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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Wirtschaft: Vernünftige Alternativen zum Kapitalismus


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ganzblau
21-12-2017, 06:50
Aus aktuellem Anlass (Steuersenkung in den USA mit erwartetem Milliardendefizit) eröffne ich einen Spielplatz für diskutierfreudige ... Wirtschaftsexperten, Querdenker, Visionäre. Und zwar bewusst im Wissenschaftssub. Denn

a) hatten die zuletzt in der Praxis erprobten Wirtschaftssysteme alle Theoriemodelle zum Anlass und basieren nicht auf empirisch erhobenen Faktenlagen. Wissenschaft verstehe ich hier als gesellschaftlich sanktionierte Spielanordnung: Sie hat Regeln, aber keine feststehende Dramaturgie. Nur so kann sie Bestehendes in Frage stellen und Neues schaffen.

b) kann man Theoriemodelle in Frage stellen. Und sollte sich das zur Hauptaufgabe machen, wenn man Wissenschaft betreibt.

c) beobachte ich in den wirtschaftswissenschaftlichen Fächern eine Mutlosigkeit, wenn es gilt, bestehende Theoriemodelle zu hinterfragen und neue Wege zu gehen. Es gibt zu viele blinde Flecken. Von denen sind allerdings einige mittlerweile unübersehbar. Wer neugierig hinguckt, findet genügend Ansätze, um "Wirtschaft" völlig neu und anders zu denken.


Dies also der Grund, weshalb ich das Wissenschaftssub wähle. Die "vernünftigen" Alternativen kann man so oder so lesen. Da die gängigen Theoriemodelle vom homo rationalis ausgehen, dachte ich mir, dass diese Referenz mal drin bleibt.

Mein persönlicher Favorit beim Neudenken ist übrigens die disproportionale Untervertretung von Frauen in den Wirtschaftswissenschaften. Und das, wo doch so viele Begriffe weiblich besetzt sind :D





Nun, hier lassen sich geltende Annahmen - und Defizite - der Wirtschaftswissenschaften diskutieren. Die Frage ist, ob neue Modelle existieren. Ob sie umsetzbar sind. Und was es braucht, um solche Modelle entweder zu integrieren oder anderweitig für die Praxis tauglich zu machen. Und damit meine ich: Im grossen Stil. Global.

Ein paar Stichworte:
Grundeinkommen (https://www.bpb.de/dialog/netzdebatte/223286/das-bedingungslose-grundeinkommen-drei-modelle)
Zeitwirtschaft bzw. Time Banking (verschiedene Modelle)
gift economy (https://en.wikipedia.org/wiki/Gift_economy)


Abkürzungsverzeichnis:

BG = Bedingungsloses Grundeinkommen
Ü50 = Über 50jährige (gemeint: im Arbeitsmarkt)

ganzblau
21-12-2017, 09:20
Als Diskussionsanstoss ein Interview von Daniel Ammann und Simon Brunner mit dem Anlage-Chef der Credit Suisse:
Michael Strobaek: "Die Leute werden rebellieren wie während der Französischen Revolution" (https://www.credit-suisse.com/corporate/de/articles/news-and-expertise/michael-strobaek-people-will-rise-up-like-during-the-french-revolution-201712.html)

alonzo
21-12-2017, 10:52
als großer fan von spieltheorien und entscheidungsfindung bin ich hier genau richtig. auch die grundsätzliche erkenntnis, dass dieses Thema unter beruecksichtigung der hiesigen userschaft vermutlich einen trivialen und vulgaeren verlauf nimmt (und hier ist im besonderen auf den reziproken zusammenhang zwischen informationsstand und penetranz der getaetigen/wiederholten aussagen hinzuweisen), schreckt mich nicht ab. vielmehr bin ich als grundoptimistischer und (nach dem morgendlichen genuss eines gluehwein-likoers einer kollegin) froehlicher mensch ganz an deiner seite.

ganzblau, fangen wir einfach bei etwas gundlegendem an:

ein zyniker ist ein mensch, der von allem den preis und von nichts den wert kennt.

oscar wilde, lady windermeres fächer

wir kennen z.b. aus unserem sprachgebrauch die aussage "das war es mir wert!". wie aber bemisst sich der wert von etwas? mit welcher methodik kann man den wert (und nicht etwa den (markt)preis) von etwas ermitteln?

menschen, gueter, firmen, beziehungen, gesundheit, freundschaften etc. werden bewertet und stellen werte dar. werte sind durch individuelle wertbeimessung verschieden und teilweise bewusst und unbewusst und mehr oder weniger rational (an dieser stelle sei darauf hingewiesen, dass der von dir erwähnte homo oeconomicus ist nicht existent ist und diese vorstellung auch wissenschaftlich ueberholt).

die gruende für bewertungen sind vielfältig und notwendigerweise stets verbunden mit entscheidungen über die alternative (im sinne ob alternative a oder b mehr wert sei). wie kann man den wert von etwas operativ messen und im nächsten schritt veraendern/steigern?
details folgen...

BlackGirl
21-12-2017, 11:19
Ich denke auch, daß ein Umdenken weg von der Leistungsgesellschaft stattfinden muss. Mit der Einstellung, wer "mehr" leistet, ist mehr wert oder hat mehr Mitspracherecht in der Gesellschaft/Politik, kommen wir nicht mehr sehr weit, weil damit die Nicht-Leistungsträger quasi abhängt werden. Welche politischen Konsequenzen das an der Wahlurne hat, wissen wir ja bereits.

Wenn wir bei WünschDirWas wären, würde ich mir als erstes eine Änderung im Aktienhandel wünschen. Was ursprünglich eine eigentlich gute Idee war, sprich der kleine Angestellte wird durch Aktienbesitz Teil der Firma und somit Teil des Erfolges, ist mittlerweile nur noch eine Spielwiese für die Spekulationen von Superreichen geworden. Nehmen wir doch den Fall Steinhoff. Es kommt eine Gewinnwarnung raus, der Kurs geht in den Keller und ich verwette meine Schwiegermutter, daß es im nächsten Jahr zu Firmenverkäufen und/oder Arbeitsplatzstreichungen kommen wird.

Das zweite sind die permanenten Bäumchenwechseldich-Spielchen mit ganzen Firmen. Stichwort Lufthansa, AirBerlin und NikiAir. Ich guck da zu und hab das Gefühl, da spielen ein paar Idioten mit Legosteinchen. Oder Siemens. Da wird mal eben beschlossen das Werk Görlitz komplett zu schließen. Sind die Entscheider sich überhaupt bewusst, daß da nicht nur Umsätze, sondern auch Menschen dahinter stecken?

Proteus
21-12-2017, 15:13
Ich denke mir, daß früher oder später wohl tatsächlich ein bedingungsloses Grundeinkommen eingeführt wird. Eines welches war keine großen Sprünge erlaubt, aber zumindest die Grundbedürfnisse deckt. Niedrig genug um einen Anreiz zu haben, sich tatsächlich Arbeit zu suchen, aber hoch genug daß Arbeitslosigkeit keine derart existenielle Bedrohung darstellt wie es heutzutage der Fall ist.

Ich würde es als eine Art Weiterentwicklung der sozilen Marktwirtschaft sehen.

BlackGirl
21-12-2017, 15:55
Ich denke mir, daß früher oder später wohl tatsächlich ein bedingungsloses Grundeinkommen eingeführt wird. Eines welches war keine großen Sprünge erlaubt, aber zumindest die Grundbedürfnisse deckt. Niedrig genug um einen Anreiz zu haben, sich tatsächlich Arbeit zu suchen, aber hoch genug daß Arbeitslosigkeit keine derart existenielle Bedrohung darstellt wie es heutzutage der Fall ist.

Ich würde es als eine Art Weiterentwicklung der sozilen Marktwirtschaft sehen.

Hm und vielleicht noch die Möglichkeit durch Dienste an der Gemeinschaft wie z.B. ein Ehrenamt das Grundeinkommen aufzupeppen.
Es gibt ja durchaus Menschen, die was tun wollen, aber die für den klassischen 9to5-Job nicht geeignet sind, sei es aus familiären oder gesundheitlichen Gründen. Nur, Mitglieder beim Roten Kreuz, Freiwillige Feuerwehr oder ähnlichem leisten ja auch etwas für die Gemeinschaft und das sollte auch honoriert werden. Ich hab da gerade ein Art Punktesystem im Hinterkopf. Verschiedene Tauschringe oder Nachbarschaftssysteme probieren ja etwas ähnlich aus.

Jaspis
23-12-2017, 18:34
Heute werden viele Umsätze und Gewinne dort generiert, wo kaum noch oder gar keine Menschen aktiv beteiligt sind. Wie wäre es denn, Transaktionssteuer und Maschinensteuer auf den Weg zu bringen?

BlackGirl
23-12-2017, 20:10
Nein, das geht in die falsche Richtung.

Der Einsatz von Maschinen kann auch sinnvoll sein. Zum einen, weil die zuverichtende Arbeit für Menschen schlichtweg gesundheitsgefährdend ist, zum anderen, weil durch Handarbeit niemals eine entsprechende Präzision möglich wäre.

Dazu kommt, ohne Maschinen wäre die erforderliche Massenprodukt gar nicht machbar. Klar, wir können wieder auf Handwerk setzen, aber ganz ehrlich, wer kommt heutzutage schon mit einem Paar Schuhe aus, daß er dann auch noch sein Leben lang trägt?

SnakeX
23-12-2017, 20:24
Ich denke mir, daß früher oder später wohl tatsächlich ein bedingungsloses Grundeinkommen eingeführt wird. Eines welches war keine großen Sprünge erlaubt, aber zumindest die Grundbedürfnisse deckt. Niedrig genug um einen Anreiz zu haben, sich tatsächlich Arbeit zu suchen, aber hoch genug daß Arbeitslosigkeit keine derart existenielle Bedrohung darstellt wie es heutzutage der Fall ist.


den Anreiz aufrecht halten sich zu bilden und eine Arbeit zu finden, kann man ganz einfach dadurch, dass es dieses BGE erst im späteren Alter gibt, frühestens ab 40, so dass jene die sich was "Anständiges" aufbauen wollen, nicht um Schubildung, Ausbildung und Job umhin kommen.
das würde recht viele positive Effekte haben, vor allem würden die "Horrorkosten", die von den Skeptikern des BGE heute gerne argumentiert werden, direkt mal um mindestens 50% dezimiert werden.
wenn man ein BGE Stufenweise einführt, zB. ersteinmal 2-3 Jahre für Menschen ab 60, dann ab 55, dann 50 usw., würde das auch andere Unsicherheiten abdämpfen, wie sich das Ganze auf den Arbeitsmarkt auswirkt, ob tatsächlich soviele Menschen nichts mehr tun würden und am Ende fehlen usw.
es gäbe in dieser Richtung kaum noch ein Risiko und man könnte in Ruhe beobachten und analysieren, wie sich alles entwickelt, welche Parameter man verändert usw.

Edelstahl
23-12-2017, 20:39
Ein "bedingungsloses Grundeinkommen" halte ich für unabdingbar.
Wir laufen sehenden Auges in ein Millionen-Heer an Altersarmut hinein.

Dazu kommt: Die nächsten 5, 10 vielleicht auch 15 Jahre ist das alles noch eine Generation... die schlucken das.
Aber danach kommen Menschen, die werden das nicht einfach so akzeptieren(denke ich).
Alleine diese kommende Verarmung großer Teile der Bevölkerung, hat meiner Meinung nach Potenzial für extreme Wahlergebnisse und Unruhen.
On top kommen noch diverse andere Katalysatoren.

Leider werden wir ein BGE m M n nicht erleben.
Nicht, weil die Entscheider das nicht sehen, nicht sehen wollen, oder weil man es nicht stemmen könnte.
Sondern weil eine ärmere deutsche/europäische Bevölkerung für die Weltwirtschaft, und langfristig gesehen, durchaus interessant sein kann.
#nochnwirtschaftswunder
#seidmalnichtsoanspruchsvoll
#halteteinfachdiefresse

Jaspis
24-12-2017, 04:51
BlackGirl,
ich bin kein Maschinenstürmer. Es geht um den Gedanken, die durch Automatisation wegbrechenden Sozialabgaben zu kompensieren. Das ist durchaus umstritten, aber man kann mal drüber nachdenken, finde ich.
Artikel aus der SZ (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/maschinensteuer-abgabe-auf-roboter-1.3081956)

Ein BG, das erst in späteren Jahren zum Zuge kommt, hätte auch den Vorteil, dass ältere Menschen in Teilzeit gehen könnten, ohne zu sehr finanzielle Einbußen zu haben.
Andererseits wäre ein BG während der Ausbildung oder während der Elternzeit auch hilfreich.

ganzblau
24-12-2017, 07:22
Weil es zur Diskussion um das BG passt: Das Beispiel der Ü50-Arbeitssuchenden in der Schweiz.

Der Rundschau-Beitrag "Verarmt in Pension" zum Thema Langzeitarbeitslosigkeit (https://www.srf.ch/sendungen/rundschau/mietzins-wucher-verarmt-in-pension-h-u-bigler-is-sklavinnen) in der Schweiz porträtiert drei Menschen zwischen 50 und 60, die alle trotz bester Qualifikation unweigerlich in die Armut abrutschen.

Wie der Beitrag zeigt, muss in der Schweiz das gesamte Privatvermögen aufgebraucht werden, ehe man Anrecht auf Sozialhilfe hat. Das gilt auch für Wohneigentum und (unter Umständen) angesparte Altersguthaben. Und: Wer erst einmal ausgesteuert ist, erscheint nicht mehr in der Arbeitslosen-Statistik.

Das heisst: Nach aussen hin scheint der Arbeitsmarkt zu funktionieren, inklusive Wiedereingliederung. Tatsächlich aber gibt es für gesunde, gut ausgebildete Entlassene jenseits einer bestimmten Altersstufe kaum mehr Angebote. Hier braucht es ein Grundeinkommen dringend.

Sorry für die schweizerdeutschen Interviews. Ich hoffe, das lässt sich angucken ...

Predni
25-12-2017, 11:56
Das ein BG kommen wird, ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Die Frage ist nur wann unsere Politiker endlich aufwachen und das auch erkennen. Das wird aber vermutlich noch einige Jahrzehnte dauern und so wird, zumindest hier in DE, immer noch diese menschenunwürdige und verachtende System gefahren....

ganzblau
28-12-2017, 15:25
Mark Schieritz schlägt (in der ZEIT von gestern (http://www.zeit.de/2018/01/gerechtigkeit-deutschland-wirtschaft-reichtum-deutschlandkarte-kapitalismus)) anstelle des BG eine "Deutschlandkarte" vor, als Gratis-Abonnement für bestimmte (öffentlich-rechtliche) Dienste, die so wieder allen Bürgern zu gleichen Teilen zur Verfügung stehen sollen, ungeachtet der vorhandenen finanziellen Mittel:

Im Beispiel geht es um die freie Nutzung der Bahn sowie um den gleichberechtigten Schulbesuch - letzteres vor dem Hintergrund des offenbar zunehmenden Bildungsgefälles im sekundären und tertiären Bereich, welches durch den einseitig privilegierten Zugang zu privaten Nachhilfeangeboten entsteht.

Das BG bezeichnet Schieritz übrigens als "zutiefst neoliberale Idee" und als eine Art "Steuersenkung für Hipster" ... was mir insofern aus der Seele spricht, als ich mich die ganze Zeit frage, warum man das Grundeinkommen nicht tatsächlich an Bedingungen knüpft.

Für mich funktioniert das BG am ehesten als Investition und "Darlehen", nicht wirklich als Lohnersatz. Wenn nämlich der Staatshaushalt für die elementaren Bedürfnisse des einzelnen Bürgers aufkommt, sollte das doch dem Bürger seinerseits einiges WERT SEIN (... um den Post von alonzo wieder aufzugreifen). Ich kann mir einerseits gemeinnützige Einsätze im In- und Ausland vorstellen (z.B. im Rahmen eines Sozialjahrs oder anderer "Zeitsteuern"), denke aber auch an fachlich spezialisierte Pro-Bono-Leistungen.

Einen Haken hat das allerdings: Im Gegenzug für ein Grundeinkommen, das an Bedingungen geknüpft ist, würde der administrative Aufwand wachsen. Ich denke, wir müssten in diesem Zusammenhang auch über den "gläsernen Bürger" bzw., über die Abrechnung von Zeitbudgets reden. Andererseits: Warum nicht?

Und schliesslich noch ein Beispiel für Zeitbanken ... wenn wir schon dabei sind: Konzer helfen Konzern (https://spdkonz.de/?page_id=196).

Ich kenne einige solcher Projekte in der Schweiz, wobei es prioritär um alltägliche Hilfeleistungen geht, NICHT um Einsätze, die eine Fachausbildung voraussetzen. Die Stadt St. Gallen (http://www.zeitvorsorge.ch/) zum Beispiel lässt pensionierte Menschen Altersguthaben (in Stunden, nicht Franken) ansparen, die sich später wieder als Betreuungsleistungen einfordern lassen. Derzeit kümmern sich rund 140 aktive Zeitvorsorgende um betagte Menschen im häuslichen Umfeld; sie erarbeiteten in den letzten 3 Jahren über 20`000 Stunden. Das Revolutionäre dabei: Die Kommune tritt als Garantin der angesparten Zeitguthaben auf und bürgt für die ausgegebene Zeit, sollte das Projekt vorzeitig enden.

BlackGirl
28-12-2017, 21:41
Ich seh das BGE auch sehr sehr kritisch. Eine alleinstehende Person kann hier in Köln niemals alleine von 1.000 Euro im Monat leben. Und zum anderen seh ich die Gefahr darin, daß dafür im Gegenzug andere Dinge gekürzt werden und dann wird es für einkommensschwache erst Recht verdammt knapp. Die Idee des BGE berücksichtigt einfach nicht, daß es Menschen gibt, die arbeitsunfähig sind bzw. aufgrund körperlichen Beeinträchtigen einen erhöhten Einkommensbedarf haben. Und was wird dann mit pflegebedürftigen Menschen? 1.000 Euro reicht nie und nimmer für die anfallenden Pflegekosten. Dafür darf aber das Nachbarstöchterlein in Osterferien noch zusätzlich Reitferien machen.

Die Idee mit dem Zeitguthaben find ich dagegen sehr gut. Das lässt sich auch wunderbar in Nachbarschaftsprojekten, die es ja schon vermehrt gibt, umsetzen. Gerade für Menschen wie mich wäre das eine viel viel bessere Unterstützung als jeden Monat nen Batzen Bargeld auf die Hand. Stattdessen gibt man der Gesellschaft was man kann und kann ohne Scham oder Bedingung und Ausfragerei bei Bedarf selbst auf Hilfe zurückgreifen.

suboptimal
29-12-2017, 07:22
Ein BGE würde natürlich eine Kürzung von verschiedenen sozialen Leistungen sowie eine Erhöhung von Steuern und Abgaben (vor allem Mehrwertsteuer) mit sich bringen. Irgendwoher muss ja die Finanzierung eines solchen BGE kommen. Das BGE wird sich maximal auf dem Niveau von Hartz IV bewegen und somit das Minimum einer Grundabsicherung darstellen.

Das, was ein BGE ausmacht, ist das "bedingungslos: Personen, die zufrieden mit einer solchen Minimalabsicherung sind, können danach leben, ohne irgendwelche Sanktionen befürchten zu müssen. Die ganze Sanktionierungsmaschinerie würde wegfallen, was m.E. ein Segen wäre und die unsäglichen Diskussionen (faul, Hängematte etc.) beenden würde.

Darüber hinaus gehe ich davon aus, dass Personen mit Handicaps bzw. die pflegebedürftig sind, weiterhin über das BGE hinaus Leistungen erhalten werden, um den besonderen Umständen und damit verbundenen höheren Kosten Rechnung tragen zu können. Ich glaube nicht, dass jegliche sozialen Unterstützungen durch ein BGE abgeschafft werden würden.

Proteus
31-12-2017, 13:21
Passt wohl auch hier herein:
http://www.zeit.de/arbeit/2017-12/work-life-balance-familie-beruf-vereinbarkeit/komplettansicht

Artikel über die Probleme welche die Work-Lie-Balance bei berufstätigen Eltern mit sichbringt ... aber nicht nur für sich selbst sondern auch für die Mitglieder ihres Arbeitsteams.

Im Prinzip gehts unter anderem darum daß heutzutage, in Zeiten wo oft beide Elternteile berufstätig sind, die Probleme mit der Zeiteinteilung der arbeitenden Eltern oft den Mitarbeitern des Arbeitsteams/Betriebes aufgebürdet werden, welche keine Kinder haben.

Im Sinne von:
Mitarbeiter x (mit Kindern) muss plötzlich Urlaub nehmen um seine krnke Tochter zu pflegen?
O.K., dann müssen Mitarbeiter y und z (beide ohne Kinder) seine Schicht übernehmen (und es wird eventuell gar als deren "moralische Pflicht" angesehen, auf ihren eigenen geplanten Urlaub in der Zit zu verzichten).

Oder ... Weihnachten ... Eltern mit Kindern erden praktisch ie elbstverständlich bevorzugt wenn sie zu der Zeit Urlaub haben wollen, Arbeitnehmer ohne Kinder selbstverständlich hintangestellt.

Und all das obwohl kinderlose Mitarbeiter auch ein Privatleben haben und eventuell nicht als Springer dienen wollen, über deren Privatleben wie selbstverständlich verfügt werden kann, wenn die Bedürfnisse von arbeitenden Eltern im Team/Firma es notwendig machen.

Als Ursache des Problems sieht der Autor hier auch wieder den Kapitalismus.

Häusliche Carearbeit (i.e. Kinderbetreuung und Haushalt, aber auch Pflege von Familienagehörigen) sind eben auch Fulltime-Jobs die eine Menge an Kraft (und Zeitaufwand) erfordern (und zudem volkswirtchatlich bedeutam sind).
Früher funktionierte es noch halbwegs, weil da noch gesellschaftlich verankert war, daß ein Elternteil (fast immer die Frau) fulltime zu Hause bleibt und den Haushalt und die Kinderbetreuung schmeisst.
Heutzutage hingegen wollen meist beide Elternteile arbeiten (und ggf. Karriere machen) ... und keiner will hintan stehen (zumal der Job "Haushalt" / "Kinder" im Laufe der letzten Jahrzehnten an Ansehen verloren hat ... und zudem nicht einmal Rentenansprüche erwirkt).

Der Kapitalismus hats sich da einfach gemacht indem er eine Dualität zwischen Arbeit und Privatleben aufgebaut hat (und Haushalt und Kinder-/Angehörigenbetreuung vollständig in die Sphäre des Privatlebens verschiebt).

Nach Ansicht des Autorren ist hier ein Umdenken in Politik und Gesellschaft gefragt, um Möglichkeiten zu schaffen, daß man einerseits fulltime Caretätigkeiten übernehmen, ohne daß dadurch die eigene Eistenzsicherng gefährdet ist, andererseits aber auch die Möglichkeiten geschaffen sind (Stichwort Förderung von Home Office Jobs und Jobs mit flexiblen Arbeitszeiten) daß man einen Beruf ausüben kann ohne daß man sich dabei auf den Goodwill des Unternehmens verlassen muss (oder darauf daß man moralische Ansprüche gegenüber kinderlosen Mitarbeitern geltend machen kann, wenns um deren Urlaubs/Freizeitplanung geht)


Im Prinzip auch wieder ein Sache wo zumindest teilweise (i.e. wenn man Fulltime Angehörige pfleen/Kinder betreuen will/muss) das BGE Abhilfe schaffen würde (der andere Teil ist ja die Flexibilisierung von Arbeitsmöglichkeiten, damit Leute welche Arbeit und Kinder-/Angehörigenbetreuung/Haushalt unter einen Hut bringen wollen, dieses machen können ohnee da es zu Lasten der aneren mitarbeiter geht

BlackGirl
09-01-2018, 11:59
Einen finanziellen Ausgleich wie er derzeit von der IG Metall gefordert wird, ist auf jeden Fall notwendig. Gerade die Generation 40+ hat ja im Moment voll die Arschkarte gezogen. Vollzeitjob, die Pflege der Eltern und gleichzeitig auch noch die Kinderbetreuung an der Backe plus die Angst, daß für die eigene Rente nichts übrig bleibt. Dass das nicht gut gehen kann, liegt auf der Hand.

Nur, ich hab eben auch Angst, dass bei entsprechenden Regelungen die häusliche Care-Arbeit wieder an den Frauen hängen bleibt. Ich kann das nicht an konkreten Dingen festmachen, aber ich hab das Gefühl, daß es derzeit Bestrebungen gibt das Rad in Sachen Emanzipation wieder zurückzudrehen. Und jedes Mal, wenn die Vereinbarung von Beruf und Familie nicht klappt, ist selbstverständlich die egoistische Mutter, die unbedingt Karriere machen will, Schuld.