Ein Vorsitzender einer Regierungspartei, der weder in der Regierung mitwirkt, noch den Fraktionsvorsitz übernimmt, wäre vermutlich ein Novum in Deutschland. Gut, "das gab es noch nie" ist kein Argument. Aber die Konstellation wäre schon krass und würde die permanente Frage nach der Existenzberechtigung der Vorsitzenden aufwerfen.
Schulz hatte ja schon im Wahlkampf ein Problem damit, dass ihm ohne politisches Amt eine "Plattform" fehlte. Außerhalb des Wahlkapfes würde er in dieser Konstellation vollends zu lame duck verkommen, weshalb er sich darauf sicher nicht einlassen würde.
Mitnichten, gibt es doch viele Aufgabengebiete in einer Partei, die zwar von einem Parteivorsitzenden, nicht aber von einem Fraktionsvorsitzenden oder gar Mitglied der Regierung erledigt werden können. Und warum sollte diese Frage permanent aufgeworfen werden, nachdem das einmal erklärt wurde?
Was darf
Freiheit kosten?
Diese Aufgabengebiete können aber größtenteils auch an einen Generalsekretär und andere Mitarbeiter delegiert werden. Frau Merkel (und frühere Kanzler) führen ihre Partei sozusagen "nebenher". Denn dass Kanzler alein schon mehr als ein Fulltimejob, steht wohl nicht in Frage. Da würde sich fast automatisch die Frage stellen, ob Herr Schulz mit dem Parteivorsitz schon ausgelastet ist. Und falls ja: Wie er denn den Kanzlerjob bewältigt hätte, wenn er ihn denn bekommen hätte.
Und warum würde die Frage immer wieder aufgeworfen werden? Ganz einfach: Weil sie nicht einmal und final erklärt werden kann. Es gibt darauf nicht die eine Antwort, die jeden überzeugt.
Du siehst ja auch an diesem und dem Vorgängerthread, dass es Fragen gibt, die immer wieder gestellt, und immer wieder beantwortet, und trotzdem immer wieder gestellt werden.
Also, ich habe jetzt alle drei Möglichkeiten für mich nach persönlichem Gusto durchgespielt: Groko, Neuwahlen, Minderheitsregierung.
Groko:
Die CDU kann nun auf keinen Fall mehr ohne sie . Daher könnten die Sozialdemokraten Bedingungen stellen, die vorher in keiner Koalitionsverhandlung möglich gewesen wären. Hätten sie doch nur welche, für die es sich lohnen würde. Ich weiß nicht, ob Nahles & Co. noch wissen, was sie ihren Wählern traditionell schulden. Nicht zu vergessen ist da die CSU, die ja immer noch mitspielt. Aber wenn die weiterhin mitregieren wollen, wissen sie wohl selbst, dass sie nun ein bisserl kleinlauter sein müssten. Was allerdings in Hinsicht der Bayernwhahl weiterhin ausgeschlossen ist. Also ginge es CSU vs. SPD (und CDU). Mal grundsätzlich: Wenn die beiden "C"-Parteien wirklich so auseinander liegen, sollte eine ehrliche Trennung möglich sein.
Neuwahlen
Da hätte wohl keiner was von. Mal angenommen: die SPD stellt Olaf Scholz als neuen Kanzlerkandidaten auf. Bis Ostern ist der doch niemals etabliert. Also Kanzler können sie nicht. Merkel wird es nach dem Fiasko auch nicht. Also wieder wie gehabt. Mit evtl. kleine Verschiebungen. Wobei die SPD als "Umfaller" noch weniger Stimmen bekommen wird. Wer eines sagt, und das andere tut, war noch nie beliebt (außer Merkel komischerweise).
Minerheitsregierung
Mein favorisiertes Modell. Es sind in den Diskussionsrunden bezeichnenderweise häufig die Chefredakteure von WELT etc., die das ablehnen. Also jene Merkel-treuen Journalisten, die im redaktionellen Sinne zwischen Kauder und Altmaier stattfinden. Ihr Einwand: Es wäre für ein Staatsoberhaupt unzumutbar, jede kleinste Entscheidung vom Parlament absegnen zu lassen. Da ja dieses Parlament aus zu vielen Meinungen bestünde. Nun hat aber die NRW-SPD schon zugesagt, man würde einen "Stabilitätspakt" zusagen. Ich denke, die Bundes-SPD sieht das ähnlich (bin nicht auf dem neuesten Stand).
Ich kann nix Nachteiliges darin sehen, ein Problem aus diversen Sichtweisen zu diskutieren. Im Gegenteil. Wie der Politwissenschaftler Werner Patzelt von der TU Dresden sagte: Ein lebhafter Parlamenterismus kann diesem Land nach Jahren des arroganten Durchregieruns nicht schaden.
Nun lautet die Gegenrede: Dann wären wir nicht mehr der Kraftprotz in Europa, der das nötige Durchsetzungsvermögen besäße und alles zusammenhielte.
Sorry, aber war es nicht Merkel, die ein wenig für die EU-Zersplitterung verantwortlich war? Ist Europa nicht froh, wenn wir nicht mehr "alternativlos" den starken Max markieren, sondern Alleingänge in Zukunft vemeiden. Nämlich vorher aus verschiedenen Perspektiven abwägen?
Geändert von spector (24-11-2017 um 01:04 Uhr)
Die Bundes-SPD würde mit Sicherheit eine Minderheitenregierung der Union tolerieren. Hätte das doch den Vorteil, das man mitreden kann und es sich gleichzeitig in der Opposition gemütlich machen könnte. Die Dreckarbeit müsste die Union dann allein verrichten.
Wenn Sie Olaf Scholz nach vorne stellen, gibt es keine Neuwahlen, dann geht es in die GroKo. Aber inwiefern er nach g20 der richtige sein soll, kann ich nicht beurteilen.