Die Machtprobe: EU-Kommission vs. italienische Regierung

[ManOfTomorrow]

Oh, die Griechen waren am Ende durchaus willig. Man musste sie ein bißchen anschubsen aber dann haben sie ihre Auflagen erfüllt. Bei Italien sehe ich die Ausgangslage etwas anders.

Dein zweiter Satz mag zwar grundsätzlich stimmen, ist aber eine arge Verkürzung des jahrelangen politischen Prozesses (alias Rettungs-Chaos).
Die Ausgangslage bei Italien ist natürlich anders - allein deswegen, weil Italien de facto "too big to fail" ist.

Jemanden aus der Euro-Zone rauszuschmeißen ist jedenfalls so gut wie unmöglich (Ausnahme: eigener Wille des Landes).

[nuni1]

ebent - notfalls zahlen wir alles

[Experte]

Das Druckmittel, das Italien hat: Im Fall einer Staatspleite wird man vermutlich die halbe europäische Bankenbranche mit in den Abgrund ziehen. Die Folge wäre eine vermutlich weltweite Finanzkrise.

[Dr. Mauso]

Google reagiert auf die aktuelle Problematik. Wenn man

Italien

eingibt, erscheint in der Antwortleiste rechts als einer der ersten Informationen:

Staatsverschuldung in Prozent des BIP: 131,8% des BIP (2017)

[Descartes]

Diese Zurückweisung des Haushaltsentwurfs ist einfach ein (finanz-)politischer Affront. Jahrzehnte türmen die italienischen Regierungen immense Schulden auf, aber wenn eine nicht genehme Regierung klar unter der "erlaubten" Neuverschuldungsgrenze bleibt und ihre eigenen wirtschaftspolitischen Vorstellungen umsetzen will, dann wird durch die EU-Kommission leichtsinnigerweise eine neue europäische Finanzkrise initiiert. Von einer EU-Kommission, die ihren eigenen EU-Haushalt weiter aufblähen will: ab 2021 soll Deutschland 15 Milliarden Euro mehr pro Jahr an die EU zahlen.

Deutschland hat übrigens in den vergangenen 20 Jahren mehrmals den Neuverschuldungsgrad von 3% gerissen und der Schuldenstand wird nach 15 Jahren erstmals wieder 2019 unter der 60-Prozent-Marke liegen. Das Defizitverfahren gegen Frankreich aus dem Jahre 2009 wurde dieses Jahr eingestellt, nachdem Frankreich 2017 mit 2,6% Neuverschuldung erstmals seit 2007 wieder unter der 3%-Grenze lag. Zum Vergleich plant Italien aktuell mit 2,4% Neuverschuldung. Wenn eine EU-Kommission schon einen Haushaltsentwurf zurückweist, dann ist das eine politische Entscheidung; genauso wie es eine politische Entscheidung war, die eindeutigen Defizitsünder Deutschland und Frankreich in der Vergangenheit nicht zu bestrafen.

[Voltaire]

Google reagiert auf die aktuelle Problematik. Wenn man

Italien

eingibt, erscheint in der Antwortleiste rechts als einer der ersten Informationen:

Staatsverschuldung in Prozent des BIP: 131,8% des BIP (2017)

Oha, da hast Du das Prinzip von Google erkannt!
Bei mir erscheint da das Wetter in der Toskana

[Voltaire]

Diese Zurückweisung des Haushaltsentwurfs ist einfach ein (finanz-)politischer Affront. Jahrzehnte türmen die italienischen Regierungen immense Schulden auf, aber wenn eine nicht genehme Regierung klar unter der "erlaubten" Neuverschuldungsgrenze bleibt und ihre eigenen wirtschaftspolitischen Vorstellungen umsetzen will, dann wird durch die EU-Kommission leichtsinnigerweise eine neue europäische Finanzkrise initiiert. Von einer EU-Kommission, die ihren eigenen EU-Haushalt weiter aufblähen will: ab 2021 soll Deutschland 15 Milliarden Euro mehr pro Jahr an die EU zahlen.

Deutschland hat übrigens in den vergangenen 20 Jahren mehrmals den Neuverschuldungsgrad von 3% gerissen und der Schuldenstand wird nach 15 Jahren erstmals wieder 2019 unter der 60-Prozent-Marke liegen. Das Defizitverfahren gegen Frankreich aus dem Jahre 2009 wurde dieses Jahr eingestellt, nachdem Frankreich 2017 mit 2,6% Neuverschuldung erstmals seit 2007 wieder unter der 3%-Grenze lag. Zum Vergleich plant Italien aktuell mit 2,4% Neuverschuldung. Wenn eine EU-Kommission schon einen Haushaltsentwurf zurückweist, dann ist das eine politische Entscheidung; genauso wie es eine politische Entscheidung war, die eindeutigen Defizitsünder Deutschland und Frankreich in der Vergangenheit nicht zu bestrafen.

(1) zu Italien:
Italien hatte bisher eine wesentlich niedrigere Verschuldung an die EU gemeldet, verbunden mit dem Versprechen, den Haushalt zu konsolidieren.
Jetzt sagt das selbe Italien, vertreten durch eine andere Regierung, dass es auf diese Vereinbarung scheißt und wesentlich mehr Schulden macht.

(2) zu dem immer wieder kehrenden "Gegenargument" Deutschland:
Deutschland hatte damals die deutsche Einheit zu stemmen und es war jedem klar, dass Deutschland trotzdem meilenweit davon entfernt war, von der EU gerettet werden zu müssen.

[Üfli]

(1) zu Italien:
Italien hatte bisher eine wesentlich niedrigere Verschuldung an die EU gemeldet, verbunden mit dem Versprechen, den Haushalt zu konsolidieren.
Jetzt sagt das selbe Italien, vertreten durch eine andere Regierung, dass es auf diese Vereinbarung scheißt und wesentlich mehr Schulden macht.

(2) zu dem immer wieder kehrenden "Gegenargument" Deutschland:
Deutschland hatte damals die deutsche Einheit zu stemmen und es war jedem klar, dass Deutschland trotzdem meilenweit davon entfernt war, von der EU gerettet werden zu müssen.

Achje, Fakten sind heutzutage so vortrumpmäßig...

[Descartes]

(1) zu Italien:
Italien hatte bisher eine wesentlich niedrigere Verschuldung an die EU gemeldet, verbunden mit dem Versprechen, den Haushalt zu konsolidieren.
Jetzt sagt das selbe Italien, vertreten durch eine andere Regierung, dass es auf diese Vereinbarung scheißt und wesentlich mehr Schulden macht.

Italiens vorherige Regierung hat höchstens eine mittelfristige Finanzplanung aufgezeigt, aber BIP und Schulden kann man nicht auf Jahre im Voraus vertraglich festschreiben, weil beides von der Realität eingeholt wird. Und eine neue Regierung ist nun mal eine veränderte Realität. Insofern muss man sich verständigen. Also Ende 2017 waren für Deutschland 74 Vertragsverletzungsverfahren anhängig, für Italien nur 62. So ein EU-Musterschüler ist Deutschland demnach längst nicht. Vertragliche Regeln und Absprachen sind eben augenscheinlich interpretierbar.

Italiens Schuldenberg stammt darüber hinaus vor allem aus den 80er- und 90er-Jahren. An diesem Schuldenberg ändert sich auch so schnell nichts. Und ohne die Zinslast ist auch der neue Italien-Haushalt 2019 deutlich im Plus. Mit 2,4% Neuverschuldung bleibt Italien sowieso unter den Stabilitätskriterien. Es besteht also überhaupt kein Anlass, Italien jetzt so hart an die Kandara zu nehmen. Damit wird der Finanzmarkt unnötig verunsichert; Spekulanten werden angelockt. Lieber alles auf kleiner Flamme kochen, sich vertraulich austauschen und abstimmen und (falls notwendig) nach 2 oder 3 Jahren nach realen und nicht nach geplanten Daten ein Defizitverfahren eröffnen, aber diese finanzpolitische Bloßstellung Italiens durch die EU ist ein Fehler.

(2) zu dem immer wieder kehrenden "Gegenargument" Deutschland:
Deutschland hatte damals die deutsche Einheit zu stemmen und es war jedem klar, dass Deutschland trotzdem meilenweit davon entfernt war, von der EU gerettet werden zu müssen.

Zwischen 2003 und 2013 ist Deutschlands Staatsverschuldung noch mal um 50% gestiegen - und diese Neuverschuldung hatte recht wenig mit der Wiedervereinigung zu tun. Bundeskanzler Schröder hatte damals auch eine Machtprobe mit der EU-Kommission, weil Deutschland nämlich auf den Stabilitätspakt "schiss" und mit weit über 2,4% Neuverschuldung plante:

Auch in der Generalaussprache über den Haushalt stritten Regierung und Opposition über das Unterlaufen des Stabilitätspakts durch Deutschland und Frankreich. Bundeskanzler Schröder (SPD) verteidigte das Vorgehen mit der Bemerkung, er halte den Stabilitätspakt für "interpretationsnötig und -fähig". Er lobte das Handeln seines Finanzministers Eichel, der eine Mehrheit des Finanzministerrates gegen die Sanktionsdrohung der EU-Kommission organisiert hatte. Man solle nicht so tun, als sei "die Kommission in allem, was sie tut, sakrosankt".

http://www.faz.net/aktuell/politik/e...t-1131953.html

[Descartes]

Und hier ein kurzer volkswirtschaftlicher Überblick über Italiens Schuldensiuation vom renommierten ZEIT-Herdentrieb:

Auch bei einem Defizit von 2,4 Prozent dämpft der Staat nach wie vor die Endnachfrage und nimmt hin, dass die Wirtschaft weiter nur sehr langsam expandieren kann. Seit 2013 weist Italiens Leistungsbilanz steigende Überschüsse auf; das Land baut also seine geringen Nettoverbindlichkeiten gegenüber dem Ausland ab. Italien ist nicht Griechenland. Wie die beiden nächsten Grafiken zeigen, ist Italien durch ein langes Tal der Tränen gegangen und folgte damit dem Brüsseler Diktat. Allerdings waren die Vorgängerregierungen auch selbst davon überzeugt, dass sich die Wirtschaft durch Sparen – statt durch Wachstum – sanieren ließe. Dieses Rezept hat noch nie funktioniert, wie inzwischen selbst dem verbohrtesten Neoliberalen klar geworden sein dürfte.

...

Und Brüssel? Ich denke, es wird, was den Haushalt angeht, bei einer Ermahnung der italienischen Regierung bleiben, weil diese ihre Notlage plausibel erklären kann – und Besserung verspricht. Italien wird keine Bußgelder zahlen müssen.

https://blog.zeit.de/herdentrieb/201...-wachsen_11049

[cobrita]

Mal ganz kurz reinschau...

Dass Italien aber auch viele Erdbeben mit sehr hohen Kosten und Leistungen zu stemmen hat, vergisst man auch leicht. Da kann man nicht planen. Gerade die letzten 10 Jahre waren da schon heftig. Ausserdem Überschwemmungen, Bergrutsche, sonstige Katastrophen, bei denen man viele Menschen erstmal evakuieren und dann auf Staatskosten unterbringen muss. L'Aquila, eigentlich ganz Mittelitalien, meine Insel selber. Ganz Italien bröckelt und wackelt und die Gelder reichen nie aus.

Ja, die Politik hat ihre Macken und Fehler aber manchmal muss man auch mal schauen, was sonst so passiert. Und nein, nicht alle Gelder kommen von der EU, da muss Staat schon selber schauen, wo er sie herkriegt. Gerade bei diesen Fällen sind dann auch meistens Unternehmen am kollabieren und man muss oft auch ewig auf die Gesetze zum Wiederaufbau warten, weil man sich da auch nie einig ist, was an Steuern und Abgaben gestundet oder erlassen werden kann und wie man das dann einarbeitet.

Nur hier auf der Insel sind nach gut einem Jahr immer noch einige hundert Leute im Hotel. Auf Staatskosten. Andere bekommen Mietzuschuss und vieles wurde erlassen und gestundet, was der Staat sonst einnehmen würde. Schulen, Gemeinden, andere öffentliche Gebäude wollen wieder aufgebaut werden und auch da fehlen die Gelder. Und das ist nur einer von vielen Fällen.

D hatte die Einheit zu stemmen, stimmt. Aber Italien hat mit der Natur zu kämpfen und das summiert sich auch in den Jahren.

Nur ein Faktor aber nicht unbedingt der kleinste.

[caesar]

Bisher war die EU-Kommision immer nachsichtig und hat es bei Ermahnungen gelassen.

Wenn nicht die EU, werden die Finanzmärkte die Populisten zähmen. Wenn die Zinskosten für die Staatsanleihen in die Höhe steigen, fehlt das Geld anderswo.

Bereits heute hat Italien sehr viel mehr Zinsen als Deutschland.

[Dost]

Deutschland musste 2017 Zinsen für Schulden in Höhe ca. 17 Mrd Euro zahlen, Italien 2018 ca. 78 Mrd Euro. Der deutsche Gesundheitsetat liegt bei ca. 15 Mrd Euro, der Bildungsetat bei ca. 17 Mrd Euro.

Vor einigen Jahren hat Deutschland noch über 40 Mrd Euro Zinsen gezahlt. Rein theoretisch hätten wir von den mittlerweile eingesparten Zinsen den Gesundheitsetat verdoppeln können.

Vielleicht bin ich ja völlig blöd. Aber warum soll ich so viel Geld für Zinsen ausgeben, statt was Vernünftiges damit zu machen? Unabhängig davon, ob das Land jetzt Italien oder Deutschland heißt. Die Wenigsten von uns leben dauerhaft im Dispo. Dafür gibt es ja einen guten Grund. Ein Staat ist da nicht sehr viel anders.

[hans]

mal eine gegenüberstellung
https://www.bbc.com/news/world-latin-america-45721660
(und da grad kein brasilien thread oben ist)

es gibt schon faktoren, die man sich überlegen muss.
eine religiös-konservative kaste in italien, und eine konkurrierende evangelikale revolution in BR, zu den alteingesessenen eliten, die teils opportunistisch umschwenken.
hohe kosten aufgrund von klima und geografie, teile der fläche sind nicht nutzbar bzw geschützt. siehe der verlust durch erdbeben, oder sturmfluten.
traditionelle strukturen der armut angesichts von grossgrundbesitz und damit verbundener gemeindepolitik. land grabbing, auch wegen ressourcen.
beständige sabotage des westens gegen jedes aufkommen einer sozialistisch-protektionistischen politik (die zb russland und china das unstoppbare aufkommen und souveränität ermöglichte)

entsprechend wird es zu ähnlichen versuchen der einflussnahme auf beide länder kommen.

in beiden fällen seidenstrasse und BRICS-struktur,
und andersrum "transatlantische" (EU + USA) kräfte, und rechtskonservative kräfte aus USA.

[hans]

tadaa,
chinesisches TV macht weltweit werbung für italienische hitech innovation!
zb ein hydrogel mit sehr flexibel wählbaren eigenschaften, das für spezielle reinigungsprozeduren in der industrie, aber auch für restauration und instandhaltung alter gemälde eingesetzt werden kann.

so läuft der hase.