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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Jonathan Franzen - "Freiheit"


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sinead_morrigan
18-09-2010, 15:50
Hat es jemand schon gelesen? Erste Eindrücke und Meinungen?

spector
18-09-2010, 16:12
Hat es jemand schon gelesen? Erste Eindrücke und Meinungen?

Ich halte Franzen für einen der virtuosesten Schreiber der Gegenwart. Kenne nur die "Korrekturen". Da ist seine mir ungekannte Verschränkung von Innen- und Außenwelt der Figuren massiv haften geblieben. Und als er bei der Blechstimme Thea Dorn zu Gast war, erlebte ich einen Franzen, den ich mir so nicht vorgestellt hätte. Locker, ironisch und vor alllem plauderfreudig, was seine Nerd-Vergangenheit betrifft. Er schlägt seine Lebensgeschichte vor der quäkigen Krampfhenne souverän auf und beschreibt mit jedem Satz zielgenau seine Gefühle damals, weniger damals und heute. Ich glaube, das macht ihn aus:
Einen hypersensiblen Feinsinn für Emotionen und die genial literarische Verarbeitung derselben. Plus einen extrem lakonischen Humor. Und den Mut, seinen Verleger mit relativ statischen Geschichten zu überraschen, deren Dynamik turbulent inwärtig ist und durch skurille Nebenstränge bereichert wird.

Mieze Schindler
09-11-2010, 22:48
Hat es jemand schon gelesen? Erste Eindrücke und Meinungen?

Ich schieb mal nach oben. Würde mich nämlich auch interessieren, da ich bisher alles von ihm gelesen habe - aber noch überlege, ob ich auf das Taschenbuch warten soll oder ins Hardcover investiere...

Schlossi
11-11-2010, 11:11
Denis Scheck hats gelesen (http://mediathek.daserste.de/daserste/servlet/content/5728826?pageId=&moduleId=339944&categoryId=&goto=&show=).

Mieze Schindler
18-11-2010, 18:08
Denis Scheck hats gelesen (http://mediathek.daserste.de/daserste/servlet/content/5728826?pageId=&moduleId=339944&categoryId=&goto=&show=).

Alles klar! Dann besuche ich morgen mal meinen Buchhändler. Danke, Schlossi

Weiss
03-01-2011, 14:56
Saluti Foris

Finde es sehr interssant. Ich habe mir den Namen des Buches vorgemerkt und werde es mal im Bücherladen in die Hände nehmen und gleich mal reinschnuppern! Danke für den Imput

Liebe Grüsse

Bijou
03-01-2011, 15:00
Noch jemand Die Korrekturen gelesen? Soll ja besser sein als das neue :helga:

Name:K3
03-01-2011, 15:18
Noch jemand Die Korrekturen gelesen? Soll ja besser sein als das neue :helga:

beide bücher von franzen stehen auf meiner liste.
hast du die gelesen?

Bijou
03-01-2011, 16:29
beide bücher von franzen stehen auf meiner liste.
hast du die gelesen?

Nein, beide nicht. Aber Korrekturen 'verfolgt' mich in der letzten Zeit (bin auf das Buch allerdings erst über eine Kritik von Freiheit aufmerksam geworden). Ich lese eigentlich eher banalen Kram und befürchte, obwohl mich die Kritiken total ansprechen, dass mir das zu anstrengend/kompliziert ist :helga:

Aber da ich jetzt selbst hier im ioff von Korrekturen 'verfolgt' wurde (ich habe zum 2. Mal seit ich hier angemeldet bin auf "neue Beiträge" und ausgerechnet hier gelandet), ist es vielleicht ein Zeichen :D

Eliet
09-01-2011, 00:29
Ich habe beide gelesen. Ich fand beide auf unterschiedliche Weise sehr lesenswert.
"Die Korrekturen" ist inhaltlich kompakter. Ich habe gerade keinen besseren Ausdruck dafür.
"Freiheit" ist von der Struktur her unruhiger, manchmal mühsamer. Ich erinnere mich - gerade zu Anfang des Romans - an leichte Längen. Franzen gelingen nicht alle Figuren zu jedem Zeitpunkt im Roman gleich gut. Aber dafür gibt es Szenen, die man - so finde ich - nie mehr vergisst.
Diese Szenen gibt es bei "Die Korrekturen" auch. Doch "Freiheit" ist mir gerade mehr präsent, das Lesen ist ja noch nicht so lange her.
Man merkt bei "Freiheit", dass Franzen älter geworden ist. Aber in dem Sinne, wie es - so glaube ich - wohl allen ergeht: Statt abgeklärter zu sein, ruhiger und gelassener - macht einen das Leben mit all den noch hinzu gewonnenen Erfahrungen phasenweise noch sensibler und empfindlicher. Unerwarteterweise noch suchender. Noch verwirrter. Das spiegelt das Buch sehr gut wider.

Es geht bei "Freiheit" schwerpunktmäßig um die Liebe zwischen Mann und Frau. Um Liebe, um sexuelle Anziehung und um alles, was einen dabei aus der Bahn werfen kann (oder gleich aufs falsche Gleis setzt). Und handelt davon, was diese Bahn vielleicht wiederzufinden ermöglicht.
Man denkt über Liebe nach. Was ist sie? Was bringt einen dazu, bestimmte Partner zu wählen? Gibt es das, füreinander bestimmt zu sein? Wie viel macht da der Zufall aus? Das Elternhaus? Und ist der, für den man bestimmt zu sein glaubt, auch wirklich derjenige welche? Oder eben am Ende doch nicht? Entgegen aller heimlicher Gedanken, aller jahrelanger Selbsteinschätzung? Es geht um Kränkung und Verletzung; Zurückweisung; dem Gefühl, viele wichtige Lebensjahre lang getäuscht worden zu sein...

Es geht auch -wie bei Korrekturen- phasenweise um Elternliebe. Um Übermutterung. Um Vermeidungsverhalten der Kinder. Wie sehr einen das prägt, was man von zu Hause mitbekam und wie es einen, nach Franzens Empfinden, in Lebensentscheidungen lenken kann. In der Elterngeneration, der Kindergeneration.
Franzens "Tischgespräche" oder "Telefongespräche" im Buch: immer besonders.

Franzen ist ein Meister darin, dieses "aus der Bahn geworfen werden" (ob bei schneller oder langsamer Lebensfahrt ) nachzuvollziehen und darzustellen.

Er kann Minuten der erzählten Zeit zu Ewigkeiten werden lassen. Meine "liebste", weil eindrücklichste Stelle bei "Freiheit" ist eine, da geht es darum (im echten wie übertragenen Sinn)

jemand erfrieren zu lassen oder nicht. Wie ein "lebendiger Erfrorener" zu handeln oder sich auftauen lassen von dem Frostleid des anderen.

Und die "OMG-Was lese ich denn da???"-Buchstelle handelt von der Suche nach einem Ring. Holy shit.

Name:K3
09-01-2011, 08:35
oh danke eliet für deine rezension.
das buch wird immer lesenswerter.

an diesem bin ich jetzt besonders hängenbeblieben:

oder sich auftauen lassen von dem Frostleid des anderen.

Name:K3
09-01-2011, 08:37
Aber da ich jetzt selbst hier im ioff von Korrekturen 'verfolgt' wurde (ich habe zum 2. Mal seit ich hier angemeldet bin auf "neue Beiträge" und ausgerechnet hier gelandet), ist es vielleicht ein Zeichen :D

bestimmt! ;)


und zum thema "zu kompliziert":


In einem Essay aus dem Jahr 2002 unterschied Franzen zwischen »Status-Romanen« und »Kontrakt-Romanen«. Der Autor des Status-Romans schaffe überhebliche Kunstwerke, die nicht dem Leser, sondern ihrer ästhetischen Kompromisslosigkeit verpflichtet seien (Franzen hatte dabei den Kollegen Gaddis im Auge). Dem Autor des Kontrakt-Romans hingegen liege die kommunikative Vereinbarung mit dem Leser am Herzen. Er wolle ihn nicht befremden, sondern heimatlich umhüllen. Er wolle der Literatur jenen Platz im Zentrum der Gesellschaft zurückerobern, den sie nach Franzens Ansicht im 19. Jahrhundert hatte und von dem sie durch Unterhaltungsmedien, durch Erzählformen von Film und Fernsehserien vertrieben wurde.
http://www.zeit.de/2010/37/L-B-Franzen?page=2

fandango
09-01-2011, 09:04
Das Hörbuch hat mich von Anfang an in seinen Bann gezogen.:)
Es war ein 19 stündiges Hörvergnügen an einem verlängerten Wochenende.

Name:K3
09-01-2011, 09:23
Denis Scheck hats gelesen (http://mediathek.daserste.de/daserste/servlet/content/5728826?pageId=&moduleId=339944&categoryId=&goto=&show=).

link mit scheck gerade angehört: "ein buch, das mehr über einen weiß, als man selbst".

Name:K3
09-01-2011, 09:31
Das Hörbuch hat mich von Anfang an in seinen Bann gezogen.http://grafiken.ioff.de/smilies/smile.gif
Es war ein 19 stündiges Hörvergnügen an einem verlängerten Wochenende.

die hörbuch-cd hatte ich gestern in der hand und hab überlegt...und überlegt.
ich kaufe normalerweise keine hörbuch-cds, weil ich nicht weiß, ob ich mich auf das gesprochene konzentrieren kann.
geht das bei dir gut?

um das erst mal zu testen, habe ich mir gestern dann doch meine erste hörcd gekauft von david foster wallace (die preisgünstiger war). ich muß ständig von vorn hören, weil ich nach ca. einer halben stunde vergesse hinzuhören ...

Mieze Schindler
06-02-2011, 15:10
Ich habe beide gelesen. Ich fand beide auf unterschiedliche Weise sehr lesenswert.
"Die Korrekturen" ist inhaltlich kompakter. Ich habe gerade keinen besseren Ausdruck dafür.
"Freiheit" ist von der Struktur her unruhiger, manchmal mühsamer. Ich erinnere mich - gerade zu Anfang des Romans - an leichte Längen. Franzen gelingen nicht alle Figuren zu jedem Zeitpunkt im Roman gleich gut. Aber dafür gibt es Szenen, die man - so finde ich - nie mehr vergisst.
Diese Szenen gibt es bei "Die Korrekturen" auch. Doch "Freiheit" ist mir gerade mehr präsent, das Lesen ist ja noch nicht so lange her.
Man merkt bei "Freiheit", dass Franzen älter geworden ist. Aber in dem Sinne, wie es - so glaube ich - wohl allen ergeht: Statt abgeklärter zu sein, ruhiger und gelassener - macht einen das Leben mit all den noch hinzu gewonnenen Erfahrungen phasenweise noch sensibler und empfindlicher. Unerwarteterweise noch suchender. Noch verwirrter. Das spiegelt das Buch sehr gut wider.



Schöne Kritik, Eliet!

Welche Figuren findest Du denn weniger gelungen und warum?

Ich mochte sie eigentlich alle, hätte aber gern mehr von ihnen erfahren. Mir kam es so vor, als sei Walter Franzen selbst und alle Anderen blieben dem gegenüber nicht wirklich verständlich (was auch konsequent ist, weil man die Anderen ja nie "ganz" begreifen kann).

Ich habe seltsam lang gebraucht, um das Buch zu lesen und auch stark die Längen empfunden, von denen Du schreibst. Allerdings fand ich die Phasen, in denen es irgendwie dahin plätschert, auch angebracht (trotzdem sind mir regelmäßig die Augen zugefallen).

Den Anfang fand ich übrigens recht schnell und Franzen-like. Nach den ersten 300 Seiten etwa hat sich der Erzählton dann nach meinem Empfinden total geändert; ich konnte mich z.B. nur schwer für die ausführlichen Beschreibungen der beruflichen Projekte sämtlicher Protagonisten begeistern.

Insgesamt würde ich sagen, es ist das Gegenteil von Fastfood-Literatur; also eben keine Tüte Chips, die man hinunter schlingt. Sondern mehr ein kompliziertes Menue, das wahrscheinlich nicht jedem schmecken kann.

Und mein Gott, ja, der Ring... :schäm: