blick beinahe herausfordernd erwiderte.
Zum dritten und bisher letzten Mal hatte der Fremde vorgestern ihren Weg gekreuzt. Kurz vor Ladenschluss war das gewesen, sie wollte noch schnell zur Apotheke gehen und das neue Rezept für die Schlaftabletten einlösen. Doch dazu war es nicht gekommen, denn als sie von weitem sah, dass ausgerechnet dieser seltsame Mensch ebenfalls auf die Apotheke zusteuerte und sie dann betrat, war sie stehen geblieben. Wartete halb hinter einer Linde versteckt, während sie unruhig auf ihre Armbanduhr schaute. Eigentlich war das ziemlich albern, aber sie wollte dem Mann nicht schon wieder begegnen. Leider ließ er sich so viel Zeit, dass er erst wieder auf die Straße trat, als es schon zu spät für ihren Einkauf war. Die Apothekerin schloss direkt hinter ihm die Ladentür ab. Der Mann hatte es auch heute nicht eilig, blieb noch kurz vor der Apotheke stehen und blickte sich um, fast so, als ob er jemanden suchen würde. Sie beispielsweise.
Wegen diesem Kerl hatte sie jetzt keine Schlaftabletten, fand keinen Schlaf und nun…

Ja, nun lag sie auf den staubigen Flauschteppich unter dem Schlafzimmerfenster und getraute sich nicht, aufzustehen. Sie nieste. Wann hatte sie hier zum letzten Mal saubergemacht? Der Lichtschein bewegte sich noch immer und erleuchtete Teile des Zimmers. Wo gab es eine so leistungsstarke Taschenlampe zu kaufen? Das war doch nicht normal. Aber was war hier überhaupt noch normal?

Kerstin versuchte, klar zu denken. Sollte sie zum Telefon robben und die Polizei anrufen? Das wäre vermutlich das Klügste. Sollten die sich um den verrückten Fassadenkletterer kümmern.

Auf allen Vieren kroch sie zur Tür des Schlafzimmers hin und hatte diese fast erreicht, als der Lichtstrahl sie erfasste. Gleich darauf spürte sie etwas Kleines, Hartes, das an ihrer Schulter abprallte. Wieder warf sie sich auf den Boden, so tief unten konnte der Kerl sie nicht mehr mit seinem Dreckslicht erfassen. Schmiss dieser Irre jetzt auch noch Steinchen? Immerhin, er hatte sie getroffen. Nicht hart, nicht so, dass sie sich verletzt hätte, aber noch mehr als mit dem Strahl seiner Lampe drang er auf diese Weise in ihren Lebensraum ein. Beinahe so, als ob er sagen wolle: erst mein Licht, dann mein Stein und danach ich selbst.
Mit zitternden Händen tastete sie auf dem Teppich nach dem Geschoß. Tatsächlich, ein kleiner Stein, groß genug, um aus näherer Entfernung geworfen Schaden anrichten zu können.

Plötzlich packte Kerstin eine übermächtige Wut. Was bildete sich dieser Wahnsinnige eigentlich ein? Sie war sich jetzt sicher, dass es sich um den gleichen Mann handelte, von dem sie sich in den vergangenen Tagen beobachtet und beinahe verfolgt gefühlt hatte.
„Nicht mit mir, mein Freund, nicht mit mir!“ Das sagte sie laut, ging in die Hocke und sprang dann mit einem Satz, noch bevor sie wieder in das gefährliche Lichtvisier geraten konnte, in den Flur hinaus.

Im Dunkeln tastete sie eilig in den Schubladen der Flurkommode herum. Hier irgendwo musste das Ding doch liegen.
Zum ersten Mal war sie dankbar, dass Martin bei seinem überstürzten Auszug vieles, was ihm gehörte, einfach hier gelassen hatte. Eigentlich fast alles. Eine kleine Reisetasche mit Klamotten hatte er mitgenommen, mehr nicht. Später, als er dachte, die Lage oder besser gesagt Kerstin hätte sich beruhigt, hatte er versucht, Kontakt mit ihr aufzunehmen und einen Termin zu vereinbaren, um sein Hab und Gut abholen zu können. Aber Kerstin hatte jedes Mal aufgelegt, wenn er angerufen hatte. Auf seine Mails und Briefe hatte sie gar nicht erst geantwortet und zweimal einige bange Minuten schweigend hinter der Wohnungstür verbracht, als Martin Sturm klingelte. Ihren Namen rief und sie bat, doch endlich zu öffnen. Beim zweiten Mal hatte er zur Verstärkung sogar Lucie mitgebracht, die irgendwann anfing, wüste Drohungen auszustoßen.
„Nun rück endlich Martins Sachen raus, Kerstin. Du tickst doch nicht mehr ganz richtig! Wenn Du nicht endlich vernünftig wirst, kannst Du was erleben.“ Martin hatte die Schimpfende schließlich zum Schweigen und aus dem Haus gebraucht, seitdem hatte sie nichts mehr von den beiden gehört.

Ja, Lucie hatte ihr gedroht. Ob sie den Verrückten angeheuert hatte? Vielleicht sollte er sie weichkochen? Ein wenig verfolgen, ein wenig ängstigen? So sehr ängstigen, dass sie sich hilfesuchend an die einzigen zwei Menschen wenden würde, die sie jemals gehabt hatte. Martin und Lucie. Die dann als Tröster und Retter gefragt waren. Natürlich, Lucie wusste, dass sie allein war, außer ihnen keine privaten Kontakte hatte.

Mit dieser Erkenntnis wuchs Kerstins Wut nur noch mehr. Wie belebend sich das anfühlte! Zum ersten Mal seit einem halben Jahr fühlte sie sich hellwach und lebendig. Sie wühlte hastig weiter in den Schubladen, ertastete fremdartige Gegenstände, stach sich heftig in den Daumen, als sie auf ein halbgeöffnetes Nähnadelset stieß, fand ihren alten Vibrator wieder, von dem sie sich schon seit Jahren gefragt hatte, auf welche Weise er verloren gegangen sein könnte. Und schließlich hielt sie in der Hand, wonach sie gesucht hatte.

Martins Zwille. Die Steinschleuder war schon fast ein Profigerät, wenn es denn Profis in Sachen Zwillenschießen gab. Waren die Dinger nicht sogar verboten? Auf jeden Fall ein effektives Gerät, was durch die Tatsache verstärkt wurde, dass Kerstin vor Jahren mit diesem Ding schießen geübt hatte. Martin hatte es ihr unbedingt beibringen wollen und so waren sie an vielen Wochenenden in einen verlassenen Steinbruch gefahren. Munition gab es dort genug und mit der Zeit machten Kerstin diese Zielübungen geradezu Spaß. Zumal sie immer besser wurde. Das alles war schon lange her, aber Kerstin war sich sicher, dass sie es noch konnte.
Was könnte ihr als Geschoß dienen? Ihr fiel der Stein ein, den der Verrückte vom Kirchendach zu ihr geworfen hatte. Vielen Dank für die Munition! Kerstin grinste.
Und wenn sie danebentraf, konnte Martins Mineraliensammlung herhalten. Womit möchte der Herr erschossen werden? Darf es ein Pyromorphit sein? Oder bevorzugen Sie einen Onyx? Nun lachte sie lauthals auf.

Kerstin ging ins Wohnzimmer. Auch hier waren die Fenster wegen der Hitze weit geöffnet, allerdings waren die Vorhänge zugezogen. Der Typ da drüben vermutete sie wahrscheinlich noch immer im Schlafzimmer und konnte wegen der Gardinen hier auch nicht sehen, dass sie den Raum gewechselt hatte. Vorsichtig spähte sie an einer Seite des Vorhanges vorbei nach draußen. Der Verrückte hatte inzwischen seine Scheinwerferspielchen aufgegeben, war aber noch immer auf dem Dach und schaute zu ihr herüber. Pech für ihn, dass er auf das falsche Fenster fixiert war. Kerstin legte den Stein in die Mitte der Gummischlaufe, spannte diese, nahm den Kerl ins Visier, atmete dreimal tief durch und schoss.

Selbst aus dieser Entfernung hörte sie das saftige „Pflock“ des Aufschlages, dann einen leisen Schrei, der Mann taumelte, versuchte, sich an der Apostelfigur festzuhalten, griff jedoch daneben, rutschte noch ein Stück, schien dann zu stolpern und stürzte schließlich vom Dach.

Obwohl sie nun eigentlich hätte erleichtert sein müssen, starrte Kerstin entsetzt auf die leblose Gestalt am Fuße der Kirche und begann zu schreien. Schrie und schrie und konnte gar nicht mehr damit aufhören.


Als die von den Nachbarn alarmierte Polizei die Tür zu Kerstins Wohnung aufbrach, schrie sie noch immer, nun schon recht heiser.

Kerstin schloss die Augen und spürte, wie die Beruhigungsspritze, die ihr der Notarzt gegeben hatte, zu wirken begann.
Gesprächsfetzen drangen an ihr Ohr.
Jemand sagte: „Da draußen ist niemand zu finden. Wir haben alles um die Kirche herum abgesucht, aber keine Spur von einem Verletzten oder Toten.“
Weiter weg hörte sie eine weibliche Stimme, die ihr bekannt vorkam. Frau Schmitz von nebenan, vermutete sie. „Die arme Frau Gruber hat ja so viel mitgemacht in der letzten Zeit. Denken sie nur, kurz vor Weihnachten sind ihr Mann und ihre Freundin bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Frau Gruber selbst wurde fast unverletzt aus dem Autowrack gerettet. Aber was genau passiert ist, weiß sie nicht. Sie hat ja auf dem Rücksitz gelegen und geschlafen.“
Jemand berührte sie an der Schulter.
„Frau Gruber, können Sie mir sagen, wie viele davon Sie in der letzten Zeit genommen haben?“
Mühsam öffnete Kerstin die Augen. Der Notarzt kauerte neben ihr und hielt ihr einige Medikamentenschachteln hin.
„Die Schlaftabletten sind alle“, war alles, was sie herausbrachte. Das Sprechen fiel ihr furchtbar schwer. Sie war so unendlich müde.
Die Stimme des Arztes bewegte sich von ihr weg. „Vermutlich Medikamentenmissbrauch mit Entzugserscheinungen. Dazu ein Nervenzusammenbruch.“
Wieder spürte sie eine Hand auf ihrer Schulter. „Wir bringen Sie jetzt in eine Klinik, dort sind sie sicher. Keine Sorge Frau Gruber, das wird schon wieder“, hörte sie die beruhigende Stimme des Arztes noch sagen, bevor sie endlich einschlief.



Gute zehn Jahre nach diesem Vorfall wurde die Apostelkirche renoviert. Die den Dachfirst säumenden Apostel hatten Wind und Wetter erfreulich gut standgehalten. Nur die Statue des Petrus wies Schäden auf, welche sich die Restauratoren nicht erklären konnten. Dem Heiligen fehlte die Nase. Statt ihrer prangte ein türkis schimmernder Labradorit in der Mitte des steinernen Antlitzes.

Kurzgeschichte
03-06-2012, 20:35
Prom Night

Jackie war seit Anfang der High School Außenseiterin gewesen. Allein im Unterricht, allein in den Pausen. Allein beim Mittagessen, wo die einzige Aufmerksamkeit in Nahrungsmitteln bestand, die jemand (meist Terri oder Breanna oder beide zusammen) von zwei Tischen hinter ihr auf sie warf, um dann im Gegacker der Leute um sie zu verschwinden. Und natürlich hatte sie kein Date für die Prom.

"Am besten gehe ich gar nicht hin", sagte sie zu ihrer Mutter über die Müslischüssel. "Ach was, viele Mädchen gehen allein hin." "Ich kenne sonst keine aus meiner Klasse, die ohne Freund kommt." Aber ihre Mutter hörte schon gar nicht mehr hin.

Um so überraschter war sie, als Timothy am nächsten Tag in der Pause unvermittelt direkt auf sie zu ging und sie fragte: "Willst du mit mir zur Prom gehen?" Timothy der Coole. Timothy, den sie, obwohl er eigentlich nicht besonders nett war, heimlich anhimmelte. Timothy, der außerhalb des Unterrichts noch nie ein Wort mit ihr gewechselt hatte. Timothy, der mit Angelina zusammen war?! Jackie starrte Tim an. "Na, was ist?" "Äh ... hätte Angelina da nicht was dagegen?" "Ich hab rausgekriegt, dass Angie mit einem vom College rummacht. Das ist meine Rache. Ich lass sie in dem Glauben, dass ich mit ihr hingehe. Sie wird warten und warten und sich letztendlich von ihren Eltern hinfahren lassen, und dort wird sie dann dich an meiner Seite sehen und ihr wird klar werden, dass ich es weiß."

Die Alarmglocken hätten bei ihr schrillen sollen. Stattdessen dachte sie nur darüber nach, ob sie ein Rachewerkzeug sein wollte. Und entschied sich, dass alles besser war, als die Prom zu verpassen oder allein aufzukreuzen. Also sagte sie ja. Tim bat sie noch, es niemandem zu erzählen, damit seine Rache an Angie nicht gefährdet würde. Aber Jackie kannte ohnehin niemanden, dem sie es hätte erzählen können.

"Mom, können wir ein Kleid kaufen gehen?" "Ich dachte, du willst nicht zur Prom gehen, wenn du allein gehen musst." "Ich geh ja nicht allein." Die Mutter zog die Augenbrauen hoch. "Tim hat mich gefragt." Ihre Mutter wusste nicht, wer Tim war. Oder sonst irgendjemand in Jackies Klasse. "Aha, okay. Aber ich fürchte, ich komm in nächster Zeit nicht dazu, mit dir shoppen zu gehen. Ich werd Mrs. McDonalds fragen, ob sie mit dir gehen kann." Jackie rollte die Augen. Die alte Nachbarin war früher mit ihr öfter Kleidung kaufen gegangen, weil Mutter nicht genug Zeit dafür hatte. Aber das war schon Jahre her gewesen. "Ist schon gut, ich geh einfach allein." "Sicher?" "Ja, sicher."

Es stellte sich als erstaunlich schwierig heraus, allein in und aus den Kleidern zu kommen. Noch viel schwerer war es, allein vorm Spiegel zu stehen, zu versuchen, sich von allen Seiten zu betrachten und zu entscheiden, welches Kleid erträglich aussah. Sie fühlte sich schrecklich allein.

Dann tauchten auch noch Breanna und ihr Freund Ron auf. Sie zeigten aus einiger Entfernung auf sie und verbogen sich fast vor Lachen. „Wenigstens werden sie nicht die Genugtuung haben, dass ich als Einzige allein auf der Prom sein werde.“

Es kam die Nacht der Prom. Timothy wollte sie 18 Uhr mit der gemieteten Limousine zu Hause abholen, wie es üblich war. Sie saß schon 17:30 Uhr voll bekleidet auf der Treppe im Haus und wartete auf das Türklingeln. Die Nachbarin hatte ihr mit den Haaren und dem Kleid geholfen. Mutter war mal wieder nicht da.

Jackie wartete und wartete. Tim kam nicht. Sie rief auf dem Handy an. Er ging nicht ran. Vielleicht hatte er einen Unfall gehabt? Aber mit den Stunden, die vergingen, wurde es ihr klarer und klarer. Es war alles nur ein böser Streich gewesen.

Kurz vor 11 rief sie ein Taxi und ließ sich zur Prom fahren. Sie ging hinein. Die Party war in vollem Gange. Tim, Angie, Breanna, Ron, Terri und viele andere sahen sie, lachten unübersehbar, zeigten auf sie, tuschelten mit anderen um auch ja die ganze Jahrgangsstufe ins Bild zu setzen. Jackie stand am Rand.

Um Mitternacht ging sie die hohe Treppe hinauf, kletterte über die Brüstung und sprang in den lärmenden feiernden Raum hinunter in den Tod.

Die Jahre im Fegefeuer waren nicht angenehm. Jackie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war. Das wusste dort niemand.

Aber sie traf jemanden. Sebastian. Er war 9 oder 10 Jahre alt. Gewesen, als er starb. Er sprach nicht viel, aber wenn er sprach, dann darüber, wie viel Angst er vor seinem Vater gehabt hatte.

Und dann, sie wusste nicht, wie es dazu gekommen war, war sie wieder am Leben. Und untot. Jedenfalls wieder auf der Erde. Ein Blick in ein Schaufenster eines Fernsehladens zeigte ihr, dass ungefähr drei Jahre vergangen waren. Und sie wusste, sie musste eines tun. Rache.
Sie durchsuchte ihre Taschen. Sie hatte Geld, viel Geld, und einen Autoschlüssel. Woher, das wusste nur Gott. Oder wohl eher der Teufel.

Sie lief durch die Straßen. Ziellos, und doch mit einem unbewussten Ziel. Bei einem Auto hatte sie plötzlich das Gefühl, das müsste ihres sein. Sie probierte den Schlüssel und er passte.

Sie fuhr zum College. Sie wusste nicht, warum. Bis sie dort ankam. Es war schon Abend. Nicht viel los. Dort waren Breanna und Ron..

Jackie fand eine Pistole im Handschuhfach. Sie dachte nicht mehr darüber nach, wie sie dahin gekommen war, oder woher sie wusste, dass sie dort nachsehen musste. Sie stieg aus, lief den beiden hinterher, bis sie in einem dunklen Park waren. Dann stellte sie sie.

„Ihr wusstest es, nicht wahr?“ Sie starrten sie entgeistert an. „Aber du … du bist tot!“ „Nicht so tot, wie ihr wohl gern hättet.“ Sie sah die Schuld in ihrer Seele. „Kniet nieder.“ „Nein, bitte ….“ „Klappe halten.“ Sie knieten nieder. Sie jammerten weiter um Gnade. Es nützte ihnen nichts. Jackie erschoss beide, einen nach dem anderen. Die Angst und Verzweiflung in ihren Augen gab ihr zusätzliche Kraft.

Sie kam unentdeckt aus dem Park. Hörte schon Rufe in der Nähe, von Leuten, die die Schüsse gehört hatten. Sie stieg ins Auto und fuhr weiter.

An einem Einkaufszentrum hatte sie das Gefühl, aussteigen zu müssen. Warum? Als Racheengel oder Teufel oder was auch immer sie jetzt war, hatte sie keinen Hunger oder andere Bedürfnisse. Sie lief herum.

Plötzlich sah sie einen Mann an einer Kasse. Und dann wusste sie es. Sie ging zu ihm. „Sie sind Sebastians Vater, nicht wahr?“ Er starrte sie an, murmelte „Sebastian“. Sie zog die Waffe und schoss ihm in den Kopf. Die Leute schrien und rannten davon.

In dem Chaos war es ein Leichtes, das Einkaufszentrum zu verlassen, ohne angehalten zu werden. Sie fuhr weiter.

Da lief Terri auf dem Fußweg. Allein. Sie machte es ihr zu einfach. Jackie fuhr mit Karacho auf den Fußweg und quetschte Terri zwischen Auto und Wand ein. Ihr Körper wurde zerschmettert. Sie sah Jackie noch entsetzt an. Dann starb sie.

Nun musste Jackie zu Fuß weiter. Auf einer Brücke fand sie Angie, die da anscheinend auf Tim wartete. Woher wusste sie das eigentlich? Es könnte doch sein, dass sie gar nicht mehr zusammen waren?

Jackie sprach sie an. Angie starrte entsetzt. „Aber du bist tot.“ „Deinetwegen.“ „Es tut mir leid, es sollte nur ein harmloser Scherz sein!“ „Harmlos.“ Jackie packte Angie und war sie über das Brückengeländer in das steinige Wasser, wo ihr der Tod sicher war.

Dann wartete sie im Schatten auf Tim.

Tim kam. Er hielt Jackie aus der Ferne für Angie, bemerkte dann, dass sie es nicht war. „Wo ist Angie?“ „Die nimmt gerade ein Bad.“ Jackie schaute hinunter. Tim tat es ihr nicht gleich. „Erkennst du mich noch?“ „... Jackie“ „So ist es. Ich habe die anderen bereits erledigt, und jetzt bist du dran.“

„Was bist du, ein Racheengel? Ein Dämon?“ „Vielleicht.“ „Und du bist hier, um unsere Schuld zu rächen?“ „So ist es.“

Tim schaute sie nur an. Dann sagte er: „Du solltest bei dir selbst anfangen. Was ist mit deiner Schuld?“ „Meiner Schuld? Wovon redest du? Weil ich die anderen getötet habe?“ „Nein, da hattest du wohl keine Wahl, als Racheengel.“ Es gefiel Jackie nicht, dass sie wohl nicht selbstbestimmt handeln konnte. „Was dann? Dass ich meine Familie verletzt habe durch meinen Selbstmord? Die waren ohne mich doch sowieso besser dran.“ „Nein, das meine ich auch nicht.“ „WAS DANN?“ schrie sie, zückte die Waffe und richtete sie auf ihn. „Wir waren grausam zu dir. Grausame dumme Kinder. Es war ein grausamer dummer Streich. Wir hätten das nicht tun dürfen. Aber war es wirklich richtig, uns dafür mit deinem Selbstmord zu bestrafen? Deinen Tod uns aufzuladen? Für einen Schulstreich, egal wie gemein er war?“

Und sie erkannte, dass er Recht hatte. Dass es das gewesen war, was sie gequält hatte.

Sie sollte jetzt schießen. Oder ihn Angie hinterher werfen. Aber sie stand nur da. Und plötzlich ging sie in Flammen auf. Es tat gar nicht weh. Anscheinend war Feuer kein Problem für Dämonen. Tim starrte sie kurz an, drehte sich dann um und lief davon. Sie brannte noch eine Weile wie eine Fackel. Sie hörte die Feuerwehr aus der Ferne. Und dann hörte sie nichts mehr.

MegaRyan
03-06-2012, 21:08
:o Was für eine Wahnsinnsarbeit! :ko:

Dankedankedanke an euch beide! :knuddel:
Das wird interessant mit den Sonderpunkten. :trippel:

...mal schauen, wann ich überhaupt Zeit zum Lesen finden werde...

Justine
03-06-2012, 21:56
Schönes Bild, schöne Geschichten! :) Aber laaaang....
Und einige haben tatsächlich 2 eingereicht!
Freue mich aufs Lesen.

storch
03-06-2012, 22:10
Da sind sie ja endlich, http://mainzelsmile.ioff.de/stoerte/hopps5.gif


danke schonmal.

*freckle*
03-06-2012, 22:18
:wink: ich freue mich schon aufs lesen :freu:

toll, was sisu und erin sich für eine arbeit gemacht haben:clap:. es ist mir eine ehre, dass ich in eurem ep stehen darf :freu::freu::freu::helga:.

Justine
03-06-2012, 22:33
Neugierig überflogen: 2 Olgas, 2 Katzen, diverse Avas - viel Reality, wenig Phantasy, ich bin gespannt auf die ausführliche Lektüre. 2 Autoren glaube ich zu erkennen. :)

Herr Moser
03-06-2012, 22:45
danke erin & sisu :anbet: :anbet:

ich bin sehr gespannt auf die geschichten ... kann aber leider erst morgen mit lesen beginnen....

dark
03-06-2012, 22:45
Immerhin hab ich Jelka schon am ersten Satz erkannt :D


Allerdings hab ich auch immer erst nur den ersten gelesen :zahn:

Eliet
04-06-2012, 02:13
Schöne neue Ideen für die Auswertung. :)

Ich freue mich auch sehr aufs Lesen.

Mr Smith
04-06-2012, 10:47
Mr Smith ist schwer beeindruckt.



Ich vergebe erst einmal einen Sonderpunkt an Kurzgeschichte fürs Styling! Sowie einen Sonderpunkt für die Mühe an Kurzgeschichte!!!! Da stinke ich dann ja total gegen ab!


:clap::clap::clap:

Ich werde vermutlich morgen die Erste lesen. Toll das wir so viel Zeit für die abstimmung haben, da komme ich dann vieleicht auch mit (ich bin ja etwas langsam:zahn:) und schaffe es alle durchzuackern.

Rheinlady
04-06-2012, 11:59
Werde heute abend mit Lesen anfangen und lese diesmal alle Geschichten (wie versprochen). :ja:
Freue mich ganz doll. :freu:

Lovely
04-06-2012, 13:01
Wie schön, mein Favoritenbild im EP :freu: - sehr gute Wahl :ja:

Ich habe schon fünf Geschichten gelesen und ich muß sagen: O là là! :love:

Tolle Geschichten; fühlte mich bisher glänzend unterhalten :)

Walter
04-06-2012, 16:08
Also wirklich.

Ich gucke ins Ioff, neugierig wegen des Schreibwettbewerbes, suche und suche und stelle mit Erstaunen und Schrecken fest, daß da noch ein anderer Schreibwettbewerb am Laufen ist, von dem ich gar nichts mitbekommen habe. :o

Aber wo ist "mein" Wettbewerb? Sind Erin und sisu etwa immer noch nicht fertig mit der Threaderstellung? Ein wenig frustriert und neugierig klicke ich dann halt mal auf die Konkurrenz, den Schreibwettbewerb "Yetis 2012".

Und bin erleichtert! :D

Ihr Hundlinge! Da habt Ihr mich (und sicher nicht nur mich) ja sauber aufs Glatteis geführt! :rotfl: Aber wie Jelka ja schon vor einer ganzen Weile festgestellt hat: eigentlich ist der Yeti überall, man muß ihn nur suchen.

Ein ganz herzliches Dankeschön nun erst einmal an unsere Wettbewerbsausrichter, die im Vorfeld wacker diversen Stürmen trotzten, sich auch nicht von den zunächst spärlich eintreffenden Geschichten entmutigen ließen und uns nun nach der hilfreichen Verlängerung stolze 18 Geschichten präsentieren. Und das nicht nur perfekt aufgemacht (an dieser Stelle sei noch "Danke" gesagt an freckle für das hübsche Eingangsbild), sondern auch mit erstaunlich-erfreulichen Ideen die Abstimmung betreffend. Ich finde das sehr interessant mit den verschiedenen Kategorien und der Art und Weise, wie die Stimmen gesetzt werden dürfen. Danke also für Eure Mühe, Euer Durchhaltevermögen und die vielen Ideen, die Ihr in den aktuellen Wettbewerb gesteckt habt. :anbet::anbet::anbet:

Ein Dankeschön ebenfalls an meine Mitautoren, die auch dieses Mal wieder dafür gesorgt haben, daß der Wettbewerb interessant und vielfältig ist. Auch, wenn es einige der Angemeldeten leider nicht mehr geschafft haben, so freut es mich doch sehr, daß mich die nun feststehende Autorenliste mit einigen bisher nicht Angemeldeten überrascht hat. :freu:

In diesem Sinne: auf einen schönen, friedlichen und harmonischen Wettbewerb. :trink:

Ach ja: ein bisserl was habe ich natürlich schon gelesen. Und was soll ich sagen? Bis jetzt hat mir alles richtig gut gefallen. :d:

Walter
04-06-2012, 16:09
Ich werde vermutlich morgen die Erste lesen. Toll das wir so viel Zeit für die abstimmung haben, da komme ich dann vieleicht auch mit (ich bin ja etwas langsam:zahn:) und schaffe es alle durchzuackern.

Wenn ich mich recht erinnere, hatten wir doch bisher immer zwei Wochen Abstimmungszeit, oder?
Viel Spaß beim Lesen, Smitthy! :)

Kartoffelsalat
04-06-2012, 16:26
Das Rasseweib:
Happy End gewählt.
Schnell wusste ich, wie der Hase läuft, auch wenn ich das ganze nicht so recht zusammensetzen konnte. Eine schöne Geschichte.

Dass Pfarrer Seidel schon am Vormittag einen ordentlichen Rausch in die Kirche trug, weckte die Sensationslust der Hochzeitsgäste weit weniger als die Tatsache, dass das Kleid der Braut kurz davor war, zu platzen.

Schon der erste Satz zeigt die Liebe zum Detail des Autoren oder der Autorin.

Schnell verwandelt sich der Protagonist von selbstgefälligen Yuppi zum Helden seiner ehemals als plump beschriebenen Schwester und gemeinsam reiten die drei in den Sonnenuntergang... oder so ähnlich. Glücklich sind sie alle, glücklich, weil man entkommen ist, glücklich, weil man zusammen ist, glücklich, weil man nie mehr zurück kehren muss, und vielleicht entstehen neue familiäre Bande und es verläuft sich nicht wieder im Sand. Eventuell haben Bruder und Schwester ja immer noch mehr gemeinsam als den selben Frauengeschmack und können erfolgreich eine erneute Freundschaft aufbauen :trink:

Kartoffelsalat
04-06-2012, 16:34
Das Treffen:
Happy End gewählt (vermutlich mehrdeutig). Eventuell noch etwas Chaos. Und natürlich Verfolgungswahn.
Öh ja. Ein Paar gibt sich Mühe. Schlecht ist die Geschichte auf keinen Fall. Nur viel zu schreiben gibt sie mir auch nicht her. Den Twist am Ende hätte ich nicht vermutet, aber wohl eher, weil das eine Art von Geschichte ist, über die man während des Lesens nicht nachdenkt. Ich zumindest nicht.

Kartoffelsalat
04-06-2012, 16:39
Baby
Happy End gewählt.
Autorin, musstest du mich so erschrecken? Ich dachte, der Katze passiert gleich etwas schreckliches :zeter:

Kartoffelsalat
04-06-2012, 16:44
Franziska und die Wilderellas
Happy End gewählt (ich werde diesen Satz wohl noch häufig schreiben müssen). Ein bisschen Verfolgungswahn in der Bahn. Und selbstverfriellicht chaotische Gespräche.
Wer sind diese Wilderellas? Woher kommen sie, warum kennen sie sich bei den Menschen einerseits so gut, andererseits so schlecht aus? Kobolde, die Langeweile haben? Und warum suchen sie sich ausgerechnet diese beiden Menschen aus? Vermutlich werden wir darauf niemals eine Antwort bekommen, nötig ist das auch nicht. Nette Geschichte.

Kartoffelsalat
04-06-2012, 16:53
Klassentreffen
Happy End gewählt.
Heftig, heftig. Ich hätte trotz allem von der Protagonistin erwartet, dass sie die Polizei verständigt. Mord ist Mord, auch wenn man als 11 Jährige einen Zwist mit dem Opfer hatte. Ja, inzwischen war ihr der ganze Ort gleichgültig, das wurde ja verdeutlicht. Alle, bis auf Olga, die dann tot aus dem Bach gefischt wird. Und schwupps hat man ein Happy End, keine Alpträume mehr und so weiter. Die Geschichte ist nicht schlecht, nur den Schluss finde ich nicht gut. Vielleicht weiß sie aber auch, dass sie keine Chance hat? Das wurde leider nicht geschrieben.

Kartoffelsalat
04-06-2012, 17:06
The Revenge
Happy End? Verfolgungswahn? Nix genaues weiß ich nicht.
Interessante Wendung. Wer hätte es gedacht? Ich jedenfalls nicht. Da ist man direkt in der Geschichte drin und dann kommt der Punkt, den jeder Gamer kennt. Guter Einfall um das ganze aufzulockern.

Kartoffelsalat
04-06-2012, 17:20
Sternschnuppe
Thema Verfolgungswahn gewählt.
Ein passenders Sternchen für dieses Forum :D Eine gute Geschichte. Der Star, der immer weiter durchdreht, sich letztendlich von den Dingen in ihrem Kopf getrieben selbst ins Aus katapultiert und andere mit sich zieht. Ja, das ist Verfolgungswahn wie ich ihn mir vorstelle. Ein bisschen schnell geht das ganze ja, aber scheinbar hat die Sternschnuppe ja schon eine Knacks gehabt.

Kartoffelsalat
04-06-2012, 17:28
Der Kochkurs
Thema Verfolgungswahn gewählt. Eventuell noch Chaos.
Ich bin genau so verwirrt wie der Hauptharakter aus der Geschichte rausgekommen. Der bildet sich alles nur ein, dann bildet er sich noch mehr ein und zum Schluss sitzt man da, mit einem chaotischen Geist und weiß nicht, was jetzt überhaupt los ist. War da jetzt ein Kochkurs mit dem Drexel und dem anderen, den ich nicht kenne? Gibt es den Marek überhaupt? Und arbeitet er wirklich für den Stern als Reporter? Oder war das auch alles Ausgeburt seiner Fantasie? Da bleibt nur Wisigld zu sagen.

Kartoffelsalat
04-06-2012, 17:33
50 Tage
Thema Happy End wurde gewählt.
Das Tagebuchs eines Autoren (einer Autorin?) über den Schreibwettbewerb. Netter Einfall, mit vielen Lücken :D (oder eher :sumo:?)

Kartoffelsalat
04-06-2012, 17:42
Gronn und das glückliche Ende
Thema Happy End wurde gewählt.
Zwei Götter wetteifern darum, "ihrem" Menschen ein Happy End zu verpassen. Eine tolle Idee, dass Götter einen Jahrhundertsoll an Happy Ends abliefern müssen :clap: Und dass die kreative Auslegung "er ist ja noch am Leben, also ein Happy End" nicht akzeptiert wird :rotfl: Herrlich, einfach herrlich :clap:

Kartoffelsalat
04-06-2012, 17:46
Engelbert und die Sache mit den Frauen
Thema Chaos wurde gewählt.
Viel zu schreiben gibt es über diese Geschichte nicht. Ob er Nyvoll wohl wieder zurück bringen konnte? Hm.

*freckle*
04-06-2012, 17:50
:o kartoffelsalat , du bist aber fleißig . ich habe mal grad 5 geschichten gelesen und muss eigntlich nach jeder eine pause einlegen und sie ein wenig sacken lassen :schäm:.
gut, dass wir so viel zeit haben. irgendwie möchte man jeder geschichte ja auch gerecht werden ;) .
also bisher bin ich jedenfalls beeindruckt, wie begabt hier die "schriftssteller" sind:anbet: .

Kartoffelsalat
04-06-2012, 17:59
Der Fremde
Thema Happy End (?)
Ein interessanter Zwiespalt: Einerseits scheint die Frau in ihrer Beziehung nicht glücklich zu sein, andererseits scheint sie bis dato daran auch nichts zu ändern versucht zu haben. Lieber träumt man von einem Mann, mit dem man eine Nacht geredet hat bis man es zu Hause nicht mehr aushält und ihn anruft. Bis zu diesem Zeitpunkt las sich diese Frau einfach passiv und ich könnte mir gut vorstellen, dass sie jetzt nicht romantisch alles hinter sich lässt und zu ihm geht wie angedeutet, sondern erstmal gemütlich im Nest sitzen bleibt und auscheckt, ob das mit dem Harry klappen könnte. Wenn nicht, hat man ja immer noch sein altes Leben als "treues Frauchen".

Kartoffelsalat
04-06-2012, 18:04
:o kartoffelsalat , du bist aber fleißig . ich habe mal grad 5 geschichten gelesen und muss eigntlich nach jeder eine pause einlegen und sie ein wenig sacken lassen :schäm:.
gut, dass wir so viel zeit haben. irgendwie möchte man jeder geschichte ja auch gerecht werden ;) .
also bisher bin ich jedenfalls beeindruckt, wie begabt hier die "schriftssteller" sind:anbet: .
Ich habe gestern Abend einen Teil gelesen und den Rest heute. Und Stichworte aufgeschrieben um nicht durcheinander zu kommen :streber: :schäm: Nur eine habe ich bisher ausgelassen, die hat mir nicht so gut gefallen, da habe ich nur den Anfang und den Schlusssatz gelesen.

Kartoffelsalat
04-06-2012, 18:12
Ungeplant kommt oft
Thema Happy End und Chaos gewählt.
Ja ja, wer mit Haustier kennt das nicht? Kaum ist der Welpe, egal ob Hund oder Katze für 0,12 Sekunden aus den Augen ist die Bude umdekoriert, das Abendessen weg und der Fellterrorist liegt unschuldig an dem unmöglichsten, aber gemütlichsten Ort den man im Normalfall niemals erlauben würde. Und auch wenn man eigentlich in diesen Momenten zwischen Lachanfällen und Frustriertheit schwankt ist das ganze so liebevoll beschrieben, dass das jetzt einfach wahr sein muss. So. :sumo:

*freckle*
04-06-2012, 18:14
Ich habe gestern Abend einen Teil gelesen und den Rest heute. Und Stichworte aufgeschrieben um nicht durcheinander zu kommen :streber: :schäm: Nur eine habe ich bisher ausgelassen, die hat mir nicht so gut gefallen, da habe ich nur den Anfang und den Schlusssatz gelesen.


...oder fleißig ;)
ich bin nicht ganz so schnell und schau erstmal, wie ihr das hier so macht.bisher war ich nur stille mitleserin und das eben nur sporadisch .

Kartoffelsalat
04-06-2012, 18:17
Verflixte Spandrels
Thema Verfolgungswahn (und Gefühlschaos?).
Ob die Blicke des Nachbarn wohl echt sind? Ein bisschen viel Happy End am Schluss, aber ich glaube das jetzt einfach mal, dass das genau so passieren könnte :D

Kartoffelsalat
04-06-2012, 18:32
Der dreizehnte Apostel
Als Thema wurde Verfolgungswahn gewählt.
Sie fühlt sich von Mann und Freundin betrogen -verständlich- und steigert sich immer weiter rein. Ich hätte gerne gehabt, dass es Anzeichen dafür gegeben hätte, dass der Irre auf dem Dach wirklich existierte und nicht nur, dass sie geschossen hat. Dann wäre zum Verfolgungswahn noch ein schönes "Brrrrr"-Feeling gekommen :trink: So bleibt es aber immer noch eine gute Geschichte.

Kartoffelsalat
04-06-2012, 18:43
Prom Night
Ich denke, es wurde Verfolgungswahn gewählt.
Aha, wir sind in Amerika. Und in der fiesen Welt von "Aber es war doch nur ein Spaß". Wer sie wohl zurück geschickt hat? Der eine, um zu sehen, ob sie bereit ist und aufsteigen kann oder der andere der sie als Rachedämon gebraucht?
Und wie selbstsüchtig von Tim zu glauben, dass sie sich nur wegen dem Streich umgebracht hat. Vermutlich weiß er sonst nichts über sie, aber er nimmt sich zu wichtig sich selbst und seinen Freunden die ganze Schuld zu geben.

Kartoffelsalat
04-06-2012, 18:45
...oder fleißig ;)
ich bin nicht ganz so schnell und schau erstmal, wie ihr das hier so macht.bisher war ich nur stille mitleserin und das eben nur sporadisch .
Na dann wünsche ich dir viel Spaß bei deinem ersten "richtigen" Wettbewerb :)

Justine
04-06-2012, 18:54
Macht Spaß, gell? Profischreibe! Und die meisten spielen im Hier und Heute, was ich ja lieber mag als Mittelalter und Phantasy.

Herr Moser
04-06-2012, 19:08
Macht Spaß, gell? Profischreibe! Und die meisten spielen im Hier und Heute, was ich ja lieber mag als Mittelalter und Phantasy.

da bin ich ganz deiner meinung :ja: hallo justine ;)

Justine
04-06-2012, 19:12
da bin ich ganz deiner meinung :ja: hallo justine ;)

Du hast sicher 2 Geschichten eingereicht, gell? :floet:

Mich amüsiert ja sowieso die Duplizität mancher Themen: Blind Dates, Chats, 1.GV ...

Erin
04-06-2012, 19:19
Wir haben auch kurzeitig erwogen, den Wettbewerb in "Katzen & Erotik" umzutaufen :D Aber es war ja dann doch nicht nötig ^^
Danke für Deine Rezensionen, Kartoffelsalat! :freu:

Herr Moser
04-06-2012, 19:19
Du hast sicher 2 Geschichten eingereicht, gell? :floet:

Mich amüsiert ja sowieso die Duplizität mancher Themen: Blind Dates, Chats, 1.GV ...

nix genaues weiss man nicht :hehe:

die duplizität bzw. viele parallelen einiger themen hat mich auch einigermaßen überrascht... :)

Quiz
04-06-2012, 19:23
Ich fange diesmal gleich an zu kommentieren, sobald ich eine Geschichte gelesen hab, sonst wird das wieder nix. Sollte ich nicht bis zum Ende durchkommen: sorry, ich hab es wenigstens versucht. :D

Disclaimer:
Wer schreibt, hat Recht.
Ich stelle dem meine persönliche Meinung gegenüber. Die kann hilfreich sein, muss aber nicht. Niemand hat die Absicht...jemanden zu verletzen. Ich jedenfalls auf keinen Fall. Bittedanke.

Das Rasseweib

Liebevoller Schreibstil eines (tippe: männlichen) Autors, der damit nicht sein Erstlingswerk vorlegt. Die Geschichte liest sich flüssig-locker weg, unterhält mich und ist in weiten Teilen stimmig. Winzige Ausnahme: Peter ist mit 31 jahren der Ältere, da würde ich Ines nicht als "spätes Mädchen" bezeichnen - das ist aber schon ziemlich korinthenkackig von mir. :zahn:
Die (erforderliche) Wende kommt erfreulich unverhofft daher und konterkariert das bis dahin beschriebene Klischeehafte sehr angenehm. Keiner soll sagen, solche Verhältnisse gäbe es nicht mehr - ich bin sicher, die Wirklichkeit toppt jede Fantasie um Längen.
Offene Frage (nicht ganz ernst gemeint): Würde Peter, der Schwerenöter, versuchen Viola umzudrehen? Er wirkte zunächst so in seiner Beschreibung, wandelte sich aber im Laufe der Geschichte zum Gutbruder.

Hat Freude gemacht.

Justine
04-06-2012, 19:26
Ich fange diesmal gleich an zu kommentieren, sobald ich eine Geschichte gelesen hab, sonst wird das wieder nix. Sollte ich nicht bis zum Ende durchkommen: sorry, ich hab es wenigstens versucht. :D

Disclaimer:
Wer schreibt, hat Recht.
Ich stelle dem meine persönliche Meinung gegenüber. Die kann hilfreich sein, muss aber nicht. Niemand hat die Absicht...jemanden zu verletzen. Ich jedenfalls auf keinen Fall. Bittedanke.

Das Rasseweib

Liebevoller Schreibstil eines (tippe: männlichen) Autors, der damit nicht sein Erstlingswerk vorlegt. Die Geschichte liest sich flüssig-locker weg, unterhält mich und ist in weiten Teilen stimmig. Winzige Ausnahme: Peter ist mit 31 jahren der Ältere, da würde ich Ines nicht als "spätes Mädchen" bezeichnen - das ist aber schon ziemlich korinthenkackig von mir. :zahn:
Die (erforderliche) Wende kommt erfreulich unverhofft daher und konterkariert das bis dahin beschriebene Klischeehafte sehr angenehm. Keiner soll sagen, solche Verhältnisse gäbe es nicht mehr - ich bin sicher, die Wirklichkeit toppt jede Fantasie um Längen.
Offene Frage (nicht ganz ernst gemeint): Würde Peter, der Schwerenöter, versuchen Viola umzudrehen? Er wirkte zunächst so in seiner Beschreibung, wandelte sich aber im Laufe der Geschichte zum Gutbruder.

Hat Freude gemacht.

Ja, aber bissl unrealistisch.Monatelang einsperren und zur Ehe zwingen? Heute?

fesel
04-06-2012, 19:28
Ja, aber bissl unrealistisch.Monatelang einsperren und zur Ehe zwingen? Heute? Och, man kann jemanden auch anders als !physisch! einsperren ;)

Quiz
04-06-2012, 19:29
Ja, aber bissl unrealistisch.Monatelang einsperren und zur Ehe zwingen? Heute?


Keiner soll sagen, solche Verhältnisse gäbe es nicht mehr - ich bin sicher, die Wirklichkeit toppt jede Fantasie um Längen.


Es ist nicht mehrheitsfähig, aber auch nicht unmöglich. ;)

Rheinlady
04-06-2012, 22:44
Dann will ich auch mal meine Gedanken zu den Geschichten zu Papier bringen.
Allerdings gibt es von mir keine langen Rezensionen, sondern nur kurze Kommentare:

Das Rasseweib hat mir ganz gut gefallen, auch wenn ich mir nicht vorstellen kann, dass sich in der heutigen Zeit noch (deutsche) junge Frauen verheiraten lassen.

Das Treffen war auch nicht schlecht. Dass es sich bei dem Date um den eigenen Mann handelt, kam für mich ziemlich überraschend.

Baby, spannende Katzen-Kurzgeschichte.

Franziska und die Wilderellas, ich habe nicht so wirklich verstanden wer Donk, Fichte, Schatzilein und Fiesel sind. Dafür reicht wahrscheinlich meine Phantasie nicht.

Klassentreffen, die Geschichte an sich finde ich gut. Ich musste nur so oft Sätze wiederholt lesen, weil sie für mich nicht immer direkt verständlich waren.

The Revenge, gut geschrieben, allerdings nicht mein Geschmack.

Sternschnuppe, spannend und gut geschrieben. Leider kein Happy End.

Der Kochkurs, diese Geschichte verstehe ich nicht. Sie ist mir zu verworren.

50 Tage, bei dieser "Geschichte" musste ich schmunzeln. Tolle Idee.

Gronn und das glückliche Ende, schöne phantasievolle Geschichte.

Engelbert und die Sache mit den Frauen, gekonnt geschrieben und humorvoll erzählt. Was mich nur kurz hat schlucken lassen war die Sache mit dem "Kotzen". Das hätte ich nicht so deutlich gebraucht.

Der Fremde, auch sehr schöne und flüssig geschriebene Geschichte. Hat mich vom ersten bis zum letzten Satz gefesselt.


Ungeplant kommt oft, gut lesbare Katzengeschichte.

Die restlichen Geschichten muss ich noch lesen. Jetzt muss ich ins Bett.

Quiz
05-06-2012, 08:19
Das Treffen
Joha, routiniert geschrieben, wenig vorhersehbar und mit einem überraschenden Ende.
Der Zweisitzer ist vielleicht in bisschen klischeebeladen.
Regt irgendwie zum Nachdenken an über den Zustand durchschnittlicher Ehen. Sind wir wirklich so weit, dass es solcher Eskapaden bedarf, damit Mann und Frau miteinander können? Andererseits: Besser so, als Lug und Trug oder anhaltende Lieblosigkeit. Tipp: Autor = Mann

Das Baby
Eine Frau, eine Frau, eine Frau!!einself :D
Hübsch geschrieben, sehr nette Idee und Respekt vor dem Mut, denn hier hat sich jemand vorgewagt, der noch nicht viel veröffentlicht hat (nur meine Vermutung, ggfls bitte steinigen). Ich finde das Werk durchaus gelungen, obwohl ich in diesem Fall geneigt wäre zu sagen: Nu ja, nett, aber unrealistisch. Macht aber nix, denn die Idee bleibt trotzdem gut. Supercat. Warum nicht? Bitte unbedingt wieder mitmachen beim nächsten Mal!

Quiz
05-06-2012, 08:34
Franziska und die Wilderellas
Wieder eine Frau und ich glaub, ich weiß, wer. ;)

Lustigerweis' thematisch ja zunächst "Das Treffen 2". :D
Aber natürlich ganz anders. Herausragend die Vielzahl an Ebenen in der Geschichte. Hier wurde viel in den Auf- und Überbau gesteckt, dafür sprachlich schlicht (nicht: schlecht!!) gehalten. Die Wilderellas als unterschiedliche Charakteranteile des Menschen und gleichzeitig als Metaebene - gefällt. Schönes Detail: Kettensägen-Fiesel ist unerwartet eine "Sie". Das Ende hinterlässt mir die Frage: Finde ich das "übliche" happy end gut (sie kriegt ihn) oder hätte ich mir etwas Ausgefalleneres gewünscht? Ich bin noch unsicher. :zahn:

Quiz
05-06-2012, 09:11
Das Klassentreffen

Huch, schon die zweite Geschichte aus dem Dorf vom Rasseweib. :zahn:
Schönes Thema, auch hier "kaufe" ich die etwas extremen Eigenarten der Hinterwäldler, auch wenn Justine vermutlich den Mord nicht durchgehen lassen würde. ;)
Ich bekomme einen dichten Zugang zu den handelnden Personen und die Handlung ist komplex, aber nicht verwirrend.
Beim Satzbau bin ich bei Rheinlady: Es gibt kleine Fehler (Rückspiegel) und "Rumpler" ("Der Brief kam von der Ruth"). Herrschte beim Autor eventuell Zeitdruck? Noch einmal in Ruhe drüberlesen wäre bestimmt hilfreich gewesen.
Schönes Detail: Der Psychiater "Dr. Sommer".

Justine
05-06-2012, 09:44
Das Klassentreffen

Huch, schon die zweite Geschichte aus dem Dorf vom Rasseweib. :zahn:
Schönes Thema, auch hier "kaufe" ich die etwas extremen Eigenarten der Hinterwäldler, auch wenn Justine vermutlich den Mord nicht durchgehen lassen würde. ;)
Ich bekomme einen dichten Zugang zu den handelnden Personen und die Handlung ist komplex, aber nicht verwirrend.
Beim Satzbau bin ich bei Rheinlady: Es gibt kleine Fehler (Rückspiegel) und "Rumpler" ("Der Brief kam von der Ruth"). Herrschte beim Autor eventuell Zeitdruck? Noch einmal in Ruhe drüberlesen wäre bestimmt hilfreich gewesen.
Schönes Detail: Der Psychiater "Dr. Sommer".

Morde gehen immer! ;) Habe über 20 Mordgeschichten veröffentlicht. :undwech:

Puhhmuckel
05-06-2012, 10:03
Das Klassentreffen

Huch, schon die zweite Geschichte aus dem Dorf vom Rasseweib. :zahn:
Schönes Thema, auch hier "kaufe" ich die etwas extremen Eigenarten der Hinterwäldler, auch wenn Justine vermutlich den Mord nicht durchgehen lassen würde. ;)
Ich bekomme einen dichten Zugang zu den handelnden Personen und die Handlung ist komplex, aber nicht verwirrend.
Beim Satzbau bin ich bei Rheinlady: Es gibt kleine Fehler (Rückspiegel) und "Rumpler" ("Der Brief kam von der Ruth"). Herrschte beim Autor eventuell Zeitdruck? Noch einmal in Ruhe drüberlesen wäre bestimmt hilfreich gewesen.
Schönes Detail: Der Psychiater "Dr. Sommer".
da steht nichts von mord :)

*das ist alles nur in deinem kopf* sing


also...doch ganz gut geschrieben ;)

eine frage....

Verflixte Spandrels


wer oder was, sind spandrels??

erschliesst sich mir auch nicht aus der geschichte :schäm:
hat der nachbar so geheissen??
:kopfkratz

*freckle*
05-06-2012, 10:11
:wink: ich bin grad bei engelbert und seinen frauen angelangt..

:lol::lol::lol: menno,- ich hab hier grad meine kollegin mit lautem lachen erschreckt :schäm:

also das ist so überzeugend geschrieben, DAS muss von einem kerl sein :zahn:

... weitermachen. das war jetzt nur ein spontaner kurzkommentar. :schäm:

Rheinlady
05-06-2012, 10:59
Dann will ich auch mal meine Gedanken zu den Geschichten zu Papier bringen.
Allerdings gibt es von mir keine langen Rezensionen, sondern nur kurze Kommentare:

Das Rasseweib hat mir ganz gut gefallen, auch wenn ich mir nicht vorstellen kann, dass sich in der heutigen Zeit noch (deutsche) junge Frauen verheiraten lassen.

Das Treffen war auch nicht schlecht. Dass es sich bei dem Date um den eigenen Mann handelt, kam für mich ziemlich überraschend.

Baby, spannende Katzen-Kurzgeschichte.

Franziska und die Wilderellas, ich habe nicht so wirklich verstanden wer Donk, Fichte, Schatzilein und Fiesel sind. Dafür reicht wahrscheinlich meine Phantasie nicht.

Klassentreffen, die Geschichte an sich finde ich gut. Ich musste nur so oft Sätze wiederholt lesen, weil sie für mich nicht immer direkt verständlich waren.

The Revenge, gut geschrieben, allerdings nicht mein Geschmack.

Sternschnuppe, spannend und gut geschrieben. Leider kein Happy End.

Der Kochkurs, diese Geschichte verstehe ich nicht. Sie ist mir zu verworren.

50 Tage, bei dieser "Geschichte" musste ich schmunzeln. Tolle Idee.

Gronn und das glückliche Ende, schöne phantasievolle Geschichte.

Engelbert und die Sache mit den Frauen, gekonnt geschrieben und humorvoll erzählt. Was mich nur kurz hat schlucken lassen war die Sache mit dem "Kotzen". Das hätte ich nicht so deutlich gebraucht.

Der Fremde, auch sehr schöne und flüssig geschriebene Geschichte. Hat mich vom ersten bis zum letzten Satz gefesselt.


Ungeplant kommt oft, gut lesbare Katzengeschichte.

Die restlichen Geschichten muss ich noch lesen. Jetzt muss ich ins Bett.
Habe gut geschlafen und weiter gehts:

Verflixte Spandrels, Geschichte hat mir zu viele Fremdwörter. Aber ansonsten gut zu lesen.

Finale,Thema hat mir gut gefallen, spannend bis zum Schluß.

Der dreizehnte Apostel, auch nicht schlecht, gut zu lesen.

Prom Night, tut mir leid, aber diese Geschichte hat mir nicht so gefallen, war mir zu viel Phantasy.


Alles in allem muss ich sagen waren für mich, bis auf ein paar Ausnahmen, alle Geschichten lesenswert und haben mich gut unterhalten. Ich muss dieses mal ein paar mehr Punkte vergeben als beim letztenmal. ;)

Die für mich beste Geschichte ist: Engelbert und die Sache mit den Frauen
Ich will kurz erklären warum. Die Geschichte ist gut lesbar, flüssig und unheimlich humorvoll geschrieben. Man merkt ihr an, dass hinter dieser Geschichte ein/e Könner/in (Profi?) steht. Ich musste nicht selten laut lachen,
auch wenn ich die Kotzgeschichte eklig fand und mir wünschen würde, dass die folgenden Sätze

[/QUOTE] (und ehe ich in angemessener Weise reagieren konnte, wechselten vier Barcadi-Cola per Direktabfüllung den Besitzer. Angelika zeigte sich über die kostenlosen, inzwischen warm gewordenen Longdrinks wenig erfreut, und zuckte mit einem Todesangst-Schrei, der jedem Splatterfilm zur Ehre gereicht hätte, zurück. Mit ungläubig aufgerissenen Augen stand sie vor mir, meine Kotze tropfte ihr vom Kinn )

so nicht geschrieben worden wären. :ja:

Puhhmuckel
05-06-2012, 11:28
Die für mich beste Geschichte ist: Engelbert und die Sache mit den Frauen
Ich will kurz erklären warum. Die Geschichte ist gut lesbar, flüssig und unheimlich humorvoll geschrieben. Man merkt ihr an, dass hinter dieser Geschichte ein/e Könner/in (Profi?) steht. Ich musste nicht selten laut lachen,
auch wenn ich die Kotzgeschichte eklig fand und mir wünschen würde, dass die folgenden Sätze
(und ehe ich in angemessener Weise reagieren konnte, wechselten vier Barcadi-Cola per Direktabfüllung den Besitzer. Angelika zeigte sich über die kostenlosen, inzwischen warm gewordenen Longdrinks wenig erfreut, und zuckte mit einem Todesangst-Schrei, der jedem Splatterfilm zur Ehre gereicht hätte, zurück. Mit ungläubig aufgerissenen Augen stand sie vor mir, meine Kotze tropfte ihr vom Kinn )
so nicht geschrieben worden wären. :ja: :d: engelbert hat von mir auch stimme UND punkt erhalten...

hmm...ich finde gerade diese kleinen widerlichen details.... machen sehr schön klar,was fürn vogel^^ engelbert sein muss ;) OHNE diese, kleinen details..die einem sonen leichten ekel versetzen...wäre engelbert doch nur halb so lustig :) man liest und denkt :eek: dann liest man weiter und lacht sich kaputt :rotfl: :rotfl:

Kartoffelsalat
05-06-2012, 11:38
Verflixte Spandrels, Geschichte hat mir zu viele Fremdwörter. Aber ansonsten gut zu lesen.

Ganz vergessen zu schreiben (dabei hatte ich das doch fest vor *seufz*), mich hat das auch gestört. Bei einer anderen Geschichte auch, ich glaube, das war Der Kochkurs. Dachte kurzzeitig, das war das heimliche vierte Thema und niemand hat mir Bescheid gesagt :heul:

Puhhmuckel
05-06-2012, 11:57
Ganz vergessen zu schreiben (dabei hatte ich das doch fest vor *seufz*), mich hat das auch gestört. Bei einer anderen Geschichte auch, ich glaube, das war Der Kochkurs. Dachte kurzzeitig, das war das heimliche vierte Thema und niemand hat mir Bescheid gesagt :heul:
:rotfl:

Walter
05-06-2012, 15:38
Verflixte Spandrels

wer oder was, sind spandrels??

erschliesst sich mir auch nicht aus der geschichte :schäm:
hat der nachbar so geheissen??
:kopfkratz

Doch, es ist in der Geschichte zu finden:



Sie hat mal von einem Philosophen gehört, dass die Liebe ein Spandrel ist, ein Nebenprodukt, das in der Natur so nicht vorgesehen ist. Liebe sozusagen diametral zur Fortpflanzung.

Puhhmuckel
05-06-2012, 15:46
Doch, es ist in der Geschichte zu finden:
aaaaaaaaaaaaaah danke..... :) :freu:

zu unkonzentriert gelesen...die geschichte, hat mir nicht sonderlich gut gefallen :schäm:
ich habe auch immer noch nicht verstanden,was es nun mit dem nachbarn auf sich hatte...und was das ganze eigentlich mit dem ehepaar zu tun gehabt hat :kopfkratz aber,macht nix...man muss nicht alles verstehen :)

Rheinlady
05-06-2012, 16:04
Ehe ich es vergesse,
noch ein ganz herzliches Dankeschön an alle Geschichtenschreiber. Es sind einige wirklich gute darunter. :ja:
Außerdem danke ich den Ausrichtern des Schreibwettbewerbs. Die Abstimmung per PN finde ich gut (damit entfallen Beeinflussungen durch Leute die schon abgestimmt haben)
Auch die Extra-Punkte gefallen mir (habe sie alle genutzt).
Alles in allem ein schöner Wettbewerb. :ja:
Hätte mir zwar lieber mehr Zeit mit dem Lesen gelassen, aber ich wollte nicht die erste Geschichte schon wieder vergessen haben, wenn ich mit der letzten fertig bin. ;)

Justine
05-06-2012, 16:33
Es ist nicht mehrheitsfähig, aber auch nicht unmöglich. ;)
Und, wie ich beim vorigen Bewerb meinte, der Begriff "glaubhaft" ist sowieso schwammig. :helga:
Schick geschrieben ist sie auf jeden Fall. Wie aich die 2., ob sie vom gleichen Autor sind?

Walter
05-06-2012, 16:38
aaaaaaaaaaaaaah danke..... :) :freu:

zu unkonzentriert gelesen...die geschichte, hat mir nicht sonderlich gut gefallen :schäm:
ich habe auch immer noch nicht verstanden,was es nun mit dem nachbarn auf sich hatte...und was das ganze eigentlich mit dem ehepaar zu tun gehabt hat :kopfkratz aber,macht nix...man muss nicht alles verstehen :)

Gern geschehen. Ich bin sicher, der Autor wird Dir am Ende des Wettbewerbes gern erzählen, wie das nun war mit den Nachbarn und überhaupt... ;)

Walter
05-06-2012, 16:45
Und, wie ich beim vorigen Bewerb meinte, der Begriff "glaubhaft" ist sowieso schwammig. :helga:

Danke, daß Du es selbst schreibst. Als Du das gestern beanstandetest, dachte ich doch glatt selbst an Deine Worte. ;)

Und ich gebe Quiz recht - zwar will ich hier nicht solche krassen Beispiele wie z.B. die Fritzl-Geschichte aufführen, aber es gibt solche Dinge sicherlich. Zuweilen im Extrem (wie eben bei Fritzl), häufiger aber eher so wie beim Rasseweib dargestellt. Wenn auch hoffentlich nicht allzu häufig.
Denn ganz unrecht hast Du ja auch nicht: heutzutage, eine deutsche Frau... mich wunderte vor Allem, daß es hier einer Frau passiert, die ja schon den Mut bewies, als Lesbierin zu leben und sich dann auch noch vor ihren Eltern zu outen. Andererseits - wenn man über die Gefühle Peters liest, selbst ihn scheint ja diese unfreie Kindheit sogleich wieder einzuholen, da scheint es dann doch irgendwie plausibel zu sein.

Kartoffelsalat
05-06-2012, 17:41
Danke, daß Du es selbst schreibst. Als Du das gestern beanstandetest, dachte ich doch glatt selbst an Deine Worte. ;)

Und ich gebe Quiz recht - zwar will ich hier nicht solche krassen Beispiele wie z.B. die Fritzl-Geschichte aufführen, aber es gibt solche Dinge sicherlich. Zuweilen im Extrem (wie eben bei Fritzl), häufiger aber eher so wie beim Rasseweib dargestellt. Wenn auch hoffentlich nicht allzu häufig.
Denn ganz unrecht hast Du ja auch nicht: heutzutage, eine deutsche Frau... mich wunderte vor Allem, daß es hier einer Frau passiert, die ja schon den Mut bewies, als Lesbierin zu leben und sich dann auch noch vor ihren Eltern zu outen. Andererseits - wenn man über die Gefühle Peters liest, selbst ihn scheint ja diese unfreie Kindheit sogleich wieder einzuholen, da scheint es dann doch irgendwie plausibel zu sein.
Kein Handy, kein Geld, kein Auto, das ganze Dorf verklüngelt (von alldem gehe ich aus, das wäre jedenfalls das erste, was mir dazu einfiele) - jetzt mal Ernsthaft, wie hätte sie sich denn helfen sollen? Und scheinbar war -bis auf der Bruder- auch kein Auswärtiger auf die Hochzeit eingeladen. Dazu von den Schlägen des Vaters die Braut so verunsichert dass sie sich vermutlich sowieso nur noch wenig getraut hat - das einzige, worüber sie sich jetzt noch Sorgen machen sollte wäre dass der Bräutigam samt Sippschaft vor ihrer Türe steht :Klischee:

Mr Smith
05-06-2012, 17:52
Mr Smith kommt ganz langsam in Stimmung.



Ich habe mir zwei Geschichten ausgedruckt und werde sie mir (einen Stift in der Hand) während der Heimfahrt durchlesen.:beiss:


Die Diskussionen gehen ja schon wild los, klasse!!!! Weitermachen!!!:zahn:

Justine
05-06-2012, 17:56
Kein Handy, kein Geld, kein Auto, das ganze Dorf verklüngelt (von alldem gehe ich aus, das wäre jedenfalls das erste, was mir dazu einfiele) - jetzt mal Ernsthaft, wie hätte sie sich denn helfen sollen? Und scheinbar war -bis auf der Bruder- auch kein Auswärtiger auf die Hochzeit eingeladen. Dazu von den Schlägen des Vaters die Braut so verunsichert dass sie sich vermutlich sowieso nur noch wenig getraut hat - das einzige, worüber sie sich jetzt noch Sorgen machen sollte wäre dass der Bräutigam samt Sippschaft vor ihrer Türe steht :Klischee:

Ich habe nochmal gelesen. Sehr schön geschrieben, ja, aber nicht glaubhaft. Sie braucht ja kein Handy, die Eltern haben Festnetz. Da hätte sie ja Freundin oder Bruder anrufen können.
Und lesbisch? Sie muss doch mit dem Bräutigam irgendwelche intimen Kontakte gehabt haben, auf dem Land probiert man doch aus, soviel ich hörte. "Vorkinder" als Garantie für Gebärfähigkeit. Mindestens aber Geknutsche. Und eine echte Lesbe hätte, wie Engelbert, in den Mund gek####.
Aber egal, in meiner Geschichte habe ich auch übertrieben. ;)

dark
05-06-2012, 18:09
Nuja, sogar rtl übertreibt manchmal - hab ich mir sagen lassen :smoke:

Justine
05-06-2012, 18:09
Nuja, sogar rtl übertreibt manchmal - hab ich mir sagen lassen :smoke:
achwas.

Kartoffelsalat
05-06-2012, 18:26
Vielleicht ist Das Rasseweib ja auch gar nicht aus unserer Zeit :idee:

Quiz
05-06-2012, 19:03
Eher doch.
Lesbenouting ist noch nicht soo lange populär. ;)

Puhhmuckel
05-06-2012, 19:10
Eher doch.
Lesbenouting ist noch nicht soo lange populär. ;)
ist doch geschickt...sowas als aufhänger für eine geschichte zu nehmen...wo wir doch alle so tolerant sind :feile:

Kartoffelsalat
05-06-2012, 19:12
Eher doch.
Lesbenouting ist noch nicht soo lange populär. ;)
Nö, könnten aber trotzdem 90er sein, vor 20 Jahren hatten noch nicht so viele ein Handy. Ich bin zugegeben nicht sehr drin in dem Thema, aber früher gabs ja auch schon Outings. Bis 1972 war z.B. Anthony Perkins nur mit Männern zusammen (keine Ahnung, ob man das mit Normalsterblichen vergleichen kann). Ich würde den Zeitpunkt einfach mal von 1960-2012 setzen, aus Lust und Laune heraus :freu:

Kurzgeschichte
05-06-2012, 19:41
http://vimeo.com/43479333 :D

Schnatzel
05-06-2012, 19:42
:nixweiss: Mir ist das vollkommen Pelle ob das in der heutigen Zeit spielt oder von Anno Tuff.
Ich lese diese Geschichten a) weil ich gerne lese b) ist mir bewusst, das die Geschichten, die Phantasie des Schreibers sind.
Mir bereitet das lesen Freude, ohne das ich hinterfrage ob das gelesene irgend einer Wahrheit entspringt. ;)

Ich finde es aber durch aus witzig, bin das erste mal hier am lesen, welche Diskussionen hier entstehen. :Popcorn:

Schnatzel
05-06-2012, 19:47
http://vimeo.com/43479333 :D
:d: Klasse :clap:

MegaRyan
05-06-2012, 19:50
:rotfl:







will sagen: :heul: noch keine Zahlen! :(

*freckle*
05-06-2012, 19:52
:nixweiss: Mir ist das vollkommen Pelle ob das in der heutigen Zeit spielt oder von Anno Tuff.
Ich lese diese Geschichten a) weil ich gerne lese b) ist mir bewusst, das die Geschichten, die Phantasie des Schreibers sind.
Mir bereitet das lesen Freude, ohne das ich hinterfrage ob das gelesene irgend einer Wahrheit entspringt. ;)

Ich finde es aber durch aus witzig, bin das erste mal hier am lesen, welche Diskussionen hier entstehen. :Popcorn:

:d:
ich bin auch ein newbie und sehe es genauso. geschichten sind doch fiktion und müssen nicht wirklich sein . wann und wo sie spielen ist mir auch egal. entscheidend ist bei mir immer nur, dass mich eine geschichte fesselt :ja:

Quiz
05-06-2012, 19:53
Is ja geil, das keine-Zahlen -Video! :D

The Revenge
Hübsche Idee.
Der Anfang kommt einem verdächtig bekannt vor und soll es wohl auch. Dann passiert fpr meinen Geschmack einfach zu viel für so eine kurze Geschichte. Pokern, Jagen, Familie, Ex-Verbrecher, Kopfgeldjäger, Familienmord, Indianer, finale Rache - und zwischendurch die (schöne) Nummer mit dem Computergame. Weniger wäre da für mich mehr gewesen. Und auch in dieser Geschichte stecken vermeidbare Fehler und Holperer, die beim Durchlesen hätten auffallen dürfen. Mann und eher Ersttäter. :zahn: Aber bitte nicht entmutigen lassen!

Schnatzel
05-06-2012, 19:57
:d:
ich bin auch ein newbie und sehe es genauso. geschichten sind doch fiktion und müssen nicht wirklich sein . wann und wo sie spielen ist mir auch egal. entscheidend ist bei mir immer nur, dass mich eine geschichte fesselt :ja:
:knuddel: GW freckle, hast zu recht gewonnen. :ja:

*freckle*
05-06-2012, 19:58
:rotfl:







will sagen: :heul: noch keine Zahlen! :(

aber das lässt hoffen auf noch ein video . ein video mit zahlen :freu:

*freckle*
05-06-2012, 19:59
:knuddel: GW freckle, hast zu recht gewonnen. :ja:

danke :knuddel:,.. hat mir auch wirklich spaß gemacht die poeten paula zu erfinden :freu:
aber ich hatte wohl glück, dass der alte mann die abgabe verschusselt hatte :helga:

Schnatzel
05-06-2012, 20:06
danke :knuddel:,.. hat mir auch wirklich spaß gemacht die poeten paula zu erfinden :freu:
aber ich hatte wohl glück, dass der alte mann die abgabe verschusselt hatte :helga:
:tsts: Meiner Meinung nach ist Dein Bild etwas ganz besonderes gewesen, womit ich die anderen Bilder nicht abwerten will. Denn jeder der pixelt weiß wie viel Arbeit in jedem Bild steckt. Ich habe ja auch mit gepixelt und hab es schon als interessant empfunden welche Vielfalt an Ideen, schon bei den Tieren, dabei rum kamen. :ja:

Justine
05-06-2012, 21:05
Außenseiter, Mobbing, Panik, Frustration - die ganze Palette unserer modernen Leiden wird deutlich. Und natürlich Beziehungsprobleme. Wer hat es am besten gemacht? Schwierig, schwierig.
Schwer zu lesen und ermüdend sind lange Texte ohne Absätze, das sollte man beim nächsten Mal zu bedenken geben.
Dialoge sind interessanter als innere Monologe.
Also, ich geben meine Punkte an: rtphok
nk
s
k
k

Herr Moser
05-06-2012, 21:33
Außenseiter, Mobbing, Panik, Frustration - die ganze Palette unserer modernen Leiden wird deutlich. Und natürlich Beziehungsprobleme. Wer hat es am besten gemacht? Schwierig, schwierig.
Schwer zu lesen und ermüdend sind lange Texte ohne Absätze, das sollte man beim nächsten Mal zu bedenken geben.
Dialoge sind interessanter als innere Monologe.
Also, ich geben meine Punkte an: rtphok
nk
s
k
k

das muss ich aber nicht verstehen, oder? :nixweiss:

Justine
05-06-2012, 22:12
das muss ich aber nicht verstehen, oder? :nixweiss:
Das ist verschlüsselt! :D

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