Mit der gefühlten Wahrheit ist es so eine Sache:
"In Deutschland stieg zunächst bis Anfang der 60er Jahre das Aufkommen an Vergewaltigungen, um sich anschließend zu stabilisieren und bis Anfang der 80er Jahre um ein konstantes Niveau zu fluktuieren, worauf ein deutlicher Rückgang noch unter das Ausgangsniveau folgte, der nur kurz durch eine leicht e Spitze Anfang der 90er Jahre unterbrochen wurde (Abb.90)."
http://www3.soziologie.uni-halle.de/...n/pdf/0401.pdf
Auf der erwähnten Abbildung 90 (S. 136) sehen wir, dass das Niveau der Vergewaltigungszahlen in Deutschland abgesehen von einem kurzen Ausreißer nach oben um das Jahr 1960 nie so hoch - und zwar konstant hoch - war wie in den Jahren von ca. 1969 bis 1982.
Über die 70er weiß ich nicht viel, aber ich hab mich seit den mittleren 80ern frei bewegt. In Groß-, Mittel-, Klein- und Millionenstädten. Und Kuhdörfern. Und die von Mausophon gepostete Statistik entspricht meiner gefühlten Realität. Denn die hat sich nicht verändert, sie ist weder besser noch schlechter geworden. Wachsam bin ich meistens, furchtsam selten.
Geändert von seija76 (05-01-2017 um 07:58 Uhr)
Bei mir war es eigentlich bis vor kurzem. Von den 90ern an. Und jetzt auch noch in weiten Teilen von München, aber nicht mehr in allen. Insbesondere aufgrund gemachter schlechter Erfahrungen (die nicht den Eingang in irgendwelche Kriminalstatistiken gefunden haben) fühle ich mich an einigen Orten unwohl, nicht nur Nachts.
Ich bin weiterhin viel allein unterwegs, auch Nachts und generell eher wenig ängstlich. Aber ich bin nicht mehr so unbekümmert wie früher und meide gewisse Strassen und Orte nach Möglichkeit.
Edit: Zu der Zeit vor den 90gern kann ich persönlich nichts sagen, weil ich da noch zu jung war. Nach dem was die ältere Generation meiner Familie mir erzählt hat, mussten sie vorsichtiger sein.
Geändert von dedeli (05-01-2017 um 11:00 Uhr)
Sehe ich absolut genauso.
Ich kann immer nur die Augen rollen wenn ich irgendwelche komischen Kolumnen darüber lese wie man sich früher unbedenklich und sicher in Deutschland bewegen konnte. Und wie man nicht in einem Land leben möchte, in dem man ständig wachsam sein muss.
Aber meist sind solche Artikel auch von jemanden wie Jan Fleischhauer
Dem ich irgendwie unterstelle, dass er noch nie selber ausprobiert hat wie es ist sich als Frau von 1,58m und 45 kg Gewicht durch Deutschland zu bewegen
Ich finde es völlig normal (und gesund) sich immer wachsam zu verhalten. Was null damit zu tun hat Angst zu haben.
Das ist eine Hellfeld-Untersuchung, die Autoren der Studie halten die Zahlen selbst nicht für aussagekräftig.
In den anderen untersuchten Ländern steigen die Zahlen nämlich kontinuierlich und ziemlich dramatisch an (was auch nichts heisst).
Schönes Beispiel für "Wie lügt man mit Statistik".
Wenn jemand Angst hat, beruhigt man ihn kaum mit Statistiken. Gegen ein Gefühl helfen keine (dazu noch anzweifelbaren) Zahlen. Als eine Freundin von mir in den 70igern von zwei Typen ermordet wurde, hätte ich jedem, der mir mit einer Statistik hätte beibringen wollen, dass sie ein Ausnahmefall war, um die Ohren geschlagen.
Nachts sollte keine Frau allein in den Wald gehen, nicht einmal am Tag. Auch wenn die Gefahr statistisch gesehen gering ist, weiß man doch nie, wem man dort begegnen könnte.
Ich sah mal eine Reportage über Serienmörder in Deutschland. Die wurden im Gefängnis besucht und interviewt zu ihren Taten und den Hintergründen und nach welchen Kriterien sie ihre Opfer und Plätze aussuchten. Am Ende des Interviews fragte der Reporter einen der Mörder, was er Frauen raten würde, um nicht Opfer eines Serienmörders zu werden, die Antwort war dann: Mal nicht allein in den Wald gehen.
Oh ja, das ist eine Hellfeld-Untersuchung.
Das Problem der Dunkeziffern im Bereich der Sexualdelikte haben wir an anderer Stelle im Ioff vor nicht allzu langer Zeit ausführlich diskutiert. Ich habe dort übrigens die Ansicht vertreten, dass das Dunkelfeld zu berücksichtigen ist.
Überlege mal, wie die Entwicklung in Bezug auf die historischen Zahlen und das Verhältnis Hell-/Dunkelfeld wohl aussah. Was geschieht, wenn die gesellschaftlichen Vorstellungen in Bezug auf Sexualität sich ändern und offener werden, die Rechte von Frauen und Kindern gestärkt werden, wenn die Diskussion über Themen wie den sexuellen Missbrauch von Kindern als geselsshaftliches Problem enttabuisiert werden, wie dies ab Anfang/Mitte der 80er Jahre der Fall war?
Was bedeutet das mutmaßlich für die Zeit bis ca. 1980 und früher?
Ja, wie lügt man mit Statistik, wenn man bestimmte Thesen in die Welt setzen möchte?
Und wie lügt man, wenn einem die Ergebnisse von Statistiken nicht in den Kram passen?
Die Zahlen für die letzten 15 Jahre sind im Netz leicht ausfindig zu machen.