Ich stehe auch heute zu meinen "Selbstzweifeln" in der Frage des Handelns. Danke Tzerberus für diese Vokabel.
Trotz fast 50jähriger Lebenserfahrung weiß ich von mir nicht, ob ich in so einer Situation das Richtige tun würde oder getan hätte. Als ich noch sehr viel jünger war und über ein Jahr in Paris gelebt habe, habe ich gelernt praktisch Menschen nicht mehr zu sehen und nicht hinzusehen. Weil ich gelernt habe, dass ein Blickkontakt schon bedrohlich oder zumindest sehr anstrengend sein konnte.
Nenne ich es ruhig Misstrauen. UND - deshalb hätte ich bei dem Mann in der Bank vielleicht eher an einen Trick, an eine Betrugsmasche geglaubt. - Ich weiß es nicht. Die Situation hätte mir auf jeden Fall Angst gemacht, weshalb ich niemals in Ruhe dort Bankgeschäfte abgewickelt hätte.
Anders wäre es für mich gewesen, wenn jemand zusammen gebrochen wäre, den ich kennen würde oder wenn ich die komplette Situation erlebt hätte. Dann wäre der medizinische Notfall für mich erkennbar und ein Notruf selbstverständlich.
Ich ziehe vor Allen meinen Hut, die die Kompetenz und die Courage haben, Situationen richtig zu erkennen und zu handeln. Diese Eigenschaften bewundere ich sehr.
Dass du die bankfiliale unverrichteter dinge aus angst wieder verlassen hättest, kann ich nachvollziehen.
wegen deiner hemmschwelle, den notruf zu wählen: wie andere schon geschrieben haben, dafür ist die 110 doch da. egal ob der mensch, der am boden liegt, wirklich dringend medizinische hilfe braucht oder ob er ein trickbetrüger ist, die polizei bzw. der rettungsdienst wird das klären und um deine meldung froh sein.
überleg mal, selbst wenn es wirklich ein trickbetrüger wäre, dann ist es auch wichtig, dass er nicht weiter vor den geldautomaten herumliegt.
anmerkung:
den teil deines postings, dass du ohne deinen mann oder eine starke freundin etc. ...
den nehme ich dir nicht ab.
Nein. Du kannst dich noch so lange hinter deiner konservativen Erziehung verstecken, die dir in Bezug auf Ängstlichkeit / Vorurteile / Befindnisse / Herzschrittmacher so einiges mit auf den Weg gegeben hat. Es bleibt dabei: Wer in einer solchen Situation nicht mal den Notruf wählt, macht sich strafbar. Punkt.
Irgendwie wird das immer schlimmer: Wenn nur jemand zusammenbricht, den man kennt, dann hilft man. Sonst hat man zu viel Angst/es wird peinlich.
Ich glaube, du bist ein unbeabsichtigter Troll.
obwohl auch mir das geschriebene von berghuhn unverständlich erscheint, auf den zweiten blick scheint es mir, dass da im hintergrund schon einiges passiert sein muss und ihre ängste nicht mit den normalen ängsten von unbedarften menschen vergleichbar sind. DANN kann ich mir das auch erklären.
trotzdem besteht hier immer noch die möglichkeit (die wirklich genutzt werden sollte), im zweifel aus der situation raus zu gehen und unverzüglich den notruf zu wählen oder aber passanten auf die situation aufmerksam zu machen und um hilfe zu bitten.
Aber das ist doch genau der Punkt, ich weiß gar nicht, warum deshalb so viel diskutiert wird.
Es verlangt ja noch nicht mal jemand nach professioneller Ersthilfe.
Und deinen ersten Punkt in bezug auf die Userin lasse ich mal so stehen. Auch wenn ich meine eigenen Gedanken dazu habe.
Nur so als Zusatz-Input: So ein Schaltervorraum mit Geldautomaten in einer Bank gehört wohl zu den best-überwachten Räumen die es gibt.
* die Räume sind i.d.R. vollständig mit Kameras überwacht (d.h.: ohne tote Winkel);
* in diesen Räumen befinden sich (ähnlich wie in Aufzügen), eigentlich gut sichtbare Alarmknöpfe bzw. "Service-Tasten". Die sind zwar nicht direkt zur Polizei geschaltet (und oft auch nicht zur Bank selber), sondern meist zu privaten Sicherheitsunternehmen - aber auch die können und müssen bei Betätigung des Knopfes reagieren - bzw. können sich sogar in dem meisten Fällen direkt auf die Ü-Kameras der entsprechenden Filiale aufschalten.
* Tag/Nacht-Sicherung: Barbezüge an bestimmten Automaten ausserhalb des Bankgebäudes innerhalb gewissen Zeiten nicht möglich, jeweils mit Verweis auf die nächste "inhouse"-Anlage.
Es gibt noch weitere Sicherheitssysteme, auf die ich hier nicht weiter eingehen will. Die sind allerdings hauptsächlich auf Raub bzw. "Skimming" (= kriminelle Manipulationen an den Geldautomaten selber) ausgelegt.
Alles in allem gibt es keinen rationalen Grund, sich ausgerechnet in so einer Geldautomatenhalle einer Bank unsicher zu fühlen und wegen einer dort liegenden Person einen kriminellen Hintergrund zu vermuten.
Unsicherheit, ob man den Notruf wählen soll, kann ich grundsätzlich nachvollziehen. Ich weiß noch genau, wie ich mich gewunden habe, bevor ich es das erste Mal getan habe und wie unsicher ich war, ob das das Richtige war. Aber die Hemmschwelle baut sich ab.
Übrigens hat die Polizei auch immer eine "normale" Rufnummer. Wenn ich den Eindruck habe, dass die Polizei über irgendwas Bescheid wissen sollte, ich aber die Relevanz und Eiligkeit nich so recht abschätzen kann und den Notruf nicht unnötig blockieren will, nehme ich die.
Man muss sich ja immer fragen, welches Risiko einem Sich-Lächerlichmachen gegenüber steht. Wenn vielleicht ein Mensch stirbt, weil ich Angst habe, mich lächerlich zu machen, ist es das nicht wert. Ich fände es übrigens nicht sexy, wenn mein Mann mir sagen würde: "Ohne dich mache ich sowas nicht, ich habe lieber auf dich gewartet, das traue ich mir nicht zu."
Es ist allerdings ein Unterschied, ob jemand einen alten Mann sterben lässt und über ihn hinwegsteigt, um Kohle aus dem Automaten zu ziehen oder ob jemand bloß im ioff öffentlich kundtut, dass ihm solche Gedanken über Angst, den Ehemann usw. durch den Kopf gehen.
Ich finde bloß, man sollte sich klarmachen, dass man wirklich in eine solche Situation geraten kann und wie man dann handeln will. So viel Verantwortung sollte man schon für sich selbst übernehmen.
Wenn ich einen Obdachlosen sehe, der irgendwo liegt, rufe ich im Normalfall nicht den Notruf an. Warum auch? Obdachlose schlafen auf der Straße, weil sie obdachlos sind. Das ist eine Notlage, ganz sicher. Aber die kriegt man mit Hilfe der Polizei nicht beseitigt. Die Lösung läge wohl eher in einem Engagement für den sozialen Wohnungsbau. Ich glaube auch nicht, dass schlafende Obdachlose sich freuen würden, wenn einer nach dem anderen sie anquatscht und an ihnen rüttelt.
Die Obdachlosen, die ich so sehe, haben allerdings meistens Sachen dabei. Schlafmatte, Tüten, und liegen an der Seite, weil sie nicht ständig getreten werden wollen. Das wurde hier ja schon oft angesprochen.
Was mich wundert ist, dass kaum jemand auf das Alter des Mannes eingeht. Wenn jemand über 80 ist, liegt ein medizinischer Notfall sehr nahe und meist sieht man den Menschen das fortgeschrittene Alter durchaus an.
Ich kann keine Garantie dafür übernehmen, dass ich in dieser Situation richtig reagiert hätte. Ich finde allerdings, es gab viele Anhaltspunkte dafür anzunehmen, dass da nicht einfach ein Obdachloser im Warmen schlief.
Geändert von Mausophon (01-11-2016 um 17:55 Uhr)
Ich gestehe jedem zu, Angst zu haben. Oder unsicher zu sein, weil man vielleicht nicht weiß, wie man helfen soll.
Aber was für mich absolut unverständlich ist, dass man nicht den Notruf wählt.
Richtig - auch wenn das für User Django78 vielleicht "neu" und ihm das nicht bekannt ist und diese Servicetasten von ihm vielleicht übersehen werden. Sie sind aber da.
Sie dienen hauptsächlich dazu, in einem Notfall die Türblockierung von Innen aufzuheben und Kontakt mit dem daran angeschlossenen Überwachungsunternehmen aufzunehmen. Drückt jemand ohne sich mündlich zu melden den Knopf, wird so oder so bei der angeschlossenen Überwachungsstelle ein Alarm ausgelöst. Das hat aber in dem Fall niemand getan. Im Gegenteil.
Deshalb finde ich das "Argument", dass man sich eventuell selber in eine Gefahrensituation begeben könnte, gerade in so einem Automatenraum, eher eine Art "Schutzbehauptung" ist.