Es wäre sicher gut, wenn man so handeln würde, da gebe ich Dir recht. Aber den meisten Menschen fehlt dann doch die Zivilcourage, es wirklich zu tun, und das Fingerspitzengefühl sowie das diplomatische Geschick, den Feiernden die eigene Absage so zu vermitteln, dass am Ende niemand eingeschnappt ist. Das gilt noch mehr für den Versuch, die Eltern des Taufkindes davon zu überzeugen, das Ganze zu verschieben.
In der Zielrichtung und der Überzeugung "man sollte" gebe ich JackB und beautiful.south recht, aber wie gesagt: Ich fürchte, die Umsetzung scheitert meistens daran, dass man sich nicht imstande fühlt, seine Überzeugung oder die Entscheidung für eine Absage so geschickt zu verpacken, dass einem das nicht übel genommen wird. Man scheut den Konflikt oder die Missstimmung, die man provozieren könnte, und ergibt sich lieber in sein Schicksal - mit sehr ungutem Gefühl.
Das ist gar nicht gut. Ich kenne das, ich zögere in solchen Situationen auch, aber vielleicht sollte man genau das jetzt bewusst als eine neue Herausforderung (ich hasse dieses Wort eigentlich, aber hier passt es mal) annehmen und sich selbst vornehmen, in entsprechenden Situationen sich ein Herz zu fassen und so diplomatisch, wie es nur irgend möglich ist, die eigene Absage zu verpacken und idealerweise auch noch den anderen zur Planänderung insgesamt zu bewegen.
Ich habe beschlossen, dass künftig bewusst zu üben; dabei will ich mir schon im Vorfeld eine generelle Strategie überlegen für solche Situationen, die immer auch mal unverhofft eintreten können. Im Moment denke ich, am besten fängt man mit einer positiven und empathischen Botschaft an (z.B. Dank für die Einladung, im Fall der Taufe etwa Freude über die Geburt des Kindes), äußert dann vorsichtig, aber klar seine Bedenken ("Aber habt Ihr keine Angst, dass sich jemand anstecken könnte? ICH würde mir ja ewig Vorwürfe machen...") und schließt mit guten Wünschen - nur mal so ins Unreine gedacht.
Wie schnell es nämlich gehen kann, zeigt ein Fall aus meinem Kollegenkreis, den ich heute erfahren habe: Im September wurde der 18. Geburtstag der Tochter gefeiert. Insgesamt mit 13 Personen aus der engeren Familie: Eltern, Bruder, Oma, Tanten, Patentante. Keine Freunde, das war verschoben/abgesagt worden.
Der Vater ist Polizist und erfuhr tags darauf (freitags), dass ein Kollege positiv auf Corona getestet worden war. Daraufhin haben die Eltern am Samstagmorgen schon vor 7 Uhr im noch leeren Laden einen Großeinkauf gemacht, um ggf. 14 Tage Quarantäne überbrücken zu können, und haben sich über Bekannte einen Schnelltest organisiert. Sonntags das Ergebnis: alle positiv, bis auf den Sohn (später stellte sich aber heraus, dass er auch infiziert war). Von den 13 Feiernden hatten sich 10 infiziert.
Glücklicherweise hat der älteste Gast, die 84jährige Oma, nicht mehr am Abendessen teilgenommen - und sich nicht infiziert. Die Kollegin selbst hat eine vorgeschädigte Lunge und war deshalb ziemlich krank; aber soweit ich weiß, musste immerhin niemand ins Krankenhaus. Es war allerdings knapp davor, mit zeitweiliger Luftnot etc.
Man stelle sich nun vor, die Oma wäre länger geblieben, hätte sich angesteckt und wäre schwer erkrankt.
Will man das riskieren? Also, ich nicht.