Wir haben hier kürzlich auch über die Rolle und Zahl der Sympathisanten der RAF gesprochen. Im Ersten läuft gerade eine sehr interessante Dokumentation zum Thema:
Sympathisanten. Unser deutscher Herbst
Gibt es dann vermutlich auch in der Mediathek. Lohnt sich.
Einerseits bin ich erschrocken, dass so eine integre Frau wie Margarethe von Trotta da zugibt, selbst einen Koffer mit unbekanntem Inhalt für RAF-Leute deponiert oder weitergereicht zu haben, sie also unterstützt hat, und andererseits deutlich wird wie eine aufgeheizte Atmosphäre zu Denunziation und Verleumdungen führen, z.B. gegen Heinrich Böll, der damals im Fokus der Anklagen stand.
Der Deutsche Herbst kann uns allen nur eine Warnung sein. Erschreckend zu sehen, wie weit sich die menschenfeindlichen Sympathisanten trotz der unrühmlichen deutschen Geschichte in die Politik, Medienlandschaft und Gesellschaft gefressen hatten - nach nur drei Jahrzehnten. Schauderhaft. Glücklicherweise haben die Deutschen davon gelernt. Mörderbanden und Terroristen haben heutzutage keinen gesellschaftlichen Rückhalt mehr.
Gibt es sogar in 2 Mediatheken:
ARTE bis 14.08.19 in der Mediathek und
erneute Ausstrahlung am 01.08.19 um 1.20 Uhr
Das Erste in der Mediathek bis 24.07.19
Geändert von Jannick (18-07-2019 um 06:31 Uhr)
Ja, nur drei Jahrzehnte später ließ sich u.a. U. Meinhof, ehemalige Anti-Atomkraft-Aktivistin und Antifaschistin von Palästinensern in Jordanien an Waffen ausbilden. Die Frau, die vorher berechtigt eine mangelnde Aufarbeitung der Nazi-Zeit beklagte. War es so mangelhaft, dass selbst einer sonst als intelligent beschriebenen Journalistin überhaupt nicht die perverse Widersprüchlichkeit im eigenen Handeln auffiel oder pure Überheblichkeit? Nach ihrem Tod entführten antisemitische Terroristen das Flugzeug 'Landshut', um die deutschen Terroristen, die die Nazi-Verstrickungen ihrer Opfer heraus stellten, zu befreien. In ihrer Paranoia wollten die Palästinenser eine Passagierin erschießen, weil sie das harmlose Logo auf ihrem 'Montblanc'-Füllers für den David-Stern hielten. Terroristen sind irrational.
Das war ja gerade die Frage, weswegen wir drauf gekommen sind. Inwieweit wird der Mord an Lübcke von z.B. Pegida-Demonstranten goutiert oder auch nicht.
In dem Film gestern Abend wurde sehr deutlich, dass für viele damals offenbar die Sympathie und Unterstützung am Ende war als Buback und Schleyer (und ihre Begleitung) ermordet wurden, und es offensichtlich war, zu welch mörderischen Abgründen die RAF fähig war. Der Schriftsteller Peter Schneider sagte in der Dokumentation, in dem Moment, in dem die RAF verkündete: "Wir haben nach 43 Tagen Hanns-Martin Schleyers klägliche und korrupte Existenz beendet" war für ihn offensichtlich, dass das faschistisches Vokabular und Verhalten ist, das sich in nichts vom Rechtsfaschismus unterscheidet.
Bemerkenswert fand ich auch, dass sowohl von Trotta als auch Cohn-Bendit in dem Beitrag sagten, dass damals die „Nuancen“ in der Diskussion verloren gegangen wären. Es gab nur Schwarz oder Weiß, Pro oder Contra, nichts dazwischen.
Das sind schon Züge, die sich auch in der aktuellen Diskussion wiederfinden. Wie weit geht die Sympathie für Rechts, für Pegida und AfD, und wann hört sie auf? Hört/e sie beim Mord an Lübcke auf oder nicht?
Und ist es auch hier so, dass es in der Diskussion nur Schwarz und Weiß gibt, oder sind auch Differenzierungen möglich?
Geändert von Marmelada (18-07-2019 um 14:40 Uhr)
Die Doku war spannend, weil sie eine Zeit beleuchtete, die ich als Teenager mitbekommen habe.
Mir tat vor allem Heinrich Böll leid, der eine Dauerfehde mit der Springerpresse aushalten musste.
Es war allerdings auch eine hysterische Zeit. Heute erzählte mir eine Bekannte, ihre Eltern seien mal mit viel Aufwand und Handgreiflichkeiten von der Polizei wegen Terrorverdachts festgenommen worden. Tatsächlich hatte eine Hochzeitsgesellschaft in einem Kleingarten ein privates Feuerwerk gezündet.
Der Richter ließ bei der Anhörung allerdings die Polizisten stramm stehen, denn die hätten bloß die Umstehenden zu fragen brauchen, was wirklich los war.
Möge nie wieder so eine schlimme Zeit kommen! Es macht keinen Spaß, bei allgemeinen Personenkontrollen in den Lauf einer MP zu gucken.
Das ist mir allerdings erst vor wenigen Jahren bei Frankfurt in einer Kontrolle passiert, also das Betrachten eines MP-Laufs aus der Nähe. Dazu das Umstellen des eigenen Fahrzeugs von acht Polisten und drei Fahrzeugen, die sich um den Wagen formierten. Und dann der Gedanke "Himmel, jetzt bloß nicht laut niesen..."
Was darf
Freiheit kosten?
Ich wurde zur selben Zeit groß, war damals Kind und Teenager. Unsere Wohnung, auch mein Kinderzimmer, wurden durchsucht. Weil meine Schwester im Verdacht stand, Sympathisantin zu sein. Man "rupfte" an uns sehr ungehobelt. Und - wirklich - mit Maschinengewehren!
Das erste mal, dass ich wieder MGs gesehen habe, war auf dem Weihnachtsmarkt in Düsseldorf. Nach dem Anschlag in Berlin.
Ich sage jetzt vielleicht etwas extrem unpopuläres:
Aber Lübckes Aussage: "Wer diese Werte nicht teilt", könne auswandern, ist eine Frechheit. Das erinnert mich an die Achtziger: "Dann geh doch nach drüben". Es ging darum, wer seine Werte nicht teilt. Der könne sich aus diesem Land verpissen. Nein, so redet man nicht. Tod oder lebendig. Das ist antidemokratisch.
Nur,, weil er hier so heilig gesprochen wird.
Bin ich jetzt als Kritiker ein Nazi? Oder darf ich weiterhin sagen, was mir an der Aussage nicht gefiel, gefällt.
Zumindest hast Du nicht verstanden, was Herr Lübke an diesem Abend, an dem er sich die Sorgen von Bürgern anhören wollte und Entscheidungen der Regierung erklären wollte und ständig von hasserfüllten Zwischenrufen unterbrochen wurde, sagte und wie es zu verstehen war. Er sagten an diesem Abend, an dem er mehrfach die westlichen und christlichen Werte unserer Gesellschaft hervorhob (weswegen man Flüchtlingen helfen soll):
Quelle"Da muss man für Werte eintreten. Und wer diese Werte nicht vertritt, der kann jederzeit dieses Land verlassen, wenn er will."
Es ist wie bei den Pegidisten und AfDlern. Die Pegidisten und die AfDler reden auch immer von der Rettung des Abendlandes, aber unsere Werte, unsere christlichen Werte die ihnen angeblich so wichtig sind, die treten sie mit Füßen. Ich kann verstehen, dass Lübke das damals in der aufgeheizten Situation so sagte. Und er hat sich im Anschluss auch ausführlich erklärt:
Quelle...Walter Lübcke: Unser Zusammenleben beruht auf christlichen Werten. Damit eng verbunden sind die Sorge, die Verantwortung und die Hilfe für Menschen in Not. An diese christlichen Kernbegriffe hatte ich erinnert, als ich immer wieder durch Zwischenrufe wie „Scheiß Staat!“ und durch hämische Bemerkungen unterbrochen wurde. Ich wollte diese Zwischenrufer darauf hinweisen, dass in diesem Land für jeden und für jede, die diese Werte und die Konsequenzen aus unseren Werten so sehr ablehnen und verachten, die Freiheit besteht, es zu verlassen; im Gegensatz zu solchen Ländern, aus denen Mensch nach Deutschland fliehen, weil sie diese Freiheit dort nicht haben. ...
Und da hatte er und hat er recht.
Er war ein aufrechter Mann, der von einem Rechtsterroristen ermordet wurde! Und die Nazis und ihre Anhänger applaudieren und relativeren die Tat! Und das +++ mich an!