Er war schon einmal Xavier Naidoos Pendant: Der Berliner Tim Bendzko gewann im April 2009 bei der Castingshow "Söhne gesucht" - und durfte im Sommer den Frontmann einer Art Zwillingsband der Söhne Mannheims im Vorprogramm der Originale vor 20 000 Zuschauern auf der Berliner Waldbühne geben. Dieses Erlebnis überzeugte den früheren Sportgymnasiasten, Union-Berlin-Fußballer, Theologie-Studenten und Auktionator endgültig davon, dass sein Kindheitstraum, in Erfüllung gehen kann: Songwriter und Sänger sein.
Dabei hat er das immer gewusst: Als er das Akkord-Rüstzeug zum Liederschreiben drauf hat, bricht er mit 16 den Gitarrenunterricht ab. Und hält die Songs fest, die aus ihm herausfließen: "Die Lieder waren richtig gut, doch so ausdrucksstark, dass sie nicht wirklich zu einem 16-Jährigen passen, man hätte sie mir einfach nicht abgenommen." Aber man nimmt es dem heute 26-Jährigen ab, wenn er sagt, dass er damals vollkommen überzeugt gewesen sei, dass seine Zeit noch kommen würde. Jetzt ist sie gekommen, langsam aber gewaltig: Bendzko hat einen Major-Deal, spielt live vor Stars wie Joe Cocker oder Elton John, und seine erste Single "Nur noch kurz die Welt retten" trifft bei Jung und Alt den Nerv der Web-2.0-Zeit: "Danach flieg ich zu dir, noch 148 713 Mails checken ..." Trotz der helfenden Hand von Juli-Songwriter Simon Triebel erinnert hier nicht nur die unterschwellige Weltuntergangsvision frappierend an Naidoo. Auch die Gesangsmelodien und die gern auf Streicher zurückgreifenden Arrangements über einem recht dominanten Rhythmus ähneln dem Mannheimer Erfolgssound schon recht stark. Ohne besonders soulig klingen zu wollen.
Stimmlich und inhaltlich bewegt sich der Berliner dabei etwa auf halber Strecke zwischen Naidoo und Clueso mit einer Prise Poisel. Dass er wie eine gefälligere, konsensfähigere Mixtur aus diesen Kollegen klingt, tut der Qualität seines Debütalbums "Wenn Worte meine Sprache wären" kaum Abbruch: Die meisten der 13 Titel sind nicht nur eingängig und/oder gefühlig, sondern einfach gut gemachter Deutschpop. (Sony) jpk