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Geändert von Pestalozzi (08-04-2018 um 00:54 Uhr)
Vorab! Ich habe auf meine eigenen Fragen keine Antwort. Beim Beamtenstatus kann es aber schon sein, dass es ein Fehlanreiz ist und die falschen Personen dadurch für diesen Beruf angezogen werden. Andere Länder schaffen es doch auch und das Geld, das man einspart kann man an anderer Stelle wieder in die Bildung investieren.
Ich habe keine Antworten, nur viele Fragen. Österreich und Kanada haben deutlich geringere Lehrerkosten. Deren Wirtschaft geht es doch auch ganz gut. Vielleicht reicht in Deutschland ja auch ein Fachhochschulstudium, welches auch Personen ohne Fachhochschulreife aber mit abgeschlossener Berufsausbildung studieren dürfen.
Es ist doch erstaunlich: Die Situation soll ganz ganz schlecht sein, aber der heutige Lehrer soll komplett unschuldig sein, weil die Situation es ihm unmöglich macht ein guter Lehrer zu sein?
Dost,
vordergründig lebt jeder von uns in einer Blase. Das Bild stimmt aber insoweit nicht, als dass wir alle Schnittmengen mit anderen Menschen haben.
Wir kommen aus dem Ruhrgebiet, da sind die Grenzen vielleicht fließender als anderswo. Ich z. B. stamme aus einer Handwerkerfamilie und habe lange in einem Handwerksbetrieb gearbeitet. Mein Mann stammt aus dem Kleinbürgertum, hat ewig und drei Tage in einer Metall verarbeitenden Fabrik geschuftet, bis er Lehrer war. Zudem ist er Teamsportler und sein bester Freund ist Handwerker. Unsere Kinder waren auf Schulen mit hohem Migrationsanteil, haben beide Auslandserfahrung.
Meine Tochter hat viele Jahre im Ausland auch gearbeitet, u. a. hat sie Nachtschichten in einer Tankstelle geschoben, und das in einer ziemlich miesen Gegend. Mein Sohn hat u. a. als Lagerist gearbeitet. Beide haben Freunde, die eine Ausbildung gemacht haben und in sogenannten Blue Collar-Jobs arbeiten.
Ich bin übrigens der Meinung, dass sehr viel nüchterner an die Berufswahl heran gegangen werden sollte. Meinen Kindern war immer klar, dass Lehrer nicht um 17 h Feierabend haben. Sie haben die Nachtschichten meines Mannes registriert, wenn er Klassenarbeiten zu korrigieren hatte, in allen Ferien, außer im Sommer. Sie wussten immer, dass es Lehrpläne gibt, die eingehalten werden müssen. Ihnen war klar, dass es schwierige Schüler und anstrengende Eltern gibt. Sie haben einen Vater erlebt, der die Schüler immer mochte, aber klar zwischen Beruf und Berufung unterschieden hat. Berufung macht dich abhängig von deinem Job und lässt dich die notwendige Distanz verlieren, wenn du nicht aufpasst. DAS macht kaputt.
Es hat sich schon etwas in der Lehrerausbildung geändert. Beide Kinder (Zweitkind will auch in den Lehrberuf) haben bereits im Grundstudium Schulpraktika machen und eigenständig unterrichten müssen. Da werden den Studenten die ersten falschen Vorstellungen ausgetrieben. Die Lehrpläne könnten definitiv anders aufgebaut sein. Ein Lehrer muss nicht die letzte Feinheit eines Studienfachs wissen, sofern er nicht an der Hochschule unterrichten will. Die Didaktik könnte noch näher am Alltag ausgerichtet sein, weniger am Idealzustand. Wenn du nicht ein bisschen schauspielerisches Talent hast, brauchst du es - meiner Meinung nach - auch nicht zu versuchen. Es schadet zudem nicht, das zu sein, was man neudeutsch "street smart" nennt. Ich würde mir für Lehrer im Job (und nicht nur für die) regelmäßige Supervision wünschen.
Nein, Lehrer sind nicht überbezahlt. Sie haben zwei bzw. drei Fächer incl. Masterabschluss studiert. Sie können zudem nicht problemlos in andere Firmen/Jobs wechseln. Den Beamtenstatus finde ich wichtig, damit sie nicht zur Verschiebemasse verkommen. In den USA müssen Lehrer teilweise Zweitjobs haben, um über die langen unterrichtsfreien Sommermonate zu kommen. Lehrer sollten wie Polizisten und Richter z. B. nur dem Staat verpflichtet sein und nicht privaten Interessen. (Gibt es übrigens längst bei den Privatschulen.)
Es wäre wünschenswert, wenn Eltern wie Kindern ehrlich vermittelt würde, dass beruflicher Erfolg auf schulischem Erfolg gründet und letzterer Durchhaltevermögen und Fleiß erfordert. Und eine gewisse Frustrationstoleranz. Das ist übrigens unabhängig von der Schulform.
Schule ist keine Strafe. Ich erinnere mich daran, dass bei der Einschulung meiner Kinder manche Eltern ihren Sprösslingen Angst machten. "Ernst des Lebens" war noch das Harmloseste. Dabei wollen Kinder so gern ausprobieren und sind wie Schwämme, die Informationen nur so sammeln!
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Geändert von Pestalozzi (08-04-2018 um 00:55 Uhr)
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Geändert von Haramis (26-02-2018 um 04:13 Uhr) Grund: entfernt, da zu realistisch
Wir können Krise!
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Geändert von Pestalozzi (08-04-2018 um 00:55 Uhr)
June und Jaspis, danke für eure sachlichen und unaufgeregten Beiträge
Den Beamtenstatus für Lehrer finde ich auch wichtig. Ich hatte mir darüber vorher noch nicht viele Gedanken gemacht, finde eure Argumente aber schlüssig.
Nein ist ein vollständiger Satz.
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Geändert von Pestalozzi (08-04-2018 um 00:55 Uhr)
Diese Sätze finde ich unglaublich wichtig - bei mir ist der Groschen erst mit ca. 16 Jahren gefallen, dass ich für mich selbst und nicht für die Lehrer oder die Schule lerne. Obwohl ich den "Ernst des Lebens"-Spruch quasi permanent gehört habe. Ich glaube, meine Eltern hat es sehr genervt, dass ich lange Zeit meine Talente nicht "richtig" eingesetzt habe - Schule war leicht, aber ich hätte durch etwas mehr Ehrgeiz sehr viel bessere Noten haben können. Und so habe ich mich lange an den Lehrern gerieben, habe meine Lieblingsfächer gehabt, mich bei ungeliebten Aufgaben durchschlawinert... und meine Zeugnisnoten in der Waage halten können.
Und als ich plötzlich begriffen habe, dass ich nur für mich lerne... da war alles ein Kinderspiel und meine Zeugnisse hatten endlich alle die Einsen, die meine Eltern vorher schmerzlich vermisst hatten - und ich sehr viel mehr Spaß im Unterricht.
Und das mit dem "Kinder sind wie Schwämme" ist ja so wahr - als ich zwei Jahre lang hin und wieder eine anfangs Vierjährige von Freunden für ein paar Stunden betreut habe, hat mich ihr Wissensdurst manchmal wahnsinnig gemacht... "warum...?????"
Die franz. "ecole maternelle" (Vorschule 3-6 Jahre) greift diese Neugier und diesen Wissendurst in meinen Augen sehr gut auf und lässt die Kinder lernen und Erfahrungen machen.
Auf dem Papier tendenzell MEHR, mag ja sein. Aber es dürfte doch grundsätzlich nach wie vor ein verschwindend geringer Anteil sein.
Dass die Behinderungsbilder, mit denen sich Förderschulen konfrontiert sehen, im Laufe der letzten Jahre und Jahrzehnte zunehmend schwerwiegender geworden sind, ist allerdings Fakt. Die Behinderungen, die man bereits vor der Geburt feststellen kann und die oft vergleichsweise leicht einschränkend sind, werden zum großen Teil schon vorab aussortiert. Bei Komplikationen während der Schwangerschaft bzw. der Geburt, oder bei erst später erkannten Gendefekten oder bei Unfällen sind die Auswirkungen oft deutlich schwerwiegender.
Es gibt kaum noch angestellte Lehrer. Die letzten Bundesländer im Osten verbeamten inzwischen auch. Warum? Weil sie keine Lehrer mehr gefunden haben.
Die meisten die heute nicht verbeamtet sind, sind es aufgrund von Gesundheit, alter, Herkunft oder weil sie es nicht wollen.
Geändert von Anscha (25-02-2018 um 15:28 Uhr)