Grundsätzlich kann ich Menschen, die ständig über ihre Arbeit jammern auch nicht verstehen, weil ich mir dann auch stets denke: "Warum wechselt du dann nicht einfach die Firma/den Job
Aber! Und damit will ich die Diskussion keineswegs abwürgen, aber letztlich gilt auch hier wieder: Es kommt halt immer auf dein Einzelfall drauf an. Jammern ist nicht gleich jammern. Unzufriedenheit ist nicht gleich Unzufriedenheit.
Jeder Jeck ist anders, und es gibt so viele unterschiedliche Lebensentwürfe und Lebenssituationen, sodass man letztlich wirklich immer von Einzelfall zu Einzelfall unterscheiden sollte.
Ich selbst bin alleinstehend, (noch) kinderlos, wohne zur Miete - auch wenn es bei mir nie der Fall sein wird, aber bei mir gäbe es, falls mir mein jetziger Beruf keinen Spaß mehr machen würde, kein Hindernis zu sagen: "Ich kündige und mach was anderes". (Wird aber nie der Fall sein, weil ich meinen jetzigen Beruf liebe und wirklich als Berufung sehe). Ich bin halt auch vom Typ her jemand, der anstatt zu jammern, lieber die Dinge in Angriff nimmt und ändert. Aber nicht jedem fällt das leicht, ist auch ne Typfrage.
Und wenn jemand Kinder und Haus/Wohnung abzuzahlen hat, kann ich durchaus nachvollziehen, dass derjenige dann eher zögerlich agiert. Andererseits kenn ich auch immer mehr Menschen, die trotz Kinder und Haus, mit 40 nochmal beruflich nen totalen Neuanfang gewagt haben, die hatten aber auch alle ne unterstützende Verwandschaft (Ehepartner, Eltern/Großeltern) im Hintergrund, die betreuungsmäßig und teilweise auch finanziell unterstützend tätig waren.
Und wie leicht man was anderes findet, hängt auch wieder von so vielen unterschiedlichen Faktoren ab.
Ich kenne Menschen mit einer recht "kruden" Schul- und Berufslaufbahn, die aber trotzdem nie Probleme hatten irgendwo unterzukommen. Die sind auf Zack, haben eine gute Auffassungsgabe, arbeiten sich schnell in neue Aufgabengebiete ein, sind eloquent, können sich gut verkaufen und versprühen auf eine gewisse Art Tatendrang und Optimismus.
Dann wiederum kenne ich Menschen, die sich mit einem Jobwechsel einfach schwertun.
Ein guter Freund hat damals nach dem Abitur etwas studiert, von dem er und sein Umfeld überzeugt davon war, dass es das richtige für ihn ist. Mit fortgeschrittener Semesterzahl und diversen Praktika hegte er aber zunehmend Zweifel ob seines zukünftigen Berufes. Doch nach 6 Semestern einfach abbrechen? Als Studienabbrecher abgestempelt sein? Oder doch bis zum Ende durchziehen und erstmal probieren, ob's nicht doch passt?
Letztlich hat er das Studium dann abgeschlossen. Nach Ewigkeiten. Damals war das noch möglich vor sich hinzustudieren, in seinem Studiengang gab's noch keine Höchststudiendauer, so wie es sie heute gibt. Dann hat er 3 Jahre in dem Beruf gearbeitet. Drei Jahre, die für ihn eine einzige Belastung waren und ihn richtig unglücklich machten. Tja und dann? Da stand er da mit Anfang 30. Hinzu kam bei ihm, dass er einfach vom Typ her jemand ist, der sein Licht gerne unter den Scheffel stellt, sehr schüchtern und zurückhaltend, jemand der sich einfach nicht gut verkaufen kann. Wie will der bei oftmals hunderten von Mitbewerbern, die gerade frisch von der Schule kommen, erfolgreich einen Ausbildungsplatz ergattern? Er hat dann trotzdem recht schnell was gefunden. Der Beruf an sich: Genau sein Ding. Das Unternehmen, in dem er die Ausbildung absolvieren konnte? Eher vom Regen in die Traufe: Bezahlung am untersten Rand, ständig Überstunden, Personalmangel, etc. pp.
Beschweren? Bei wem? Beim Betriebsrat? Fehlanzeige, gab's nicht, kleiner Familienbetrieb. Zumal alles natürlich im legalen Rahmen blieb. Trotzdem zermürbend. Und jetzt? Wieder aufhören und was anderes suchen? Erst ewig studieren, dann doch was anderes machen und dort wieder nach kurzer Zeit wechseln? Juhu, sowas sehen Arbeitgeber gerne.
Kurzum: Leicht hatte er es nicht. Und das Ganze als Außenstehender mitanzusehen war auch nicht leicht, weil man irgendwie helfen möchte, sich aber doch hilflos fühlt. Was bringt es jemanden in so einer Situation Sprüche wie: Jeder ist seines Glückes Schmied! Du schaffst das, du musst nur wollen! usw. reinzudrücken?
Er hat dann doch noch den Absprung geschafft, jetzt endlich in einem Beruf und Unternehmen, wo quasi alles passt und der ihm Freude bereitet. Es ist wirklich erstaunlich mitanzusehen, wie sehr sich dieser Mensch verändert hat. Vormals oft unglücklich und jetzt ein freudig und glücklich. Er sagt selbst, dass er nun endlich angekommen ist und sich nicht ständig den Kopf darüber zerbrechen muss, wie es beruflich mit ihm weitergehen soll.
Ich bin Menschen begegnet, die Nischenfächer mit schlechten Jobaussichten studiert haben und sich wie selbstverständlich deutschlandweit und teilweise sogar international beworben haben, und letztlich dann für einen Job ohne mit der Wimper zu zucken ans andere Ende von Deutschland zogen und ihr bisheriges familiäres und freundschaftliches Umfeld verlassen haben. Die sahen das nüchtern-pragmatisch. Dann wiederum bin ich im Studium Mitmenschen begegnet, bei denen auch schon im Vorfeld klar war, dass sie in ihrer Heimatregion nur schwerlich einen Job finden. Die heulten Rotz und Wasser als sich rausstellte, dass sie ihr - in diesen Fällen - geliebtes Oberfranken/die Oberpfalz - verlassen mussten und - oh Schreck - in die großen Städte nach Oberbayern oder Franken ziehen "mussten".