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Thema: Savoir-vivre

  1. #61
    Grundsätzlich kann ich Menschen, die ständig über ihre Arbeit jammern auch nicht verstehen, weil ich mir dann auch stets denke: "Warum wechselt du dann nicht einfach die Firma/den Job
    Aber! Und damit will ich die Diskussion keineswegs abwürgen, aber letztlich gilt auch hier wieder: Es kommt halt immer auf dein Einzelfall drauf an. Jammern ist nicht gleich jammern. Unzufriedenheit ist nicht gleich Unzufriedenheit.
    Jeder Jeck ist anders, und es gibt so viele unterschiedliche Lebensentwürfe und Lebenssituationen, sodass man letztlich wirklich immer von Einzelfall zu Einzelfall unterscheiden sollte.

    Ich selbst bin alleinstehend, (noch) kinderlos, wohne zur Miete - auch wenn es bei mir nie der Fall sein wird, aber bei mir gäbe es, falls mir mein jetziger Beruf keinen Spaß mehr machen würde, kein Hindernis zu sagen: "Ich kündige und mach was anderes". (Wird aber nie der Fall sein, weil ich meinen jetzigen Beruf liebe und wirklich als Berufung sehe). Ich bin halt auch vom Typ her jemand, der anstatt zu jammern, lieber die Dinge in Angriff nimmt und ändert. Aber nicht jedem fällt das leicht, ist auch ne Typfrage.
    Und wenn jemand Kinder und Haus/Wohnung abzuzahlen hat, kann ich durchaus nachvollziehen, dass derjenige dann eher zögerlich agiert. Andererseits kenn ich auch immer mehr Menschen, die trotz Kinder und Haus, mit 40 nochmal beruflich nen totalen Neuanfang gewagt haben, die hatten aber auch alle ne unterstützende Verwandschaft (Ehepartner, Eltern/Großeltern) im Hintergrund, die betreuungsmäßig und teilweise auch finanziell unterstützend tätig waren.

    Und wie leicht man was anderes findet, hängt auch wieder von so vielen unterschiedlichen Faktoren ab.
    Ich kenne Menschen mit einer recht "kruden" Schul- und Berufslaufbahn, die aber trotzdem nie Probleme hatten irgendwo unterzukommen. Die sind auf Zack, haben eine gute Auffassungsgabe, arbeiten sich schnell in neue Aufgabengebiete ein, sind eloquent, können sich gut verkaufen und versprühen auf eine gewisse Art Tatendrang und Optimismus.
    Dann wiederum kenne ich Menschen, die sich mit einem Jobwechsel einfach schwertun.
    Ein guter Freund hat damals nach dem Abitur etwas studiert, von dem er und sein Umfeld überzeugt davon war, dass es das richtige für ihn ist. Mit fortgeschrittener Semesterzahl und diversen Praktika hegte er aber zunehmend Zweifel ob seines zukünftigen Berufes. Doch nach 6 Semestern einfach abbrechen? Als Studienabbrecher abgestempelt sein? Oder doch bis zum Ende durchziehen und erstmal probieren, ob's nicht doch passt?
    Letztlich hat er das Studium dann abgeschlossen. Nach Ewigkeiten. Damals war das noch möglich vor sich hinzustudieren, in seinem Studiengang gab's noch keine Höchststudiendauer, so wie es sie heute gibt. Dann hat er 3 Jahre in dem Beruf gearbeitet. Drei Jahre, die für ihn eine einzige Belastung waren und ihn richtig unglücklich machten. Tja und dann? Da stand er da mit Anfang 30. Hinzu kam bei ihm, dass er einfach vom Typ her jemand ist, der sein Licht gerne unter den Scheffel stellt, sehr schüchtern und zurückhaltend, jemand der sich einfach nicht gut verkaufen kann. Wie will der bei oftmals hunderten von Mitbewerbern, die gerade frisch von der Schule kommen, erfolgreich einen Ausbildungsplatz ergattern? Er hat dann trotzdem recht schnell was gefunden. Der Beruf an sich: Genau sein Ding. Das Unternehmen, in dem er die Ausbildung absolvieren konnte? Eher vom Regen in die Traufe: Bezahlung am untersten Rand, ständig Überstunden, Personalmangel, etc. pp.
    Beschweren? Bei wem? Beim Betriebsrat? Fehlanzeige, gab's nicht, kleiner Familienbetrieb. Zumal alles natürlich im legalen Rahmen blieb. Trotzdem zermürbend. Und jetzt? Wieder aufhören und was anderes suchen? Erst ewig studieren, dann doch was anderes machen und dort wieder nach kurzer Zeit wechseln? Juhu, sowas sehen Arbeitgeber gerne.
    Kurzum: Leicht hatte er es nicht. Und das Ganze als Außenstehender mitanzusehen war auch nicht leicht, weil man irgendwie helfen möchte, sich aber doch hilflos fühlt. Was bringt es jemanden in so einer Situation Sprüche wie: Jeder ist seines Glückes Schmied! Du schaffst das, du musst nur wollen! usw. reinzudrücken?
    Er hat dann doch noch den Absprung geschafft, jetzt endlich in einem Beruf und Unternehmen, wo quasi alles passt und der ihm Freude bereitet. Es ist wirklich erstaunlich mitanzusehen, wie sehr sich dieser Mensch verändert hat. Vormals oft unglücklich und jetzt ein freudig und glücklich. Er sagt selbst, dass er nun endlich angekommen ist und sich nicht ständig den Kopf darüber zerbrechen muss, wie es beruflich mit ihm weitergehen soll.

    Ich bin Menschen begegnet, die Nischenfächer mit schlechten Jobaussichten studiert haben und sich wie selbstverständlich deutschlandweit und teilweise sogar international beworben haben, und letztlich dann für einen Job ohne mit der Wimper zu zucken ans andere Ende von Deutschland zogen und ihr bisheriges familiäres und freundschaftliches Umfeld verlassen haben. Die sahen das nüchtern-pragmatisch. Dann wiederum bin ich im Studium Mitmenschen begegnet, bei denen auch schon im Vorfeld klar war, dass sie in ihrer Heimatregion nur schwerlich einen Job finden. Die heulten Rotz und Wasser als sich rausstellte, dass sie ihr - in diesen Fällen - geliebtes Oberfranken/die Oberpfalz - verlassen mussten und - oh Schreck - in die großen Städte nach Oberbayern oder Franken ziehen "mussten".

  2. #62
    Und um die eigentliche Thread-Frage zu beantworten:
    Ich schrieb das vor einiger Zeit schonmal im Büro-Mecker-Thread: Ich lernte nach dem Abitur erst einen Beruf im kaufmännisch-technischen Bereich. Es passte alles: Vorgesetzte, nette Kollegen, das gesamte Arbeitsklima, die Arbeit an sich, die Bezahlung. Ich blicke heute noch gerne auf die Zeit zurück
    Trotzdem war mir damals von Anfang an klar, dass das nur eine kurze berufliche Zwischenstation sein wird. Ich bin einfach nicht der Bürotyp. Ich wäre auf Dauer zwar nicht unglücklich geworden, aber vollkommen erfüllt - arbeitsmäßig betrachtet - wäre ich nicht gewesen. Und das wollte ich aber. Also studiert, eher im Bereich Dienstleistung angesiedelt, wenn man das so sagen kann :
    Ich bin jemand, der seinen Job wirklich gerne macht, ihn als Berufung sieht und mit Freude zum Dienst geht. Alles ist natürlich nicht perfekt, Dinge die einen stören und die man gerne änders hätte gibt es schon, aber wo gibt's das nicht.
    Von daher: Ich würde bei einem Lottogewinn meinen Beruf keinesfalls aufgeben. Stundenmäßig reduzieren wahrscheinlich schon, aber komplett aufgeben. Nein! Ständig nur auf der faulen Haut liegen und in der Welt umherreisen würde mich auf Dauer nicht erfüllen.

  3. #63
    *einfach schwimmen* Avatar von Clairchen I.O.F.F. Team
    Ort: TZF
    Zitat Zitat von toad Beitrag anzeigen
    In meinem letzten Job hätte ich bei einem Lottogewinn nicht aufgehört zu arbeiten. Im Gegenteil: Ich hätte den ganzen Bums gekauft, Prügelstrafe als probate Disziplinierungsmaßnahme eingeführt und den ganzen Tag die Deppen in die Fresse gehauen.

    In meinen jetzigen Job würde ich wahrscheinlich reduzieren, so auf 15 Wochenstunden und ansonsten viel lesen, viele Serien schauen und viel Reisen.
    Ich erhöhe vermutlich um 5 Stunden, aber jo passt Genauso

  4. #64
    Perrier
    unregistriert
    Heute Home Office gemacht, da unzumutbarer Verkehr und keinen Bock auf Bus & Bahn. Dienstag auch Home Office, da am Nachmittag wichtiger privater Termin und viel Zeit auf die Fahrerei draufgehen würde.
    Für Chef und Kollegen vollkommen verständlich. "Bist ja erreichbar."

    Solche Kleinigkeiten machen für mich einen Job angenehm.

  5. #65
    Ich würde auch gerne Tele machen. Aber ich arbeite zu 90 % mit einer Datenbank, die nicht Home-Office-kompatibel ist
    "Your body is not a temple, it's an amusement park. Enjoy the ride." - Anthony Michael Bourdain


  6. #66
    Perrier
    unregistriert
    Was ist denn Tele?


    Ich bin zum Glück an keine spezielle Technologie gebunden. Es gibt zwar Termine und Fristen oder Tage und Situationen, an denen ich (zu vorgegebenen Zeiten) präsent sein muß, aber grundsätzlich bestimme und plane ich meine Arbeit selbst und lege mir meine Termine so, wie es mir genehm ist.

    Das ist nicht nur angenehm, sondern kann auch ein Spaßfaktor sein. Ich bin ziemlich viel unterwegs, muß an den unterschiedlichsten Orten bestimmte Dinge abchecken. Sehr viel in der Natur, oft an sehr schönen und interessanten Orten. Wenn es bspw. an einem Freitag Nachmittag regnet und ich weiß, daß am Samstag schönes Wetter sein soll, dann mache ich Freitag früher Feierabend und fahre am Samstag an den märchenhaften See. Das hat dann gleichzeitig auch einen Freizeiteffekt.

  7. #67
    Zitat Zitat von Perrier Beitrag anzeigen
    Was ist denn Tele?
    Behördendeutsch für Home Office

    Das flexible schätzen die Kollegen. Sie müssen beim Antrag zwar genaue Tage angeben, aber können diese dann aber auch tauschen.
    "Your body is not a temple, it's an amusement park. Enjoy the ride." - Anthony Michael Bourdain


  8. #68
    Perrier
    unregistriert
    Zitat Zitat von Perrier Beitrag anzeigen
    Hier postet doch nur eine Spitzenkraft.

    Mich wundert es aber tatsächlich, wie die ganzen Leute hier, die im Gegensatz zu mir einer anständigen Arbeit nachgehen, so viel Zeit zum Posten haben. Mich liest man hier nicht mehr, wenn es bei mir wieder los geht.
    Das muß ich für mein aktuelles Projekt ganz klar korrigieren.

    Meinem Chef und meinen Kollegen ist diese Haltung (preußisch? protestantisch?), die man im Hartz-IV-Thread zuhauf lesen konnte, glücklicherweise fremd.

    Das Büro ist recht weit von meinem Wohnort entfernt und auf dem Weg herrscht ständig extrem erhöhtes Verkehrsaufkommen. Aus dem Grund mache ich so viel wie möglich Home Office. Das spart mir täglich 2 Stunden Fahrerei und das ständige Ein- und Auspacken von Laptop und co. Und so habe ich mehr Freizeit als üblicherweise und bin dazu vollkommen autark.

    Für mich gehört zu l'art de vivre ("savoir vivre" hat ja eher was mit Anstand zu tun - und passt daher ja ganz zu dieser Pflichterfüllungshaltung) definitiv dazu, daß es einen guten Ausgleich zwischen den beiden Säulen Arbeit und Sozialleben gibt. Dazu gehört für mich auch eine gewisse Entscheidungsmacht, wie, wann und wo ich meine Arbeit erfülle - sofern möglich.

    Ein Chef, der - abseits von festen Terminen - Pünktlichkeit auf die Minute oder sinnlose Anwesenheitspflicht erwartet, ist ein Typ Mensch, den ich meide. Bei so einer Unternehmung dürfte auch anderes im Argen liegen.


    Aber zurück zu savoir-vivre: Leben und leben lassen. Darum sollte es gehen. Das scheint aber tatsächlich für viele sehr schwierig zu sein. Und so denke ich mir immer meinen Teil, wenn mal wieder von anderen erwartet wird, sich von eigenen Vorstellungen und Zielen zu verabschieden und gefälligst Mißstände zu akzeptieren, weil sich das so gehörte.

  9. #69
    Aber so, dass man vollkommen autark arbeiten kann, ist es ja in den allerseltensten Fällen. Insofern sind Regeln und Strukturen durchaus sinnvoll und wichtig, wenn man mit Kollegen zusammenarbeiten muss. ... Ich weiß von mir selber, dass ich, obwohl ich m. E. ansich ein gewissenhafter und pflichtbewusster Mensch bin, mit den Freiheiten bei einer Home-Office-Arbeit nicht umgehen könnte. Mir würde dazu zum einen die Disziplin fehlen, aber zum anderen auch die gesunde Distanz zu meiner Arbeit.
    Geändert von Will.Hunting (19-04-2018 um 17:28 Uhr)

  10. #70
    Perrier
    unregistriert
    Vollkommen autark ist tatsächlich selten, aber es gibt ja Email und Telefon. Warum Du denkst, daß es keine Strukturen und Regeln gibt, wenn man zu Hause am Schreibtisch sitzt statt im Büro, verstehe ich nicht.
    Wenn ich eine Kalkulation abgeben muss bis Tag x, dann ist daran auch nicht zu rütteln. Es besteht nur niemand darauf, dass ich dafür zuerst mein Laptop durch die Gegend fahren muss. Hauptsache, die Kalkulation ist pünktlich fertig.

    Was die Selbstdisziplin betrifft, muss ich die doch genau so aufbringen, wenn ich im Büro hocke. Ich sitze nicht nur Zeit ab, sondern erledige Aufgaben. Und Feierabend mache ich eh immer dann, wenn ich mit dem, was zu machen ist, fertig bin. Ich habe zu Hause nur sofort Feierabend und muss nicht noch eine Stunde nach Hause fahren.

  11. #71
    Perrier
    unregistriert
    Es ist doch auch ein Geben und Nehmen. Ich habe während der Arbeitszeit auch mit Menschen zu tun, die sich gerade nicht in ihrer Arbeitszeit befinden. Im Gegensatz zu einem Arzt kann ich mir diese aber nicht zu von mir bestimmten Zeiten und auch nicht in bestimmten Zeitfenstern einbestellen. Wenn ich offiziell um 19 Uhr Feierabend habe, aber so ein Termin erst um 20 Uhr wahrnehmbar ist oder ich offiziell am WE nicht arbeite, der Termin aber nur an einem Samstag wahrnehmbar ist, dann hätte ich die Möglichkeit einer sturen Haltung (à la Pünktlichkeit ohne wichtigen Grund) und könnte sagen: 'Mache ich nicht' oder 'mache ich, wenn ich Überstunden bezahlt bekomme'. Ich mache es einfach.

    Von so was hat ein Chef doch viel mehr als von erzwungener Anwesenheit, wenn die nicht notwendig ist.


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