Es hilft tatsächlich, wenn man die Vorstellung eines irgendwie gearteten "neutralen" sozialen Raums (... gemeint: als Handlungsraum) vergisst. Da ist nichts "neutral" da draussen, sondern die Gesellschaft ist - nach wie vor - sorgfältig nach Geschlechterrollen (und auch, zum Beispiel: nach Altersrollen) aufgeteilt. Und das gilt zuallererst für alles, was überhaupt als "wirtschaftlich relevant" gilt.
Zum einen haben Männer noch lange nicht dieselben Chancen wie Frauen, wenn sie sich auf sogenannt "innerhäusliche" Tätigkeiten als reproduktive Tätigkeiten einlassen wollen (Stichwort "Teilzeitarbeit").
Und andererseits ist doch die Vorstellung völlig absurd, dass Frauen exakt DANN Gleichberechtigung erreicht hätten, wenn ihnen dieselben beruflichen Möglichkeiten offen stehen wie Männern. Weil man ja dann das, was Männer traditionell tun, automatisch als erstrebenswerter erachtet als das, was Frauen traditionell tun. Und genau DIESE Differenz gilt es näher zu beleuchten: Es geht um die Werte ... und nicht um das, was man tun darf oder soll.
Leider sind wir in der Moderne so sehr von der (durch und durch säkularen), aufklärerischen Idee des Menschen als einem "vernünftigen Individuum mit voller Verantwortung für sein Dasein" geprägt, dass wir immer wieder ausblenden, welche versteckten Denkmuster unser Dasein AUCH prägen. Allein schon DIESE Vorstellung ist ganz stark männlich - und ja, auch westlich - geprägt.
Wir sind nämlich auch schwach und abhängig und geteilt und von unseren Gefühlen geleitet ... und damit genauso "Dividuum" wie Individuum. Wir sind als Dividuen nicht frei in unseren Entscheidungen, sondern sozial geprägt; also etwa in unseren Entscheidungen abhängig von den Rollenvorbildern, die uns vorgelebt wurden. In der Soziologie kann man den Unterschied gut sehen an den einschlägigen Denkschulen: Das handelnde Individuum ist die Domäne von Max Weber. Das von gesellschaftlichen Dynamiken geprägte Wesen ist die Domäne des Religionssoziologen Emile Durkheim. Und ja: BEIDE haben recht
Es ist so einfach zu sagen: "Sei frei". Wir sind nicht frei ... wir können höchstens lernen, frei zu sein - und das ist die härteste Aufgabe überhaupt. Und MIR persönlich fehlen in diesem Zusammenhang nach wie vor alle die stakren Rollenvorbilder für Männer, die ein gutes Gefühl schaffen für das Innerhäusliche, das Reproduktive, dieses ganze Selbstlosigkeits- als "caring"-Paket und die "pink collar"-Geschichten.
Wir täuschen uns, wenn wir denken, das Patriarchat bevorzuge die Männer und das Matriarchat die Frauen. Der wirklich entscheidende Unterschied ist, dass das Patriarchat die Geschlechtergrenzen ALS SOLCHE aufrechterhalten will, um jeden Preis. Während dem Matriarchat nichts fremder sein könnte als die Trennung in "männliches" und "weibliches" Verhalten. Oder Denken.
Denn wozu sollte ein solcher Denkunterschied gut sein
Reicht doch, wenn es Geschlechter gibt und damit spannende äusserliche Unterschiede, mit denen man spielen kann. Der Ernst, mit dem auf diesen Unterschieden herumgeritten wird: Genau DER ist typisch patriarchalisch
Und solange ein paar elitäre Familien mit Hang zum Rechtskonservatismus das Geld unter sich verteilen und die Macht, wird sich an diesen Schismen leider Gottes nur wenig ändern. So optimistisch ich sonst bin: Ich glaube, der Kampf um wirkliche Emanzipation hat noch nicht mal richtig angefangen