Blende
Nun sitzen wir hier, in einem hübsch dekorierten Restaurant. Sie und ich. Gedämpftes indirektes Licht, der Laden ist zu dreivierteln gefüllt. Ich mache das sehr gerne. Es gibt was für den Magen und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlich für die holde Maid danach noch was für den Bauch. Das wurde in Gottes AGB so festgelegt.
Der Garcon betritt die Lichtspielszene - im Gepäck hat er natürlich a) zwei Speisekarten und b) einen Amuse Gueule aus der Küche. Hat man heute so. Vegetarisches auf Vollkorncracker. Toll.
Der Monsieur stellt sich vor, zündet die Kerze, welche sich zentral auf dem Tisch befindet an, und überreicht jeweils eine Speisekarte in meine Patschehände und ihre grazilen Finger mit dem bräunlichen Nagellack den ich deutlich besser finde, als den Dumpfgrünen von letzter Woche. Wir öffnen quasi simultan die Speisekarte und lassen L'Amuse Gueule gekonnt links - respektive - rechts liegen. Um es vorwegzunehmen. Es wird Fleisch geben. Rinderlende 300g, Medium, dazu Kräuterbutter und selbsgebackenes Brot. Für mich. Die Entscheidung fällt nach ca. 3 Minuten auf Seite 4.
Mademäusele mit den grazilen Fingern und dem hübschen Nagellack, der sich herrlich an die rotbräunliche Speisekarte anschmiegt ist dabei eben jene zu studieren. Sympatisch wie ein I-Männchen. Alles wird laut vorgelesen untermalt mit "hmmm, Ofenkartoffel hatte ich schon ewig nichtmehr" oder einem - "Kroketten esse ich ja auch ganz gerne" - Nummer 17 hört sich aber auch gut an - sie räuspert sich - Loup de Mer. sagt sie. Lauter als die anderen Kommentare die sie bislang von sich gegeben hat. Es wird viel Luft inhaliert: Wolfsbarsch gebraten in Olivenöl mit Knoblauch gebraten, auf mit Basilikum verfeinerten, geschmorten Tomaten und gebackenen Süßkartoffeln, dazu reichen wir einen kleinen Salat der Saison mit einer Auswahl diverser Dressings. Fragen Sie einfach unserer geschultes Fachpersonal.
Ich bin nun schlauer, sie auch - Mag aber keine Süßkartoffeln und verwirft ihre Romanbestellung ganz schnell wieder.
- Was isst du denn schönes? fragt sie, sichtlich hilflos ob der ganzen verschiedenen Textbausteine in ihrer Speisekarte.
"Die 22 - Rinderlende 300g, Medium, dazu Kräuterbutter und selbsgebackenes Brot. Das soll hier ausgesprochen gut sein" - helfe ich etwas nach. "Wollen wir einen Wein trinken, oder lieber individuell ein Bierchen"? frage ich die bezaubernde Person am anderen Ende des Tisches.
Zu Wein sag ich nicht Nein! erwiedert sie mit einem süßen Lächeln und funkelnden Augen - Rot, darf auch gerne herb sein, so wie dein 3-Tage Bart.
Ich grinse in mich hinein, und offensichtlich auch aus mir hinaus. - sie zwinkert - Ich freu mich auf den Nachtisch.
Sie hat keine Lust auf Fleisch, also hat mein Tipp ihr nun nichts geholfen.
Und nun passiert etwas eigenartiges. Fräullein benötigt nun - selbst nach der Weinbestellung - noch einige Zeit um die Auswahl des Essens zumindest auf etwa 7 Dinge einzugrenzen, die ihr schmecken könnten. Sie blättert und wälzt als säße sie im Examen und müsste Passagen im BGB nachschlagen um damit einen Fall samt Quellenangabe und Unterparagraphen nebst Ausnahmefällen lösen.
Ich esse aus Versehen den Ökokeks samt Schmiere oben drauf.
Blende Ende
Kurzum: Es DAUERT!
Ich werde nie verstehen, wieso es mitunter 20 Minuten dauert, bis man sich aus exakt 32 Gerichten etwas auszuwählen. Wie sind eure Erfahrungen so?
Wer von euch ist fix im Entscheiden, und wer braucht immer etwas länger bis er es mal weiß? Welcher eurer Mitmenschen braucht mitunter so lange, dass der Rest geneigt ist das Tischtuch zu essen?
Auf die Plätze, Fertig - Los!