Diese repräsentative Demokratie muss die argentinische Pro-Abtreibungsrechtbewegung wirklich ankotzen, wenn sie sehen wie das in Irland dieses Jahr entschieden wurde und in Buenos Aires spaltet das Thema seit Monaten die Gesellschaft und die Leute waren jetzt so oft auf der Straße für die Abschaffung des Straftatsbestands für die Abtreibung und am Ende entscheidet das Parlament gegen die Legalisierung, während draußen im Dauerregen hunderttausende auf ein anderes Ergebnis hofften.
Aber 150.000 Leute
https://twitter.com/ObsDeVidaTuc/sta...88206601142272
in Tucuman von den Abtreibungsgegner mobilisiert ist auch eine verrückte Situation, wenn man schaut, dass die Stimmung in Buenos Aires auf den Straßen größtenteils andersrum ist. Tucuman ist nochmal so weit zurückgeblieben in der sozioökonomischen Entwicklung im Vergleich zu Buenos Aires, dort gab es prozentual deutlich mehr Unterernährung auf Entwicklungslandlevel in den Jahren als die argentinische Wirtschaft mal wieder zusammengebrochen war. Die Frauen im hinterwäldlerischen Tucumanischen Norden Argentiniens sind aufgrund der wirtschaftlichen Lage sicher noch mehr betroffen grundsätzlich als Frauen in Buenos Aires, die eher noch finanzielle Ressourcen hätten in Nachbarland Uruguay zu fahren.
Ob die Vergewaltigungsrate in Tucuman höher ist als Buenos Aires wie einer im Twitter Strang behauptet kann ich natürlich nicht wissen. Als Tourist muss man sicherlich in Buenos Aires eher sogar noch vorsichtiger über die Schulter und auf die Wertsachen schauen als in London, Paris oder Rom. Aber das hat ja damit nichts zu tun.
So, Proteus. Weil ich seit deinem Post diesen Monty-Python-Song nicht mehr aus dem Ohr bekomme, können bei Bedarf alle mitleiden:
https://www.youtube.com/watch?v=fUspLVStPbk
Geändert von spector (12-08-2018 um 15:34 Uhr)
Die Beteiligungsquote der Männer hier ist ja ziemlich interessant. Würde ein Thread zum Thema Verhütung eröffnet, sähe es mutmaßlich anders aus. Ich würde sagen, das stützt die These, dass das Abtreibungsrecht sehr viel mit Macht zu tun hat.
Der Herr spector hat Glück, dass er sein Posting von vorhin gelöscht hat. Sonst hätte ich ihm nämlich vorgehalten, dass er eine der kritisierten Aussagen ihm bekannter Damen vor Jahren selbst hier im Forum postete.
Im Falle einer diagnostizierten Behinderung wird es fast eher der Fall sein, dass es sich um ein Wunschkind handelt.
Unabhängig davon hat die Frau aber hoffentlich einen Mann an ihrer Seite, mit dem sie entscheidet und der sie hierbei vollumfänglich unterstützt.
Darüber hinaus ist es nicht selten, dass auch der Mann die treibende Kraft bei der Entscheidung sein könnte, sich durch ein beinträchtigtes Kind nicht lebenslang belasten zu wollen.
Ich hatte in den 80er Jahren zwei Kolleginnen mit Down-Syndrom-Kindern. Beide Kinder ca. 10 Jahre alt, die Frauen mittlerweile alleinstehend (keine Wertung an dieser Stelle.)
Aber: Damals ging man von einer Lebenserwartung von ca. 40 Jahren aus. Das bedeutete in der Regel, dass das Kind vor den Eltern stirbt.
Die Lebenserwartung ist in den letzten Jahren enorm gestiegen. Mittlerweile erreichen Down-Syndrom-Kinder das 70. Lebensjahr. Heute werden Eltern in ihre Entscheidung also auch mit einbeziehen müssen, dass das Kind auch nach dem eigenen Tod gut versorgt sein muss.
Eine Abtreibung wird nicht leichtfertig entschieden.
Don't tell them too much about your soul. They're waiting for just that. ~ Jack Kerouac
Richtig. Allerdings sind die Entscheidungen von allerlei abhängig, u.a. von der Beratung und der momentanen Situation.
Nur mal so, ganz wertfrei ein bisschen Statistik: Über 90% der Eltern, die die Diagnose Down-Syndrom erhalten, entscheiden sich heute für eine Abtreibung. Im Gegensatz dazu: Die Leitlinien für Frühgeburten sehen eine Maximaltherapie ab der 24. Woche vor. Zwischen 22. und 24. Woche entscheiden die Eltern. So frühe Frühgeburten haben eine deutlich eingeschränkte Überlebenschance, und die Wahrscheinlichkeit von Beeinträchtigungen ist im Vergleich enorm hoch. Hier entscheiden sich trotzdem über 90% der Eltern für eine Maximaltherapie. Beide Entscheidungen erfolgen nach Beratung durch Ärzte.
Anta, ich kann mich nicht im Entferntesten in eine dieser Situationen hineinversetzen.
Für mich ist die Statistik auf der emotional-intelligenten Ebene jetzt kein Widerspruch.
Don't tell them too much about your soul. They're waiting for just that. ~ Jack Kerouac
Für mich ist das schon irgendwie ein Widerspruch. Und es hat meines Erachtens mit der Beratung zu tun. Und natürlich auch mit der gesellschaftlichen Sicht auf Behinderung, speziell das Down-Syndrom. Das Thema ist aber ein weites Feld und führt weg von der eigentlichen Intention des Threads.
Ja, das ist weg vom Thema.
Daher nur kurz: Ich weiß nicht, ob es an der Beratung der Ärzte liegt. Im zweiten Fall ist die (sehr unrealistische) Hoffnung da, dass die Maximaltherapie erfolgreich ist; und wahrscheinlich werden die Aussagen des Arztes von den Eltern entsprechend umgedeutet.
Don't tell them too much about your soul. They're waiting for just that. ~ Jack Kerouac
Ich sehe die Vergleichbarkeit nicht, da es sich bei Frühgeburten um bereits geborene Kinder handelt. Das ist doch enotional eine völlig andere Ausgangssituation als wenn in einem frühen Stadium der Schwangerschaft ein Down-Syndrom diagnostiziert wird.
Deine Meinung sei dir unbenommen. Ich finde, die 16. bis 18. Woche ist kein frühes Stadium mehr. Der neue Bluttest ist diesbezüglich natürlich außen vor, aus meiner persönlichen Perspektive allerdings ethisch deutlich zu hinterfragen.
Wo war denn die Rede von der 16. bis 18. Woche? Du schriebst
Eine Verdachtsdiagnose durch Nackenfaltenmessung ist bereits bei der ersten Routine-Ultraschalluntersuchung möglich, die zwischen der 11. und 14. Woche stattfinden sollte. Bei auffälligen Ultraschallbefunden oder Alter der Schwangeren über 35 Jahre kann eine Überweisung zu weiteren gezielten Ultraschalluntersuchungen oder anderen Maßnahmen wie einer Fruchtwasseruntersuchung erfolgen. Letztere kann grundsätzlich ab der 10. Schwangerschaftswoche erfolgen und wird meist ab der 13. Woche durchgeführt. https://www.elternkompass.de/fruchtw...en-und-kosten/
Selbstzahlern und entsprechend versicherten Privatpatienten stehen natürlich noch anderen Mittel zu Gebote.
"Seit 2012 beziehungsweise 2013 sind in der Regel kostenpflichtige Bluttests verfügbar, die es ermöglichen, eine Trisomie 21 (Down-Syndrom) sowie Trisomie 18 und Trisomie 13 beim ungeborenen Kind relativ sicher festzustellen." https://www.onmeda.de/schwangerschaf...ng-2158-3.html
Ergänzung: Die Frage, inwieweit eine solche Diagnostik ethisch vertretbar ist, will ich hier mal außen vor lassen. Ich kann aber verstehen, dass sich Eltern, die durch eine Frühgeburt plötzlich mit der Notwendigkeit, eine Entscheidung darüber zu treffen, konfrontiert sehen, sich emotional in einer ganz anderen Position befinden als Eltern, die über eine Abtreibung nachdenken. Zum einen wird diese Situation einer Frühgeburt in vielen Fällen sehr plötzlich auftreten. Es stehen ihnen anders als bei einer Abtreibung nicht Tage oder gar Wochen zur Verfügung, um abzuwägen. Zum anderen ist das Kind nach der Frühgeburt auf der Welt. Die Eltern können es sehen, vielleicht sogar anfassen. Ich kann schon nachvollziehen, dass ein ungeborenes Kind, vor allem in einem frühen Stadium, für die Eltern gewissermaßen noch ein Abstraktum darstellt, ein frühgeborenes aber nicht mehr.
Geändert von Mausophon (15-08-2018 um 23:53 Uhr)
@Mausophon: Du denkst über Unterschiede im Sinne von Zeitperioden ("früh" versus "spät") nach, wo in der Praxis kein Unterschied ist.
Glaub' mir: Wenn du vor der Entscheidung stehst, brauchst du alle Zeit der Welt, um sie zu treffen. Und du hast diese Zeit nicht. Das ist Fakt.
Zum Trost für alle, die schon in der Situation waren und daran fast zerbrochen sind:
Man lernt, mit der Entscheidung zu leben ... wie immer sie ausfällt. Aber es braucht unter Umständen SEHR. VIEL. ZEIT.
If we don't succeed in leaving patriarchy behind, this planet is toast.
Dass die Betroffenen sehr viel Zeit bräuchten, um eine Entscheidung zu treffen, glaube ich in jedem Fall.
Wenn ich das von Anta gelieferte Zahlenmaterial betrachte, ist es gerade die Praxis, die zeigt, dass ein großer Unterschied besteht. Ich habe allerdings nicht allein auf die zeitliche Komponente abgestellt, sondern an erster Stelle vermutet, dass Eltern frühgeborener Kinder sich für eine Behandlung entscheiden, weil dadurch, dass die Kinder geboren wurden, die emotioale Bindung stärker ist als zwischen Eltern und Ungeborenen.
Ich könnte mir eine weitere Ursache vorstellen, die mit der zeitlichen Komponente zusammenhängt. Erfährt man in Bezug auf ein ungeborenes Kind, dass eine Behinderung droht, wird man im Regelfall versuchen, sich vorzustellen, was das bedeutet. Um welche Form der Behinderung handelt es sich, inwieweit wird das Kind eingeschränkt sein und darunter leiden, wie werde ich selbst mich fühlen, wie wird mein Partner reagieren, was bedeutet das für unsere Beziehung und die Lebensplanung? Bei einer Frühgeburt wird es häufig so sein, dass eine Auseinandersetzung mit solchen Fragen nicht oder kaum erfolgt ist. Die Eltern hofften auf ein gesundes Kind. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es vielen Eltern gelingt, diese Hoffnung innerhalb von Stunden zwischen der Geburt und der Entscheidung über eine medizinische Behandlung fallen zu lassen - auch dann nicht, wenn der Verstand sagt, dass es unwahrscheinlich ist, dass das Kind gesund sein wird.