(M)eine Kindheitserinnerung an die Berberitze, die inzwischen anscheinend eher als Mahonie bezeichnet wird:
In den ersten Jahren am Gymnasium hatte ich eine sehr außergewöhnliche Biologielehrerin, Frau Bickerich, eine winzig kleine Person – die meisten Schülerinnen überragten sie schon in der Sexta – schmal, fast dürr, sehnig und die Haut immer wie braun gegerbt.
Sie kam uns uralt vor, hatte graue Haare und einen altmodischen Dutt, trug Wollstrümpfe und robuste Lederschuhe mit „vernünftigem“ Profil und war in keinerlei Hinsicht auch nur ansatzweise „modern“.
Trotzdem hatte sie uns von der ersten Stunde an am Wickel, weil ihr Unterricht niemals trocken war, sondern immer packend, interessant und oft sehr lustig.
Sie hatte an einigen Expedition Heinz Sielmanns teilgenommen und machte immer noch in den langen Sommerferien Reisen in für uns unvorstellbar weit entfernte Länder auf anderen Kontinenten. Wenn sie davon erzählte, sogar ab und an ein exotisches Fundstück mit in die Klasse brachte, waren wir hin und weg und diese Stunden kamen uns immer zu kurz vor.
Mit der eigentlich unscheinbaren Berberitze machte sie uns bekannt, indem sie ein Holzmodell der Blüte und für jede von uns ein Blütenbüschel zur eigenen Untersuchung mitbrachte.
Sie erklärte kurz Aufbau und Funktion des Stempels und der Staubblätter und den besonderen Mechanismus, der die Bestäubung so effektiv macht:
Setzt sich nämlich ein Insekt, z.B. eine Fliege auf die Narbe, dann schnellen die Staubblätter nach vorn und klatschen ihren Samen in den Staubbeuten gegen den Kopf des Besuchers. So trägt die Fliege zur Vermehrung bei.
Und da – laut Frau Bickerich – die Fliege kein Gehirn und kein Gedächtnis hat (was sich inzwischen als falsch erwiesen hat), kann sie sich nicht merken, wer ihr gerade eine Kopfnuss verpasst hat und landet unbeirrt auf der nächsten und übernächsten und…
Das nun wurde sehr plastisch dadurch untermalt, dass unsere Lehrerin uns Schülerinnen kurzerhand zu Fliegen erklärte und jede, der es gelang, diesen Mechanismus mithilfe eines Bleistifts an einer ihrer Blüten auszulösen, durfte – mit gebotener Zurückhaltung – ihrer Banknachbarin einen Kopfklatsch verpassen.
Wir hatten solch einen Spaß, dass die Lateinlehrerin aus der Nachbarklasse nachschauen kam, ob wir unbeaufsichtigt wären. Ausgelassenes Gelächter im Unterricht, das konnte doch nicht mit rechten Dingen zugehen.
Wenn ich hier oder in der Stadt Berberitzen sehe, muss ich fast immer an meine Frau Bickerich denken, die bestimmt nicht mehr unter den Lebenden weilt, aber einen so langen Nachhall hinterlassen hat.
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Fix gezupft und 10 Minuten später frisch auf dem Teller, mein Feldsalat macht sich
Und heute gab's den ersten Kaffee draußen - aber nicht im Kännchen, Stühle und Polster sind noch verstaut