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  1. #61
    Meine Freunde wissen meine Offenheit zu schätzen. Zumindest die, die noch da sind. Avatar von Nelstar
    Ich bin noch in Wolpertingen, der Zug ist zu schnell gefahren

  2. #62
    running system Avatar von raschni I.O.F.F. Team
    Ort: Deutschland
    interessant übrigens, für die, die rumo gelesen haben:

    Gaunab

    Böser Dämon der Hottentottenvolksstämme in
    Südafrika. Er ist die Personifikation des dunklen Mondes
    und steht stellvertretend für das Prinzip des Schlechten.
    (vgl. Gauna)

  3. #63
    Jetzt musste ich wegen euch meine Amazon-Bestellung noch mal ändern
    Und ich ahne schon dass mir "Die 13 1/2 Leben des Käpt'n Blaubär" gefallen wird und ich auch noch alle anderen Bücher bestellen muss

  4. #64
    reden ist silber, aber wenn der Titel bis heute abend nicht geändert ist, petz ich mich wieder bis nach oben durch
    Avatar von Silverweed
    Ort: 0-120 Hz
    Mich habt ihr auch neugierig gemacht, ihr Arschgeigen
    "Wir halten Silverweed für einen großen Poeten.
    seine Gedanken haben eine große Anhängerschaft!"
    Richard Adams


  5. #65
    running system Avatar von raschni I.O.F.F. Team
    Ort: Deutschland
    nich in dem ton nager

  6. #66
    running system Avatar von raschni I.O.F.F. Team
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    hier kann man übrigens Prof. Dr. Nachtigallers "Lexikon der erklärungsbedürftigen Wunder, Daseinsformen und Phänomene Zamoniens und Umgebung" direkt online einsehen

    http://www.zamonien.de/lexikon/

    auf zamonien.de gibts es auch einen link zu nachtigallers nachtschule, in der man sich anmelden und dort Dr.rer. nacht werden kann

  7. #67
    running system Avatar von raschni I.O.F.F. Team
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    Im übrigen fällt mir gerade ein, dass es sehr wohl immer wieder kleine Brücken zum Blaubären gibt.

    Zoltepp Zaan zb

    ich zitiere aus nachtigallers lexikon

    Im achten Jahrhundert Zamoniens gelang dem legendären Alchimisten Zoltepp Zaan die Herstellung eines Steines, der tatsächlich denken konnte, aber leider nur auf dem Niveau eines Heideschafs. Aus Verärgerung auch über die Tatsache, daß bei der Herstellung des Zamomins mehrere Tonnen Gold vergeudet wurden, soll, der Legende nach, Zoltepp Zaan den Stein in den Treibsand von Unbiskant geschleudert haben.
    In einem Lügenduell des Blaubären spielt Unbiskant ja eine tragende Rolle. Der gleiche Zoltepp Zaan erschafft in Rumo General Tic Tac, den Anführer der kupfernen Kerle.

    Ergänzung:
    Hier kann man natürlich auch spekulieren, ob der unbiskantsche Treibsand telephatisch ist, weil Zaan den Stein hineingeworfen hat.
    Geändert von raschni (07-01-2005 um 15:15 Uhr)

  8. #68
    Muss mir das zu denken geben wenn mich das Lexikon momentan etwas verwirrt
    Vielleicht sollte ich erst mal den Blaubären lesen und danach im Lexikon stöbern?

  9. #69
    running system Avatar von raschni I.O.F.F. Team
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    das Lexikon ist eher zum nachschlagen gedacht

    ohne einen direkten bezug verwirrt es natürlich und macht keinen sinn

  10. #70
    Das beruhigt mich ja doch ein wenig
    Ach, am Montag kommt mein Buch
    Solange widme ich mich Hildegunst von Mythenmetz. Im übrigen habe ich aber gerade festgestellt das mein Nachbar mit den Stollentrollen verwandt sein muss! Der sieht denen unwahrscheinlich ähnlich

  11. #71
    running system Avatar von raschni I.O.F.F. Team
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    lügt er auch ständig?

  12. #72
    So gut kenne ich ihn nicht um das zu beurteilen Ich bin jetzt vom reinen Äußeren ausgegangen und da ist die Ähnlichkeit schon erschreckend!
    Nur rennt mein Nachbar des öfteren mit der Bierpulle in der Hand rum. Machen Stollentrolle das auch?

  13. #73
    reden ist silber, aber wenn der Titel bis heute abend nicht geändert ist, petz ich mich wieder bis nach oben durch
    Avatar von Silverweed
    Ort: 0-120 Hz
    Zitat Zitat von raschni
    nich in dem ton nager
    Du machst andern Leuten doch gerne die Nase lang

    Würd´ mich ja nich wundern, wenn die Bücher in Wahrheit totale Scheisse sind

    Ich hab´ die Bestellung sogar noch mal stornieren müssen, weil ich den IOFF-fördernden Link vergessen hab

  14. #74
    running system Avatar von raschni I.O.F.F. Team
    Ort: Deutschland
    Hier sind Leseproben von Rumo und der Stadt der träumenden Bücher

    Quelle beider Texte ist www.piper.de

    Aus: Walter Moers, Rumo und die Wunder im Dunkeln

    Rumo konnte gut kämpfen.
    Aber zu dem Zeitpunkt, an dem seine Geschichte beginnt, hatte er davon noch keine Ahnung, und er wußte auch nicht, daß er ein Wolpertinger war und einmal der größte Held von Zamonien werden sollte. Er hatte weder einen Namen noch die kleinste Erinnerung an seine Eltern. Er wußte nicht, woher er kam und wohin er gehen würde, sondern nur, daß der Bauernhof, auf dem er aufwuchs, sein Königreich war.
    Jeder Morgen begann für Rumo damit, daß sich die ganze Bauernfamilie, eine siebenköpfige Schar von Fhernhachenzwergen, um sein Körbchen versammelte, sich an dem schlafenden Welpen entzückte und ihn mit einem süßen Fhernhachenlied weckte. Anschließend überschütteten sie ihn mit Zärtlichkeiten. Sie kraulten ihn hinter den Ohren, wiegten ihn im Arm, streichelten sein Fell und knuddelten die Wülste in seinem Nacken, was er mit wohligem Grunzen quittierte. Wohin Rumo auf seinen vier unbeholfenen Beinchen auch torkelte, sofortwar er das Zentrum der Aufmerksamkeit. Man bejubelte jede seiner Aktivitäten, und man tätschelte und kraulte ihn sogar dafür, daß er über seine eigenen Pfoten stolperte. Für Rumo wurde die frischeste Milch zur Seite gestellt, die knusprigsten Würstchen in der Holzkohle gegrillt, der kühlste Platz im Schatten und der wärmste am Ofen reserviert. Wenn er sein Mittagsschläfchen hielt, ging alles auf Zehenspitzen, und wenn er gähnend daraus erwachte, stärkte man ihn mit warmem Apfelkuchen, Kakao und süßer Sahne. Immer fand sich jemand, der bereit war, mit Rumo zu spielen, zu balgen oder sich von ihm mit seiner zahnlosen Schnauze beißen zu lassen. Abends dann, wenn Rumo sich müde getobt hatte, striegelten sie sein Fell mit weichen Bürsten und sangen ihn in den Schlaf. Ja, Rumo war der heimliche Herrscher des Bauernhofes.
    Es gab viele andere Tiere auf dem Hof, Milchkühe, Ackergäule und Sumpfschweine, die alle größer, stärker oder nützlicher waren als Rumo, von denen aber keines eine vergleichbare Beliebtheit genoß. Die einzige Kreatur, die Rumos Alleinherrschaft nicht respektierte, war eine schwarze Gans, die ihn mit ihrem langen Hals um die doppelte Körperlänge überragte und immer gemein zischte, wenn er in ihre Nähe kam. Also ging er ihr soweit wie möglich aus dem Weg.

    Eines Morgens wurde Rumo in seinem Körbchen nicht vom süßen Gesang der Fhernhachen geweckt, sondern von einem stechenden Schmerz. Er spürte etwas Fremdartiges in seinem Maul. Das Innere seiner Schnauze war für ihn bisher ein schleimiges Feuchtgebiet, in dem die Zunge nur über runde, weiche und glatte Formen glitt – aber jetzt war da etwas Neues, etwas Beunruhigendes. Im oberen Gaumenbereich, nicht weit hinter der Oberlippe, spannte sich das Zahnfleisch: Ein spitzes, höckerförmiges Ding schien darunter zu wachsen und diesen pulsierenden Schmerz zu verursachen, der Rumo überhaupt nicht behagte. Er entschied, seine Unpäßlichkeit einer breiteren Öffentlichkeit mitzuteilen, um entsprechend bedauert und mit Zärtlichkeiten überschüttet zu werden.
    Aber es war niemand in der Nähe. Er mußte sich schon zur Scheune bemühen, wo die Fhernhachen zu dieser Zeit meist damit beschäftigt waren, aus für Rumo unerfindlichen Gründen, mit Stroh um sich zu werfen. Der Weg zur Scheune war, das wußte er aus Erfahrung, mit Dornen gepflastert: Quer durch die Küche, über die Veranda mit den gefährlichen Holzsplittern, die Treppe hinab, über den matschigen Hof an der blöden Gans vorbei, um die Tränke herum, wo immer Sumpfschweinkot lag – das war eine anstrengende Strecke, die sich Rumo gewöhnlich von einem der Fhernhachenkinder tragen ließ. Wenn er sich doch bloß nicht auf allen vieren bewegen müßte und dabei immer über seine Beine stolpern würde! Wie schön wäre es, wenn er, wie die Fhernhachen, auf zwei Beinen laufen könnte.
    Rumo kletterte aus dem Körbchen, stellte sich auf die Hinterbeine und richtete ächzend seinen Oberkörper auf. Er schwankte einmal nach rechts, einmal nach links und stand dann aufrecht wie ein Zaunpfahl. He! Das war leicht!
    Er marschierte vorwärts wie ein ausgewachsener Fhernhache. Stolz erfüllte ihn, eine brandneue und beflügelnde Empfindung. Ohne auch nur ein einziges Mal zu straucheln, stapfte er durch die ganze Küche, stieß die angelehnte Tür auf und schaffte es sogar, die vier Stufen der Verandatreppe hinabzusteigen. Breitbeinig stakste er über den Hof. Die Morgensonne wärmte sein Fell, die Luft war kühl und erfrischend. Rumo atmete tief durch, stemmte die Vorderpfoten in die Hüfte und passierte die schwarze Gans, der er plötzlich an Körpergröße ebenbürtig war. Sie wich zurück, sah ihn verdutzt an und wollte ihm etwas Gemeines hinterherzischeln, aber vor Schreck fehlte ihr die Spucke. Rumo würdigte sie keines Blickes, er schritt einfach unbeirrt voran. Er war so groß und zufrieden wie noch nie in seinem Leben.
    Rumo blieb stehen, um das Sonnenlicht auf seinem Fell zu genießen. Er blinzelte ins blendende Licht und machte die Augen zu, und da war sie wieder, die Welt, die sich ihm immer offenbarte, wenn er die Augen schloß. Es war die Welt der Gerüche, die vor seinem inneren Auge in Hunderten von Farben waberte und wehte: dünne Bahnen aus rotem, gelbem, grünem und blauem Licht, die wirr durcheinanderflatterten. Die grüne Bahn gehörte dem üppigen Rosmarinstrauch, der gleich neben ihm wucherte, die gelbe dem köstlichen Zitronenkuchen, der in der Küche gebacken wurde, die rote dem Rauch des schwelenden Komposthaufens. Blau war die frische Morgenbrise, die den Geruch des nahen Meeres herantrug, und da waren noch viele, viele andere Farben, auch häßliche, schmutzige, wie die braune Fahne des Kotes, in dem sich das Sumpfschwein wälzte. Aber was Rumo wirklich erstaunte, war eine Farbe, die er vorher noch nie gerochen hatte: Hoch oben über all diesen ländlichen Gerüchen wehte ein silbernes Band. Es war dünn und zart, ein Faden eigentlich nur, aber er sah es deutlich mit seinem inneren Auge.
    Eine seltsame Unruhe ergriff Rumo, eine unbestimmte Sehnsucht und der bislang nie verspürte Wunsch, alles hinter sich zu lassen und alleine in die Ferne zu ziehen. Er mußte tief Luft holen, und ein Schauer überlief ihn, so mächtig und schön war das Gefühl, das sich in ihm erhob. Tief in seinem kleinen kindlichen Herzen spürte Rumo: Wenn er diesen Faden zur Richtschnur seines Weges machen und der Witterung bis zu ihrem Ursprung folgen würde, dann erwartete ihn dort das Glück.
    Aber zunächst mußte er in die Scheune, um sich zu beschweren. Er öffnete die Augen wieder und marschierte weiter. Als er vor dem großen roten Vorhang stand, der das Sonnenlicht davon abhielt, das Stroh in der Scheune auszutrocknen oder gar in Brand zu setzen, hielt er inne. Ein neues, merkwürdiges Gefühl hatte ihn veranlaßt, seinen Triumphmarsch zu unterbrechen: Seine Knie waren weich geworden, und er mußte gegen den Impuls ankämpfen, sich wieder auf alle viere zu begeben. Das Blut schoß ihm in den Kopf, seine Vorderpfoten zitterten, und der Schweiß trat ihm auf die Stirn.
    Rumo wußte nicht, daß der Vorhang einen neuen Abschnitt in seinem Leben markierte, daß er dabei war, sich von seinem tierischen Erbe zu lösen. Er wußte auch nicht, daß man ihn in Zukunft mit ganz anderen Augen betrachten würde, wenn er jetzt auf zwei Beinen durch den Vorhang trat, weil ein aufrecht gehender Wolpertinger mit wesentlich mehr Respekt behandelt wird als ein wilder. Aber Rumo spürte, daß sein Auftritt in der Scheune von Bedeutung war. Sein kleines Herz klopfte wild. Er war verwirrt und eingeschüchtert von der eigenen Courage: Rumo hatte Lampenfieber.
    Er machte das, was auch jeder Schauspieler tut, wenn ihn diese Form von Nervosität heimsucht: Er spionierte durch den Vorhang, um zu sehen, was das Publikum treibt. Rumo steckte vorsichtig seinen Kopf durch den Spalt und sah ins Innere der Scheune.
    Es war dunkel darin, und seine vom Sonnenschein geblendeten Augen benötigten einen Moment, um sich auf die neuen Verhältnisse einzustellen. Zuerst erkannte er nur klobige Schatten von Holzgebälk und Strohballen, dazwischen breite Lichtstrahlen, die schräg durch die Scheunenfenster einfielen. Er blinzelte noch einmal und erkannte dann, daß die Vorgänge in der Scheune in keiner Weise seinen Erwartungen entsprachen: Die Fhernhachen waren nicht damit beschäftigt, Stroh in Säcke zu stopfen. Vielmehr waren große, gehörnte, schwarzfellige und einäugige Gestalten damit beschäftigt, die Fhernhachen in Säcke zu stopfen.
    Das bekümmerte Rumo aber zunächst wenig. Er war es gewohnt, daß sich in der Welt der Großen täglich Unerklärliches ereignete. Erst vor ein paar Tagen hatte man ein Kamedar auf den Hof gebracht – was für ein Aufstand! Alle waren durcheinandergelaufen wie die Hennen beim Gewitter, und das Kamedar blökte stundenlang, als hätte es den Verstand verloren. Mittlerweile stand es Heu mampfend und angepflockt an einen Freßkoben und war zur langweiligen Alltäglichkeit geworden. Auch die Riesen jagten Rumo keine Angst ein. Auf einem fhernhachischen Bauernhof gab es Lebewesen, die sich, was Häßlichkeit anging, durchaus mit ihnen messen konnten: Der Anblick eines Ornischen Sumpfschweins zum Beispiel war nur zu ertragen, wenn man wußte, wie vorzüglich es schmeckte, wenn man es von seiner Warzenhaut befreit und am Spieß gebraten hatte. Es gab etwas in den Gesichtern der Gehörnten, was sie von der Häßlichkeit von Sumpfschweinen unterschied: die Bosheit, die in ihren Augen funkelte. Dieses Funkeln konnte Rumo nicht deuten, denn dazu fehlte ihm die Erfahrung. Er wußte nicht einmal, was Bosheit überhaupt war. Also trat er in die Scheune. Das Lampenfieber fiel von ihm ab und wich einer eiskalten Ruhe. Rumo wurde zum ersten Mal Zeuge seiner Fähigkeit, in einer angespannten Situation eine beinahe unnatürliche Gelassenheit zu bewahren. Er ging einen Schritt nach vorn und räusperte sich in der Art der Wolpertinger: Er schnaufte zweimal wichtigtuerisch durch die feuchte Nase.
    Rumo mußte feststellen, daß sich dennoch niemand um ihn kümmerte. Die Riesen in der Scheune gingen unbeeindruckt ihrer Beschäftigung nach, Fhernhachen in Säcke zu stopfen, und die Fhernhachen stöhnten und wimmerten dazu. Rumo war beleidigt. Man ignorierte ihn – ihn, der auf zwei Beinen gehen konnte. Ihn, der den Schmerz in der Schnauze trug.
    Und plötzlich wußte er, was zu tun war: Rumo würde sprechen. Er hatte auf Anhieb laufen gelernt, also würde ihm auch das gelingen. Zwei Sätze wollte er sagen, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken:
    Erstens: »Ich kann gehen!«
    Zweitens: »Meine Schnauze tut weh!«
    Dann würden sie ihm schon Beachtung schenken und ihn mit Zuwendung überschütten. Rumo machte den Mund auf, holte tief Luft und sprach zwei Sätze:
    »Graa gra raha!«
    »Raaha ragra ha gra!«
    Das war nicht genau das, was ihm vorgeschwebt hatte, aber es kam aus seinem Mund, klang gut und zeigte Wirkung. Die Schwarzfelligen hörten auf, Fhernhachen in Säcke zu stopfen. Die Fhernhachen hörten auf zu jammern. Alle Augen richteten sich auf Rumo.
    Seine Beine wurden plötzlich zittrig und sein Hintern bleischwer. Einen Augenblick rang er noch um das Gleichgewicht, dann kippte er nach hinten und setzte sich in den Staub. Rumo hatte eine neue Erfahrung gesammelt: den ersten großen Fehler seines Lebens gemacht zu haben. Einer der Zyklopen stapfte auf ihn zu, packte ihn bei den Ohren und steckte ihn in einen Sack.

  15. #75
    running system Avatar von raschni I.O.F.F. Team
    Ort: Deutschland
    .
    Aus: Walter Moers, Die Stadt der träumenden Bücher

    Wenn man sich an den überwältigenden Geruch von vermoderndem Papier gewöhnt hatte, der aus den Eingeweiden von Buchhaim emporstieg, wenn die ersten allergischen Niesanfälle überstanden waren, die der überall herumwirbelnde Bücherstaub verursachte, und wenn die Augen langsam aufhörten, vom beißenden Qualm der tausend Schlote zu tränen – dann konnte man endlich anfangen, die zahllosen Wunder der Stadt zu bestaunen.
    Buchhaim verfügte über fünftausend amtlich registrierte Antiquariate und schätzungsweise tausend halblegale Bücherstuben, in denen neben Büchern alkoholische Getränke, Tabak und berauschende Kräuter und Essenzen angeboten wurden, deren Genuß angeblich die Lesefreude und die Konzentration steigerten. Es gab eine kaum meßbare Zahl von fliegenden Händlern, die auf rollenden Regalen, in Bollerwagen, Umhängetaschen und Schubkarren Druckwerk in jeder denkbaren Form feilboten. In Buchhaim existierten über sechshundert Verlage, fünfundfünfzig Druckereien, ein Dutzend Papiermühlen und eine ständig wachsende Anzahl von Werkstätten, die sich mit der Herstellung von bleiernen Druckbuchstaben und Druckerschwärze beschäftigten. Da waren Läden, die Tausende von verschiedenen Lesezeichen und Exlibris anboten, Steinmetze, die sich auf Buchstützen spezialisiert hatten, Schreinereien und Möbelgeschäfte voller Lesepulte und Bücherregale. Es gab Optiker, die Lesebrillen und Handlupen fertigten, und an jeder Ecke war ein Kaffeeausschank, meist mit offenem Kamin und Dichterlesungen, rund um die Uhr.
    Ich sah unzählige Stationen der Buchhaimer Feuerwehr, alle auf Hochglanz poliert, mit gewaltigen Alarmglocken über den Portalen und angespannten Pferdefuhrwerken, mit kupfernen Wassertanks auf den Anhängern. Schon fünfmal hatten verheerende Brände große Teile der Stadt und der Bücher vernichtet – Buchhaim galt als die feuergefährlichste Stadt des Kontinents. Aufgrund der heftigen Winde, die beständig durch die Straßen fegten, war es in Buchhaim je nach Jahreszeit entweder kühl, kalt oder eisig, aber niemals warm, weshalb man sich gerne drinnen aufhielt, tüchtig heizte – und natürlich viel las. Die ständig brennenden Öfen, der Funkenflug in unmittelbarer Nachbarschaft von uralten, leicht entflammbaren Büchern – das schuf einen wahrlich brenzligen Dauerzustand, in dem jederzeit eine neue Feuersbrunst ausbrechen konnte.
    Ich mußte dem Impuls widerstehen, gleich in den erstbesten Buchladen zu stürmen und in den Folianten zu wühlen, denn dann wäre ich vor dem Abend nicht wieder herausgekommen – und ich mußte mir zunächst eine Unterkunft besorgen. So strich ich einstweilen mit glänzenden Augen an den Schaufenstern vorbei und versuchte mir diejenigen Läden zu merken, die über besonders verheißungsvolle Auslagen verfügten.
    Und da waren sie, die Träumenden Bücher. So nannte man in dieser Stadt die antiquarischen Bestände, weil sie aus der Sicht der Händler nicht mehr richtig lebendig und noch nicht richtig tot waren, sondern sich in einem Zwischenzustand befanden, der dem Schlafen ähnelte. Ihre eigentliche Existenz hatten sie hinter sich, den Zerfall vor sich, und so dämmerten sie vor sich hin, zu Millionen und Abermillionen in all den Regalen und Kisten, in den Kellern und Katakomben von Buchhaim. Nur wenn ein Buch von suchender Hand ergriffen und aufgeschlagen, wenn es erworben und davongetragen wurde, dann konnte es zu neuem Leben erwachen. Und das war es, wovon all diese Bücher träumten.
    Da: Der Tiger in der Wollsocke von Caliban Sycorax, Erstausgabe! Da: Die rasierte Zunge von Adrastea Sinopa – mit den gerühmten Illustrationen von Elihu Wippel! Da: Die Mäusehotels von Wellfleisch, der legendäre humoristische Reiseführer von Yodler van Hinnen, in tadellosem Zustand! Ein Dorf namens Schneeflock von Palisaden-Honko, die vielgepriesene Autobiographie eines dichtenden Schwerverbrechers, in den Verliesen von Eisenstadt geschrieben – mit einer Signatur aus Blut! Das Leben ist schrecklicher als der Tod – die hoffnungslosen Aphorismen und Maximen von PHT Farcevol, in Fledermauspelz gebunden! Die Ameisentrommel von Sansemina van Geisterbahner, in der legendären Spiegelschriftausgabe! Der gläserne Gast von Zodiak Glockenschrey! Hampo Henks experimenteller Roman Der Hund, der nur im Gestern bellte – lauter Bücher, von deren Lektüre ich träumte, seit Danzelot mir davon vorgeschwärmt hatte. An jeder Fensterscheibe drückte ich meine Nüstern platt, wie ein Betrunkener tastete ich mich an ihnen entlang, und ich kam nur im Schneckentempo vorwärts. Bis ich mich schließlich zusammenriß und beschloß, keine einzelnen Titel mehr wahrzunehmen und endlich Buchhaim als Ganzes auf mich wirken zu lassen. Ich hatte den Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen, beziehungsweise die Stadt vor lauter Büchern. Nach dem behäbigen, traumverlorenen Dichterleben auf der Lindwurmfeste, das höchstens ab und zu durch eine vorübergehende Belagerung gesteigert wurde, bescherte mir das Treiben in den Straßen von Buchhaim einen Hagelschauer von Eindrücken. Bilder, Farben, Szenen, Geräusche und Gerüche – alles war neu und aufregend. Zamonier aller Daseinsformen – und jeder hatte ein fremdes Gesicht. Auf der Feste gab es nur die immergleiche Parade von vertrauten Visagen, Verwandte, Freunde, Nachbarn, Bekannte – hier war alles unbekannt und kurios.
    Tatsächlich begegnete ich auch dem ein oder anderen Bewohner der Lindwurmfeste. Dann blieben wir kurz stehen, begrüßten uns höflich, tauschten ein paar Floskeln aus, wünschten uns gegenseitig einen angenehmen Aufenthalt und verabschiedeten uns wieder. Derart reservierten Umgang pflegen wir alle auf Reisen, was unter anderem damit zu tun hat, daß man nicht in die Fremde gezogen ist, um seinesgleichen zu begegnen.
    Nun aber weiter, weiter, das Unbekannte erforschen! Überall standen ausgemergelte Dichter und deklamierten lauthals aus ihren Werken, in der Hoffnung, daß irgendein Verleger oder steinreicher Mäzen vorbeischlenderte und auf sie aufmerksam wurde. Ich beobachtete, daß einige auffällig wohlgenährte Gestalten um die Straßenpoeten herumschlichen, dicke Wildschweinlinge, die aufmerksam zuhörten und sich ab und zu Notizen machten. Das waren allerdings alles andere als freigebige Gönner, sondern Literaturagenten, die hoffnungsvolle Autoren in Knebelverträge zwängten, um sie dann gnadenlos als Geisterautoren auszupressen, bis ihnen auch die letzte originelle Idee abgemolken war – davon hatte mir Danzelot erzählt.
    Nattifftoffische Beamte patrouillierten wachsam in kleinen Gruppen, auf der Suche nach illegalen Verkäufern, die über keine Nattifftoffenlizenz verfügten – wo sie auftauchten, wurden hastig Bücher in Säcke gestopft und Buchkarren in Bewegung gesetzt.
    Die Lebenden Zeitungen – flinkfüßige Zwerge in ihren traditionellen Papierumhängen aus Zeitungsfahnen – schrien den neuesten Klatsch und Tratsch aus der Welt der Literatur durch die Gassen und ließen Passanten für geringes Entgelt die Einzelheiten auf ihren Umhängen ablesen:

    Schon gehört? Muliat von Kokken hat seine Erzählung »Die Zitronenpauke« meistbietend an den Melissenverlag verhökert!

    Kaum zu glauben: Das Lektorat von Ogden Ogdens Roman »Ein Pelikan im Blätterteig« verzögert sich um ein weiteres halbes Jahr!

    Unerhört: Das letzte Kapitel von »Die Wahrheitstrinker« hat Fantotas Pemm aus »Holz und Wahn« von Uggli Prudel abgekupfert!

    Bücherjäger hasteten von Antiquariat zu Antiquariat, um ihre Beute zu versilbern oder neue Aufträge zu erhalten. Bücherjäger! Man erkannte sie an den Grubenlampen und Quallenfackeln, an der widerstandsfähigen und martialischen Kleidung aus Leder, Rüstungsteilen und Kettenhemden, an den Werkzeugen und Waffen, die sie bei sich trugen: Beile und Säbel, Spitzhacken und Lupen, Seile, Bindfäden und Wasserflaschen. Einer stieg direkt zu meinen Füßen aus der Kanalisation, ein beeindruckendes Exemplar mit Eisenhelm und Drahtmaske. Das waren Schutzmaßnahmen nicht nur gegen den Staub oder die gefährlichen Insekten der geheimnisvollen Welt unterhalb Buchhaims. Danzelot hatte mir erzählt, daß sich die Bücherjäger unter der Erde nicht nur gegenseitig die Beute abjagten, sondern sich regelrecht bekriegten und sogar töteten. Wenn man diese rundum gepanzerte Kreatur keuchend und grunzend aus der Erde kommen sah, mochte man das gerne glauben.
    Aber die meisten Passanten waren einfach nur Touristen, welche die Neugier in die Stadt der Träumenden Bücher getrieben hatte. Viele von ihnen wurden in Herden durch die Gassen getrieben, von Führern mit blechernen Flüstertüten, die ihrer Gruppe zum Beispiel zuschrieen, in welchem Haus Urian Nussek Das Tal der Leuchttürme an welchen Verleger verschachert hatte. Schnatternd und die Hälse verrenkend wie aufgeregte Gänse, folgten ihnen die Besucher und staunten über jede noch so banale Kleinigkeit.
    Immer wieder verstellte mir irgendein blutschinkischer Grobian den Weg und drückte mir einen dieser Zettel in die Hand, auf denen stand, welcher Dichter sich in welcher Buchhandlung heute abend zur Holzzeit die Ehre geben und aus seinem Werk vorlesen würde. Es dauerte eine Weile, bis ich gelernt hatte, diese Form von Wegelagerei einfach zu ignorieren.
    Überall wankten kleinwüchsige Daseinsformen herum, die als Bücher auf Beinen verkleidet waren und so zum Beispiel für Die Meerjungfrau in der Teetasse oder Das Käferbegräbnis Reklame liefen. Gelegentlich rempelten sie gegeneinander, weil in den Buchattrappen die Sicht beschränkt war. Dann kippten sie meistens geräuschvoll um und versuchten anschließend unter allgemeinem Gelächter, wieder auf die Beine zu kommen.
    Staunend bewunderte ich die Fähigkeiten eines Straßenkünstlers, der mit zwölf dickleibigen Büchern jonglierte. Wer jemals ein Buch in die Luft geworfen und wieder aufzufangen versucht hat, der weiß, wie schwierig das ist – ich sollte allerdings hinzufügen, daß der Jongleur über vier Arme verfügte. Andere Straßenkünstler hatten sich als populäre Figuren der zamonischen Literaturgeschichte verkleidet und gaben auswendig gelernte Stellen aus den entsprechenden Werken zum besten, wenn man ihnen etwas Geld hinwarf. An einer einzigen Straßenkreuzung sah ich Hario Schunglisch aus Die Gewürfelten, Oku Okra aus Wenn die Steine weinen und die schwindsuchtgeplagte Protagonistin Zanilla Hustekuchen aus Gofid Letterkerls Meisterwerk Zanilla und der Murch.
    »Ich bin nur eine Berghutze«, rief die Zanilla-Darstellerin gerade voller Dramatik, »und du, mein Geliebter, du bist ein Murch. Wir werden niemals zueinander?nden. Laß uns gemeinsam von der Dämonenklamm springen!«
    Diese wenigen Sätze genügten bereits, um mir wieder die Tränen in die Augen zu treiben. Gofid Letterkerl war ein Genie! Nur mit Mühe riß ich mich von dem Schauspiel los.
    Weiter! Weiter! Auf Plakaten in den Schaufenstern, die ich aufmerksam studierte, wurde für Deklamationsabende, literarische Salons, Buchpremieren und Reimwettbewerbe geworben. Fliegende Händler rissen mich immer wieder davon los, versuchten, mir ihre abgegriffenen Schwarten aufzudrängen und verfolgten mich ganze Straßenzüge lang, lauthals aus ihrem Ramsch deklamierend.
    Auf der Flucht vor einem von diesen zudringlichen Kerlen kam ich an einem schwarzgestrichenen Haus vorbei, über dessen Tür eine Holztafel annoncierte, daß es das Kabinett der Gefährlichen Bücher sei. Ein Hundling im roten Samtumhang schlich davor auf und ab und raunte den Passanten mit furchterregend gebleckten Zähnen zu: »Betreten des Kabinetts der Gefährlichen Bücher auf eigene Gefahr! Eintritt für Kinder und Greise verboten! Rechnen Sie mit dem Schlimmsten! Hier gibt es Bücher, die beißen können! Bücher, die Ihnen nach dem Leben trachten! Giftige, würgende und fliegende Bücher! Alle echt! Das ist keine Geisterbahn, das ist die Wirklichkeit, meine Herrschaften! Machen Sie Ihr Testament und küssen Sie Ihre Liebsten, bevor Sie das Kabinett der Gefährlichen Bücher betreten!«
    Aus einem Nebenausgang wurden in regelmäßigen Abständen lakenbedeckte Körper auf Bahren herausgetragen, und aus den zugenagelten Fenstern des Hauses drangen gedämpfte Schreie – trotzdem strömten die Zuschauer in Scharen in das Kabinett.
    »Das ist nur eine Touristenfalle«, sprach mich ein buntscheckig gekleideter Halbzwerg an. »Niemand wäre so bescheuert, echte Gefährliche Bücher der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Wie wär’s mit etwas wirklich Authentischem? Interessiert an einem Orm-Rausch?«
    »Was?« fragte ich irritiert zurück.
    Der Zwerg öffnete sein Gewand und präsentierte mir ein Dutzend kleiner Fläschchen, die in der Innenseite steckten. Er sah sich nervös um und schloß den Umhang wieder. »Das ist das Blut von echten Dichtern, in denen das Orm kreist«, flüsterte er verschwörerisch. »Ein Tropfen davon in ein Glas Wein, und du halluzinierst ganze Romane! Nur fünf Pyras das Fläschchen!«
    »Nein, danke!« wehrte ich ab. »Ich bin selber Dichter!«
    »Ihr Lindwurmfeste-Snobs haltet euch alle für was Besonderes!« rief mir der Zwerg nach, als ich mich hastig entfernte. »Ihr dichtet auch nur mit Tinte! Und das Orm, das erlangen auch von euch nur die wenigsten!«
    Herrje, ich war offensichtlich in eine der schäbigeren Ecken Buchhaims geraten. Erst jetzt bemerkte ich, daß hier auffällig viele Bücherjäger herumlungerten und mit zwielichtigen Gestalten dunkle Geschäfte tätigten. Juwelenbesetzte Bücher wurden aus Ledersäcken geholt und wechselten gegen dicke Beutel voller Pyras den Besitzer. Das mußte so etwas wie ein Schwarzer Markt sein, auf den ich da geraten war.
    »An Büchern von der Goldenen Liste interessiert?« fragte mich ein von Kopf bis Fuß in dunkles Leder gekleideter Bücherjäger. Er trug das Mosaik eines Totenschädels als Maske, einen Gürtel mit einem Dutzend Messern daran und zwei Äxte in den Stiefeln. »Komm mit in die dunkle Gasse da hinten, dann zeig ich dir Bücher, von denen du bisher nicht mal geträumt hast.«
    »Vielen Dank!« rief ich, während ich eilig das Weite suchte. »Kein Interesse!«
    Der Bücherjäger lachte dämonisch. »Ich hab auch gar keine Bücher!« grölte er mir hinterher. »Ich wollte dir nur den Hals umdrehen und deine Hände abschneiden, um sie in Essig einzulegen und zu verkaufen! Reliquien von der Lindwurmfeste sind mächtig begehrt in Buchhaim.«
    Ich beeilte mich, dieses obskure Viertel zu verlassen. Ein paar Gassen weiter war wieder alles normal, nur harmlose Touristen und Straßenkünstler, die populäre Schauspiele mit Marionetten inszenierten. Ich atmete auf. Vermutlich hatte der Bücherjäger nur einen finsteren Scherz gemacht, aber der Gedanke, daß die mumifizierten Körperteile von Lindwürmern in Buchhaim einen gewissen Marktwert besaßen, ließ mich schaudern.
    Ich tauchte wieder ein in den Strom der Passanten. Eine ganze Schulklasse von niedlichen Fhernhachenzwergen trippelte schüchtern und händchenhaltend vor mir her. Mit großen leuchtenden Augen hielten sie Ausschau nach ihren Lieblingslyrikern.
    »Da! Da! Hosian Rapido!« kreischten sie plötzlich und zeigten aufgeregt mit ihren kleinen Fingern auf irgend jemand, oder »Da! Da! Keilhard der Empfindsame trinkt einen Kaffee!«. Und dann wurde regelmäßig mindestens einer in ihrer Gruppe ohnmächtig.

    Ich wanderte und wanderte, und ich muß gestehen, daß all die Wunder, die ich dabei erblickte, mein Erinnerungsvermögen überfordern. Es war, als ginge man in einem verschwenderisch illustrierten Buch spazieren, in dem ein künstlerischer Einfall den nächsten übertrumpfte. Wandelnde Buchstaben, die Reklame für moderne Druckerpressen liefen. Hauswände, auf die bekannte Romanfiguren gemalt waren. Denkmäler für Dichter. Antiquariate, aus denen die Schwarten förmlich auf die Straße quollen. Daseinsformen aller Art, die in den Bücherkisten wühlten und sich darum rissen. Riesige Midgard-Schlangen, die gewaltige Karren voll antiquarischem Ramsch zogen, mit grobschlächtigen Rübenzählern darin, die den Schund fuderweise in die Menge schleuderten. In dieser Stadt mußte man sich andauernd ducken, um nicht von einem Buch am Kopf getroffen zu werden.
    Ich fing in all dem Trubel nur Satzfetzen auf, aber jedes Gespräch schien sich in irgendeiner Form um Bücher zu drehen:
    »… mit Schrecksenliteratur kannst du mich in den Werwolfwald jagen …«
    »… liest heute abend zur Holzzeit in der Buchhandlung ›Goldschnitt‹ …«
    »… Erstausgabe von Aurora Janus’ zweitem Roman gekauft, mit dem doppelten Druckfehler im Vorwort, für nur drei Pyras …«
    »… wenn einer das Orm draufhat, dann ja wohl Dölerich Hirnfidler …«
    »… typographisch eine Schande für die ganze Druckbranche …«
    »… einen Fußnotenroman müßte man schreiben, nix als Fußnoten zu Fußnoten, das wär’s doch …«
    Endlich blieb ich an einer Kreuzung stehen, drehte mich einmal um die eigene Achse und zählte dabei die Buchläden, die sich in den abgehenden Straßen befanden: es waren einundsechzig. Das Herz schlug mir bis zum Hals. Hier schienen Leben und Literatur identisch zu sein, alles kreiste um das gedruckte Wort. Das war meine Stadt. Das war meine neue Heimat.


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