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  1. #31
    Ich komme in Frieden. Auf ewig! Avatar von dracena I.O.F.F. Team
    Ort: Mördergrube
    Zitat Zitat von pantoffel_3 Beitrag anzeigen
    Niemand wird als Held geboren.
    Das stimmt natürlich. Keiner kann sicher behaupten, wie er sich im dritten Reich verhalten hätte.

    Ich habe aber oben den Unterschied schon angesprochen: nicht zu helfen kann man sich mit Angst erklären. Aktiv teilzunehmen oder billigend dabeizustehen ist eine andere Sache.
    Die hat nichts mit fehlendem Heldenmut zu tun, sondern mit Herzensbildung und Empathie.

    Und daraus resultiert meine Frage, wie die Nachbarn dieses deportierten und ermordeten Juden damit leben konnten, dass sie ihm die Scheiben eingeworfen haben, ihn bepöbelt, geschlagen und ausgegrenzt haben. Der Mann hatte ihnen nie etwas getan, im Gegenteil - er hatte jährlich Kinder eingekleidet und beschenkt. Ich würde gerne wissen, ob die sich geschämt haben.

    Die Eltern meiner Mutter waren Sozialdemokraten und gläubige Katholiken. Die haben nicht mitgemacht, sondern sich verweigert, wo es ging. Meine Großmutter hat für die kriegsgefangenen polnischen Zwangsarbeiter Brot an der Wegstrecke versteckt. Ich glaube, diese Großeltern haben damals das getan, was sie konnten, um ihren Anstand nicht zu verlieren.
    Sie haben übrigens immer gewusst und nie geleugnet, was damals mit Juden und z.B. Behinderten gemacht wurde. Letzteres konnte jeder wissen, der mitbekam, was Kardinal von Galen in Münster gepredigt hat.
    Die Eltern meines Vaters waren Mitläufer. Die Großmutter hatte nie ein Unrechtsbewusstsein und will von nichts gewusst haben.
    Nein ist ein vollständiger Satz.

  2. #32
    Auffe Couch für den BVB Avatar von Jaspis I.O.F.F. Team
    Ort: Doatmund
    Die Pogrome des 9. November richteten sich gegen Deutsche! Die Juden in Deutschland waren bestens integriert, sie hatten im ersten Weltkrieg als Soldaten gekämpft und waren "fürs Vaterland" gestorben. Sie waren teilweise konvertiert, mit Christen verheiratet. Sie waren Kaufleute, Handwerker, Ärzte und Künstler und zum Teil sehr erfolgreich. Sie waren mitten in der Gesellschaft, die sie - wieder einmal - für das Übel der Welt verantwortlich machte.

    1938 war Hitler schon 5 Jahre an der Macht und die Saat ging auf. Zudem war jedem klar, dass es so etwas wie Opposition nicht mehr gefahrlos möglich war.
    Mein Großvater mütterlicherseits war christlicher Gewerkschaftler. Er hat sich schon deshalb zurückgehalten, weil er Frau und sechs Kinder hatte. Die Eltern meines Vaters waren Mitläufer. Meine Eltern selbst waren zu jung, um aktiv etwas anzurichten.

  3. #33
    Zitat Zitat von Golden Girl Beitrag anzeigen


    Ich denke, niemand von uns hat das Recht, das damalige deutsche Volk zu verurteilen, weil keiner von uns sagen kann, wie und ob er gehandelt hätte.

    ---
    Es stimmt, ich wollte mich ursprünglich auf die Judenverfolgung beschränken, daher die Überschrift. Dann aber ging es in meinem Kopf rund und ich hab das Thema mit anderen vermischt.
    Bitte was?

    Wir reden hier von einer Zeit, die weniger als 100 Jahre vorbei ist. Das war nicht das finstere Mittelalter oder die Steinzeit - das war die Neuzeit. Die Menschen waren zivilisiert.
    Alleine, dass man jüdische Geschäfte plündert und Juden bespuckt, mit Dreck bewirft, schlägt (von dem späteren Schicksal brauchen wir nicht reden) kann man nicht nur verurteilen, sondern muss es sogar. Egal, ob damals oder heute.

    Sorry, aber mit der Meinung komme ich überhaupt nicht klar.
    Verstehen Sie?

  4. #34
    homo novus Avatar von caesar
    Ort: milchstrasse
    Terror war eine Säule der Nazi-Politik.

    Schon das Verbreiten von Flugblättern galt als Todesstrafe-würdig für die gleichgeschaltete Justiz.

    Dazu wusste man nie, ob jemand Hinweise an die Gestapo weiterleitet. Wenn die Gestapo Hinweise bekam, wurde auch ermittelt. So wurde jede öffentliche Diskussion unterbunden.
    das melken eines leeren euters bewirkt nur,
    das man vom melkstuhl gestossen wird.

    rise and rise again until the lambs become to lions.

  5. #35
    Golden Girl
    unregistriert
    Ich fände es ausgesprochen wichtig, ältere Leute zum Reden zu bringen und gut zuzuhören. Und vor allem sollten diese Geschichten auch weitergegeben werden.

    Mein Vater war zunächst auf einem U-Boot, später an der Ostfront. Beim Rückzug musste er in Dresden "aufräumen". Einmal hat er davon kurz erzählt und dabei geweint. Das habe ich bis heute nicht vergessen. Nach drei Monaten Gefangenschaft mit kaum Verpflegung ging er zu Fuß von Norddeutschland aus nach Hause in den Süden. Das habe ich von mehreren Männern erfahren. Züge fuhren ja keine.

    Ich glaube, wenn man sowas durchgemacht hat, geht man das Leben anders an. Vielleicht schätzt man es mehr und sieht es nicht als selbstverständlich an.

    Was die Juden angeht, sagte mir meine Mutter, sie hätten hier in unserem Nest wohl gehört, was in den KZs vor sich ging, es aber nicht geglaubt. Eine Bekannte aus Thüringen, jetzt leider auch schon tot, erzählte dagegen, dass die Leute aus ihrer Gegend durch die Rauchschwaden eines nahen Konzentrationslagers sehr wohl zumindest eine dunkle Ahnung hatten, aber Angst davor, es laut auszusprechen.

    Mein Vater hatte nichts davon gewusst und ich glaube ihm das aus. Erst beim Rückzug wurde ihm klar, wie groß die Verbrechen Hitlers und seiner Anhänger tatsächlich waren. Wörtlich sagte er: "Aber da war es zu spät, da ging es nur noch darum, die Heimat zu retten." Er schämte sich durch seine Wehrmachtszugehörigkeit praktisch Hitlers Grausamkeiten unterstützt zu haben.

    Mein Opa war Koch beim Frankreich- und Rußlandfeldzug. Er marschierte auf Moskau zu - und dann wieder zurück. Das ist alles, was ich von ihm weiß, aber ich war, als er starb, erst zehn Jahre alt und darum wird er mir nicht mehr davon erzählt haben.

    Die Oma war daheim, führte Geschäft und Landwirtschaft mit Fremdarbeitern und Kriegsgefangenen. Von ihr weiß ich, dass die alle mit ihr und ihrer Tochter am Küchentisch aßen, obwohl das streng verboten war. Meiner Oma war das egal. Einer dieser Männer, ein Tscheche, hat uns nach der Wende besucht. Leider war Oma da kurz zuvor verstorben. Einer, ein Pole, hat sich damals auf unserem Heuboden erhängt.

    Wir können uns nicht annähernd vorstellen, was die Menschen damals durchgemacht haben und haben deshalb, so denke ich, auch kein Recht, diese Generation zu kritisieren.

  6. #36
    Auffe Couch für den BVB Avatar von Jaspis I.O.F.F. Team
    Ort: Doatmund
    Natürlich kann man die Generation derer, die erwachsen waren 1933, kritisieren. Sie haben der NSDAP zur gewählten Mehrheit verholfen. Es geht gar nicht darum, jeden einzelnen moralisch auseinander zu nehmen, aber es durchaus sinnvoll zu gucken, wie der Anteil des Einzelnen ist.
    Es ist auch legitim zu kritisieren, dass die NS-Zeit erst in den 1960ern so langsam aufgearbeitet wurde und nach dem Krieg Leute wieder in Amt und Würden waren, die aktive Nazis gewesen waren.
    Versuch mal, die Rolle der Wehrmacht kritisch zu hinterfragen! Das ist immer noch in weiten Teilen der Bevölkerung ein No-Go, weil dann nämlich Opa und Papa möglicherweise nicht Opfer eines schlimmen Krieges waren, sondern vielleicht Täter. Dieser Krieg ist nicht wie eine Naturkatastrophe über Deutschland hereingebrochen, sondern von Deutschland ausgegangen.
    Natürlich hat es in der Folge Not und Elend für die Bevölkerung bedeutet, das heißt aber doch nicht im Umkehrschluss, dass deshalb die Verantwortung bei anderen liegt.

  7. #37
    Rheinische Frohnatur Avatar von dango
    Ort: in front of the stage
    Zitat Zitat von caesar Beitrag anzeigen
    Terror war eine Säule der Nazi-Politik.

    Schon das Verbreiten von Flugblättern galt als Todesstrafe-würdig für die gleichgeschaltete Justiz.

    Dazu wusste man nie, ob jemand Hinweise an die Gestapo weiterleitet. Wenn die Gestapo Hinweise bekam, wurde auch ermittelt. So wurde jede öffentliche Diskussion unterbunden.

    Als Kind habe ich viele Geschichten über diese Zeit gehört, teilweise mehrfach erzählt von verschiedenen Verwandten, in unterschiedlicher Sichtweise. Schlimm waren sie aber alle. Meine Oma musste 3 Monate Kerkerhaft absitzen, weil sie eine Beamtin als "Schicklgruberin" beschimpfte, wenn sie nicht 5 Kinder gehabt hätte, die versorgt werden mussten, wäre ihr wohl noch Ärgeres passiert.

    Ein damaliger Nachbarsjunge hat sich mit "Rot-Front" Parolen als Kommunist geoutet, er wurde mehrfach gewarnt, wollte aber nicht hören...bis er verhaftet wurde und 8 Tage später an "Lungenentzündung" verstarb.

  8. #38
    pflegt ihren Dachschaden Avatar von BlackGirl
    Ort: Kölle
    Zitat Zitat von Jaspis Beitrag anzeigen
    Natürlich kann man die Generation derer, die erwachsen waren 1933, kritisieren. Sie haben der NSDAP zur gewählten Mehrheit verholfen. Es geht gar nicht darum, jeden einzelnen moralisch auseinander zu nehmen, aber es durchaus sinnvoll zu gucken, wie der Anteil des Einzelnen ist.
    Es ist auch legitim zu kritisieren, dass die NS-Zeit erst in den 1960ern so langsam aufgearbeitet wurde und nach dem Krieg Leute wieder in Amt und Würden waren, die aktive Nazis gewesen waren.
    Versuch mal, die Rolle der Wehrmacht kritisch zu hinterfragen! Das ist immer noch in weiten Teilen der Bevölkerung ein No-Go, weil dann nämlich Opa und Papa möglicherweise nicht Opfer eines schlimmen Krieges waren, sondern vielleicht Täter. Dieser Krieg ist nicht wie eine Naturkatastrophe über Deutschland hereingebrochen, sondern von Deutschland ausgegangen.
    Natürlich hat es in der Folge Not und Elend für die Bevölkerung bedeutet, das heißt aber doch nicht im Umkehrschluss, dass deshalb die Verantwortung bei anderen liegt.
    Ich hab mal mit einem Österreicher über den Anschluss gesprochen. Der ist fast ausgeflippt beim Gedanken daran, daß sein eigener Vater, der schließlich ein "anständiger" Sozialdemokrat, damals ein Mitläufer gewesen sein könnte. Das ist da heute noch ein ganz ganz sensibles Thema.

  9. #39
    Golden Girl
    unregistriert
    Zitat Zitat von Jaspis Beitrag anzeigen
    Natürlich kann man die Generation derer, die erwachsen waren 1933, kritisieren. Sie haben der NSDAP zur gewählten Mehrheit verholfen. Es geht gar nicht darum, jeden einzelnen moralisch auseinander zu nehmen, aber es durchaus sinnvoll zu gucken, wie der Anteil des Einzelnen ist.
    Es ist auch legitim zu kritisieren, dass die NS-Zeit erst in den 1960ern so langsam aufgearbeitet wurde und nach dem Krieg Leute wieder in Amt und Würden waren, die aktive Nazis gewesen waren.
    Versuch mal, die Rolle der Wehrmacht kritisch zu hinterfragen! Das ist immer noch in weiten Teilen der Bevölkerung ein No-Go, weil dann nämlich Opa und Papa möglicherweise nicht Opfer eines schlimmen Krieges waren, sondern vielleicht Täter. Dieser Krieg ist nicht wie eine Naturkatastrophe über Deutschland hereingebrochen, sondern von Deutschland ausgegangen.
    Natürlich hat es in der Folge Not und Elend für die Bevölkerung bedeutet, das heißt aber doch nicht im Umkehrschluss, dass deshalb die Verantwortung bei anderen liegt.
    Du weißt aber schon, wie es den Menschen in der Weimarer Republik ging? Und auch, wie die Jugend indoktriniert wurde? Vielen blieb auch gar nichts anderes übrig, als in die Partei einzutreten, weil sie sonst ihre Posten verloren hätten und sie hatten Frau und Kinder zu versorgen.

    Nein, ich bleibe dabei, wenn wir diese Generation verteufeln, machen wir es uns zu leicht.

    Seiten wir lieber dankbar, dass uns sowas - bisher - erspart geblieben ist.

  10. #40

  11. #41
    YNWA Avatar von reddevil
    Ort: am großen Strome
    Zitat Zitat von Jaspis Beitrag anzeigen
    Natürlich kann man die Generation derer, die erwachsen waren 1933, kritisieren. Sie haben der NSDAP zur gewählten Mehrheit verholfen. Es geht gar nicht darum, jeden einzelnen moralisch auseinander zu nehmen, aber es durchaus sinnvoll zu gucken, wie der Anteil des Einzelnen ist.
    Es ist auch legitim zu kritisieren, dass die NS-Zeit erst in den 1960ern so langsam aufgearbeitet wurde und nach dem Krieg Leute wieder in Amt und Würden waren, die aktive Nazis gewesen waren.
    Versuch mal, die Rolle der Wehrmacht kritisch zu hinterfragen! Das ist immer noch in weiten Teilen der Bevölkerung ein No-Go, weil dann nämlich Opa und Papa möglicherweise nicht Opfer eines schlimmen Krieges waren, sondern vielleicht Täter. Dieser Krieg ist nicht wie eine Naturkatastrophe über Deutschland hereingebrochen, sondern von Deutschland ausgegangen.
    Natürlich hat es in der Folge Not und Elend für die Bevölkerung bedeutet, das heißt aber doch nicht im Umkehrschluss, dass deshalb die Verantwortung bei anderen liegt.
    so siehts mal aus

    ich weiss noch genau wie hoch die wellen schlugen als die wehrmachtsausstellung damals durch die lande zog.... oweiowei.

    weil man war ja in der wehrmacht und nicht in der bösen ss.
    Geändert von reddevil (10-11-2018 um 11:42 Uhr)

    for your dreams be tossed and blown...



  12. #42
    Igge6
    unregistriert
    https://www.youtube.com/watch?v=kK5O1rL0NwE

    Ich vermute BAP hatte gehofft, dass das Lied weniger relevant wuerde mit der Zeit...

  13. #43
    Ich komme in Frieden. Auf ewig! Avatar von dracena I.O.F.F. Team
    Ort: Mördergrube
    Ich finde, wer diese Generation komplett mit Ausreden versorgt und entschuldigt, der macht es sich viel zu einfach.

    Es wäre übrigens gut, wenn man sich mal die Geschichten der überlebenden Juden anhört. Wie die es so erlebten, dass Nachbarn, Kollegen, Vorgesetzte und Freunde sich abwendeten, ihnen nicht halfen, sich an ihnen bereicherten oder sie denunzierten.
    Und man sollte ihnen auch zuhören, wenn sie von denen erzählen, die anders waren. Die nicht einfach wegschauten, die sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten unterstützten, ohne gleich zu Heldentum aufzulaufen - die einfach versuchten, menschlich zu bleiben. Auch das war möglich.
    Nein ist ein vollständiger Satz.

  14. #44
    Igge6
    unregistriert
    Ja, und solche Gechichten, klein und wertvoll...

    http://www.spiegel.de/einestages/rei...a-1237061.html

  15. #45
    Igge6
    unregistriert
    https://www.tagesspiegel.de/berlin/9.../23598558.html

    Es ist wichtig fuer unsere Demokratie, dass der Marsch stattfinden durfte. Und noch wichtiger, dass die Gegenmarschierenden in groesstmoeglicher Ueberzahl waren. So geht Demokratie tatsaechlich, mit Mutbuergern, und nicht Wutbuergern.


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