Tina, laut meinem Bauchgefühl würden viele Menschen deine Wahrnehmung teilen.
Aber betrachte die menschliche Geschichte doch mal ohne räumlichen und zeitlichen Fokus. Diese Geschichte ist eine Geschichte der Gewalt und der Anmaßung. Friedliche Epochen kann man schon fast als Ausnahmen werten. Selbst "vorbildliche" Konstellationen wie die Attische Demokratie oder die Römische Republik zeichneten sich durch Gewalt und Willkür nach innen und erst recht nach außen aus. Und nur weil mal einige Jahrzehnte lang auf eng umgrenztem Gebiet alles friedlicher ablief (bzw. eher: wir selbst weniger von Gewalt betroffen waren als der Rest der Welt), lässt sich daraus doch keine qualitative Totalumkehr hin zu einer ab sofort friedlicheren Menschheit ableiten. Auf derart egozentrischer Grundlage zu argumentieren würde bereits an Hybris grenzen.
Wichtig wäre es, im Unglück auch das Positive zu erkennen: Dass unsere über die Jahre doch schon recht weit ins Träumerische abgewanderte Weltsicht gerade von knallhartem Realismus wieder gerade gerückt wird. Dass Pragmatismus und Schutz unserer eigenen Errungenschaften möglicherweise Priorität vor globalem Moralimperialismus und Weltverbesserung besitzen sollten. Dass es für den Erhalt unserer Werte (für uns selbst) bereits von großem Vorteil wäre, wenn nur einige wenige Staaten dieser Welt ihre kleinlichen Streitigkeiten mal beiseite legen würden.