Das stimmt natürlich. Keiner kann sicher behaupten, wie er sich im dritten Reich verhalten hätte.
Ich habe aber oben den Unterschied schon angesprochen: nicht zu helfen kann man sich mit Angst erklären. Aktiv teilzunehmen oder billigend dabeizustehen ist eine andere Sache.
Die hat nichts mit fehlendem Heldenmut zu tun, sondern mit Herzensbildung und Empathie.
Und daraus resultiert meine Frage, wie die Nachbarn dieses deportierten und ermordeten Juden damit leben konnten, dass sie ihm die Scheiben eingeworfen haben, ihn bepöbelt, geschlagen und ausgegrenzt haben. Der Mann hatte ihnen nie etwas getan, im Gegenteil - er hatte jährlich Kinder eingekleidet und beschenkt. Ich würde gerne wissen, ob die sich geschämt haben.
Die Eltern meiner Mutter waren Sozialdemokraten und gläubige Katholiken. Die haben nicht mitgemacht, sondern sich verweigert, wo es ging. Meine Großmutter hat für die kriegsgefangenen polnischen Zwangsarbeiter Brot an der Wegstrecke versteckt. Ich glaube, diese Großeltern haben damals das getan, was sie konnten, um ihren Anstand nicht zu verlieren.
Sie haben übrigens immer gewusst und nie geleugnet, was damals mit Juden und z.B. Behinderten gemacht wurde. Letzteres konnte jeder wissen, der mitbekam, was Kardinal von Galen in Münster gepredigt hat.
Die Eltern meines Vaters waren Mitläufer. Die Großmutter hatte nie ein Unrechtsbewusstsein und will von nichts gewusst haben.